
Die 100 Jahre Klinik Arlesheim und damit auch die Weiterentwicklung der Anthroposophischen Medizin wurden durch Hunderte von Menschen ermöglicht, zu Beginn der Klinikgeschichte noch in überschaubarer Anzahl mit Aufgaben in Medizin, Pflege, Therapie und Hauswirtschaft. Mit den Jahren ist die Klinik gewachsen, räumlich, personell. Auch die Vielfalt der Berufe nahm allmählich zu. Dafür, dass die Klinik Arlesheim auch nach 100 Jahren ihr integratives Konzept der Anthroposophischen Medizin für alle Menschen bereithält, haben sich enorm viele Menschen eingesetzt, zum grössten Teil Frauen. Manche von ihnen waren nur kurz an der Klinik, andere haben ihr gesamtes Berufsleben hier verbracht und blieben der Klinik auch nach ihrer Pensionierung eng verbunden. Stellvertretend für all diese seien hier sieben Frauen porträtiert, die jede für sich eine besondere Aufgabe an der Klinik hatte.
Anna Wilde | geb. 11.4.1935
lebt heute im Altersheim
„Mit der Anna kann man Pferde stehlen“ – das ist wohl das treffendste Bild, das ich über Anna Wilde schildern kann. Wenn irgendwo etwas gebraucht wurde, wenn es irgendwo brannte, dann war sie da – ohne Wenn und Aber.
Bei den Geburten war sie voll da, kräftig, konzentriert. Sie hat immer das gemacht, was es gebraucht hat. Sie hat sich völlig in die gebärenden Mütter hineingefühlt, das war mehr als Begleiten. Dabei gab sie ihnen während der Geburt klare Anweisungen, aber immer auf einfühlsame Weise. Mit ihr konnten wir viel lachen, sie hat sehr viel Humor gezeigt. Anna Wilde war ehrlich zu uns und den Frauen. Wenn wir sie gerufen haben zu einer Geburt, dann ist sie umgehend da gewesen. Für mich war sie die geborene Hebamme. Besonders eindrücklich war, dass sie jede Geburt bis zum Schluss begleitet hat. Dr. Gerretsen war für sie sehr wichtig, die Zusammenarbeit klappte quasi ohne Worte. Das war wie eine Symbiose. Sie haben beide eine gemeinsame Aufgabe gehabt. Anna Wilde hat das Gesellige auf der Abteilung gepflegt – wenn jemand Geburtstag hatte, war sie sehr schnell daran, ein kleines Fest zu organisieren. Das hat immer wieder zu guter Stimmung geführt. Genauso wichtig waren ihr die Jahresfeste. Sie hat dafür gesorgt, dass wir Jungen an die Vorträge zu Weihnachten gehen oder im Mitarbeiterchor auf der Station singen konnten. Währenddessen hat sie unsere Arbeit auf der Station mitgemacht.
Für Anna Wilde war es bei Geburten immer sehr wichtig, der Familie Raum zu geben. Sie hat dafür gesorgt, dass die Väter bei der Geburt einbezogen waren, dass sie beschäftigt waren. Der Vater konnte vor, bei und nach der Geburt rund um die Uhr da sein, auch während der Zeit des Wochenbetts. Anna Wilde war rundum Hebamme, auch bei ihrer Familie und bei Freunden – sobald sich irgendwo Nachwuchs ankündigte, ging sie hin und half den Kindern auf die Welt.
Sie war unglaublich wendig und flexibel, auch im Sozialen. Sie konnte sich auf die Menschen und ihre Bedürfnisse ebenso einstellen wie auf die gerade aktuell anfallenden notwendigen Arbeiten. Auch nach ihrer Pensionierung hat sie noch weitergearbeitet.
porträtiert von Doris Buttschardt, pensioniert,
als Kinderkrankenschwester zwischen 1981 und 1993
auf der Geburtsstation
Dr. med. Gabriele Gerretsen |
geb. 12.2.1937 Pinne Schloss, Provinz Posen
gest. 14.11.2019 Amelinghausen
Gabriele Gerretsen war die leitende Person der Abteilung. Anna Wilde hat sie als leitende Hebamme in allem unterstützt. Gabriele Gerretsen zeigte sich für mich unglaublich menschlich. Nichts war ihr zu viel. Jede Patientin, die Zuwendung brauchte, bekam diese. Ihr Tatendrang, ihr Wille waren enorm. Sie hat immer wieder Heilermut bewiesen. Sie und auch Anna Wilde haben auf Ferien und auf vieles andere verzichtet, wenn die Situation es verlangt hat. War jemand in einer schwierigen Situation, dann war es für beide klar, auf ihre persönliche Zeit zu verzichten. Die Anthroposophie wurde im Alltag gelebt, die Äusseren Anwendungen und die Menschenkunde wurden regelmässig in der Abteilung thematisiert und besprochen. Als eine Frucht dieser intensiven Arbeit habe ich erlebt, dass wir in Stresszeiten gut miteinander funktioniert haben. Viele Menschen sind wegen Frau Gerretsen nach Arlesheim gekommen, wollten hier arbeiten und lernen.
Was mich besonders beeindruckt hat, war die Geistesgegenwart von Frau Gerretsen. Man musste sie kaum rufen, sie war immer zur rechten Zeit am rechten Ort. Ab und zu kam sie rasch angeradelt, wenn es eilig wurde (obgleich sie ganz in der Nähe wohnte). Manchmal nahm sie mich nach einer strengen Schicht mit nach Hause und lud mich zum Essen ein. Neben all ihrer Arbeit an der Klinik kochte sie für ihre Familie. Sie machte auf mich immer einen ehrwürdigen Eindruck. Zugleich aber war sie sehr menschlich und zugänglich – das zeigte sich mir auch darin, wie kleine Kinder, die sie nicht kannten, auf sie zugingen. Frau Gerretsen war sehr zukunftsorientiert. Sie hat Sachen an uns herangetragen, die erst später allgemein bekannt wurden, zum Beispiel die Anregungen durch Emmi Pickler zur Entwicklung des kleinen Kindes oder die Forschungen über die Kommunikation mit den Kindern im mütterlichen Bauch. Frau Gerretsen hat viele solcher Impulse an uns Mitarbeitende weitergegeben. So hat sie auch das “Rooming in” von Anfang an selbstverständlich ermöglicht. Das hatte sich in den 70er Jahren noch lange nicht überall durchgesetzt. Das ganze Stillwissen, das heute in der Medizin vorhanden ist, wurde damals schon an der Klinik praktiziert. Kein Nuggi, kein Schoppen – eine „stillfreundliche Klinik“ war die Abteilung von Frau Gerretsen schon lange, bevor es das Zertifikat überhaupt gab.
Seit 1976, nach der Geburt ihrer zweiten Tochter, begann Gabriele Gerretsen mit dem Aufbau einer geburtshilflichen Abteilung in der Ita Wegman Klinik. Mit dem Heranwachsen der eigenen Kinder wuchs auch die Abteilung, und es konnten insgesamt ungefähr 3000 Kinder in der Ita Wegman Klinik zur Welt kommen. (Anmerkung der Redaktion)
Ich habe bei Frau Gerretsen und bei Anna Wilde gelernt: Frauen können gebären, wir müssen nur den Raum freimachen. Dieses Grundvertrauen habe ich von hier mitgenommen.
porträtiert von Edna Back, Hebamme in Basel,
1983 bis 1986 in der Klinik,
vor allem auf der Geburtsabteilung
Erica Muller | geb. 24.3.1912 in Zwicka/Sachsen
gest. 3.11.2003 in Arlesheim
Gerne und mit grosser Dankbarkeit erinnere ich mich an die beiden das Klinikleben prägenden und innerlich wie äusserlich tragenden Frauen, Erica Muller und Els Droogleever-Fortuyn – Heileurythmistinnen vom alten Schlag.
Erica Muller liess sich bei Elisabeth Baumann Anfang der vierziger Jahre in Ascona in der Eurythmie und Heilerythmie ausbilden. Das heisst, sie lebte damals jahrelang mit ihren noch kleinen Kindern, mehr oder weniger
alleinerziehend, in unmittelbarer Nähe und in der Gemeinschaft der Menschen um Ita Wegman, die dort in der Casa Andrea Cristoforo ihre letzten Lebensjahre verbrachte. Erica Muller wurde dann an die Klinik Arlesheim geschickt, um mit Frau Dr. Kirchner-Bocholt und Frau Weidelehner den Patientinnen und Patienten die Heileurythmie zu vermitteln. Ich selber erlebte sie in den Anfängen meiner klinischen Tätigkeit ab 1987. Ihre manchmal herbe, strenge und, wenn es um anthroposophische Dinge ging, auch ernste Art prägte den Unterricht und Austausch zwischen den Kolleginnen und Frau Dr. Gudrune Wolff-Hoffmann. Sie unterrichtete zudem im „Schwesternkurs“ Weltgeschichte und Menschheitsgeschichte und hielt auch an den wöchentlich stattfindenden anthroposophischen Donnerstagabenden dichte, weit- und tiefgreifende Vorträge, die ich als junger Mensch spannend und sehr anregend für mein eigenes Studium fand. Sie war aus innerster Seele mit der Anthroposophie und dem Heilimpuls Ita Wegmans verbunden. Dies pflegte sie auch sehr mit den damaligen Ärztinnen und Ärzten. Ihre Worte waren mit ihrer tiefen, kräftigen Stimme bestimmt gesetzt, in ihren Ausführungen durchgeformt, genau und konkret. Sie hat über Jahre hindurch die Weihnachtsspiele produziert, bis in die neunziger Jahre, in denen die Leute nicht mehr regelmässig zu Proben kamen! In den siebziger Jahren gab es eine Schauspielgruppe, und sie hat die Spiele dirigiert.
Diese Art machte sich auch in ihrer hageren, aufrechten Gestalt, dem graden wachen, doch liebevollen Blick, den klaren Gebärden, der Kraft im Bewegungsausdruck deutlich. Wir baten sie vor Eurythmieaufführungen, uns zu korrigieren, und das tat sie gerne, liebevoll sachlich, aber streng.
Els Droogleever-Fortuyn | geb. 21.1.1910 in Den Haag
gest. 9.1.2004 in Arlesheim
Als sie an die Klinik in Arlesheim berufen wurde, konnte sie mit ihrem gesunden Selbstbewusstsein Forderungen an ihre Arbeitsbedingungen für die Klinik stellen, die damals Anfang der siebziger Jahre eher ungewöhnlich waren. Bei intellektuellen Ausführungen war sie zurückhaltend. Mit Menschen war sie „social perfect“. Immer schick angezogen, trug sie Schmuck und war leicht geschminkt. Dabei war sie hoffnungslos unpraktisch, wenn es darum ging, eine Glühbirne oder Batterien in ihrem Radio zu wechseln! Sie beherrschte vier bis fünf Sprachen und hat täglich die Nachrichten von verschiedenen Ländern gehört und sich mit Tages- und Wochenzeitungen immer auf den neuesten Stand gebracht. Nur so kann man eine Ahnung haben, was los ist in der Welt – so ihre Devise. Die Witze und Glossare liess sie bei diesem Zeitungsstudium nicht aus und gab sie brühwarm am täglichen Mittagstisch in der Klinik zum Besten. Das war oft eine sehr heitere Gesellschaft!
Bei diesen beiden Kolleginnen in den Heileurythmie-Behandlungen und bei Begegnungen mit den Patientinnen und Patienten dabei sein zu können, war immer selbstverständlich und unkompliziert — und doch eine hohe Schule!
porträtiert von Raute Hilgard,
Heileurythmistin Klinik Arlesheim,
unterstützt durch Janet Barker, ehemalige Mitarbeiterin
in der Heilmittelherstellung der Klinik
Vreni Läng | geb. 2.6. 1949
lebt in Arlesheim
Als ich 2009 an die Lukas Klinik kam, war Vreni Läng dort Hausmutter. Eigentlich ist sie gar kein mütterlicher Typ, sondern hat eher eine burschikose Statur. Auch ihrem Namen macht sie in dem Sinn keine Ehre, dass sie eigentlich eher kurz als “läng” ist. Und trotzdem war diese, inzwischen ganz aus der Mode gekommene Bezeichnung „Hausmutter“ für sie vollkommen zutreffend. Ihr Büro lag direkt neben dem Speisesaal, hier war sie, wenn sie Administratives zu erledigen hatte. Der Speisesaal war das Herz der Klinik. Dort wurden die Mahlzeiten eingenommen – mit Stil: gestärkte Tischtücher, poliertes Besteck, Auftragen der Speisen, Tischgebet, Ruhe – kurz gesagt: ein Codex, der dem kranken Menschen eine Quelle der Gesundung sein sollte. Dass dies genauso geschah, darüber wachte Vreni Läng, der ein mehrköpfiges Team unterstellt war: nämlich “ihre Frauen”. Sie und “ihre Frauen” waren auch zuständig für die Sauberkeit in der gesamten Klinik, sie waren verantwortlich für die Wäsche und den Blumenschmuck. Vreni Läng kümmerte sich zudem um die Organisation der Klinikfeste, die Vorbereitung für den monatlich stattfindenden Gottesdienst und die Einladungen der verschiedensten Künstler, die jeden Sonntag für die Patientinnen und Patienten ein Konzert gaben oder auch Eurythmie aufführten. Im Anschluss an diese Veranstaltungen gab es im Speisesaal oft noch ein gemütliches Beisammensein, wo sich Gäste und Künstler willkommen geheissen fühlten. Vreni Läng liebte diese Geselligkeit. Als Hausmutter schaffte sie eine entspannte, heitere Stimmung, die jeder und jede genoss.
Ihr Arbeitspensum war gross und schon früh am Morgen war sie in den Klinikräumlichkeiten zu finden, um zu organisieren, anzuleiten, zu überprüfen. Nicht selten konnte man sie donnern hören, wildes lautes Schimpfen, dass die Wände erzitterten, betroffene Gesichter bei “ihren Frauen”. Oh je, was für Katastrophen mit welchen Konsequenzen waren da geschehen? Doch kurze Zeit später war das Unwetter bereits vorbei, und die Mienen waren wieder heiter. “Sehr streng sei sie gewesen”, sagte mir eine ihrer Frauen, “aber sooo lieb, so ein grosses Herz. Die beste Hausmutter, die ich hatte!” Vreni Läng stand vollkommen hinter ihrem Team und wenn nötig verteidigte sie es mit Herzblut.
Ich habe Vreni Läng auch so erlebt. Mit ihrer starken persönlichen Präsenz hat sie die Stimmung in der Klinik mitgeprägt. Begegnungen waren ihr sehr wichtig. Befand sie sich mitten im Arbeitsprozess, konnte sie kurz angebunden sein, doch hatte sie einen Augenblick Zeit, schenkte sie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, ihren Rat und auch ihre Verschwiegenheit. Für mich ist sie die ‚100 Prozent Frau‘. Was sie macht, macht sie zu 100 Prozent. Das war damals in der Klinik so und ziemlich sicher auch schon davor. Inzwischen hat sie nicht mehr “ihre Frauen”, wie sie ihr Team immer liebevoll nannte, sondern “ihre Bienen”. So bienenfleissig wie sie eben ist, hat sie auch die Imkerei, die sie nach der Klinikaufgabe begann, zu 100 Prozent umgesetzt, und die Bienen versüssen jetzt ihr Leben mit weiterhin viel Arbeit und mit viel Honig.
porträtiert von Annette Strumm,
Heileurythmistin an der Klinik Arlesheim
Silvia Stöckler-Sonderegger | geb. 14.9.1957
gest. 28.8.2020, Hochwald
Toleranz, Licht, Wahrhaftigkeit und Leichtigkeit sind Merkmale, welche man bei Silvia Stöckler erlebt hat. Ihre Heimat wurde die Anthroposophie und insbesondere die Anthroposophische Pflege. Silvia Stöckler konnte sich nicht vorstellen, mit einem anderen Hintergrund zu arbeiten. Ihre Loyalität der Klinik und der Pflege gegenüber war unerschütterlich. Das bekam ich immer wieder zu spüren, wenn ich meine Zweifel hatte. Silvia Stöckler hatte immer einen sehr guten Kontakt zu jungen Menschen. Als Neuling in der Anthroposophischen Pflege – wobei Neuling nichts mit dem Alter zu tun hat – hatte man mit Silvia Stöckler eine stets hörende, humorvolle und unterstützende Kollegin. Wir wollten die ganze Klinik umkrempeln und wurden natürlich in unsere Schranken gewiesen, was nicht immer leicht zu ertragen war. Die «alte» und «neue» Welt trafen hart aufeinander, wodurch sich auch einige komische, humorvolle Situationen ergaben. Das Lachen kam selten zu kurz. Für Silvia Stöckler war es sehr wichtig, die Pflege mit der Anthroposophie zu durchdringen und zu verstehen. Rhythmische Einreibungen hat sie unzähligen Interessierten (Pflegenden, Ärztinnen und Ärzten, Laien) zugänglich gemacht. «Mach die Schulterblätter weit», war eine geflügelte Aufforderung. Mit viel Liebe, praktischem Inhalt und Bewusstsein hat sie ihre zahlreichen Kurse gestaltet und begleitet. Der ehemalige interne Klinik-Schwesternkurs, in dem sie Dozentin war, hat mittlerweile, auch dank ihres Engagements, eine zeitgemässe Form angenommen und ist nun für alle Interessierte im In- und Ausland zugänglich.
Das Anliegen der Pflege hat Silvia Stöckler nicht nur in der Klinik stark vertreten, sondern auch in nationalen und internationalen Zusammenhängen. Beim Aufbau des nationalen Pflegeverbandes hatten meine Kolleginnen und Kollegen in ihr eine durchhaltekräftige Mitstreiterin. In unzähligen Autofahrten zu Sitzungen wurden Themen vor- und nachbereitet oder neu erfunden.
Es war ihr immer wichtig, nachhaltig zu wirken. Die Verbindung zu anderen Institutionen, anderen Lebensweisen und Ansichten pflegte sie – das hat auch mein Leben sehr bereichert.
Immer mehr verlagerte sich ihr Interesse von der Pflege zu den ganz jungen Menschen hin. Dass heute in der Klinik Ausbildungen in den verschiedenen Bereichen möglich sind und mit Überzeugung angeboten werden, ist das Verdienst von Silvia Stöckler. Mit sehr grossem Respekt der Aufgabe und vor allem den Menschen und Institutionen gegenüber sowie ihrem scheinbar sich nie erschöpfenden Engagement installierte sie diverse Ausbildungslehrgänge. Sie konnte Kolleginnen und Kollegen für die neue Aufgabe begeistern und ihnen Mut machen und war ihnen zugleich eine zuverlässige Ansprechpartnerin. Als Ausbildungsort ist die Klinik Arlesheim mittlerweile eine beliebte und zuverlässige Institution.
porträtiert von Ursula Ambühl,
Leiterin Sekretariate Klinik Arlesheim
Hildegard Groht | geb. 14.11.1923, Deutschland
gest. 20.7.1995, in Arlesheim
Als junge ausgebildete Pflegekraft kam Hildegard Groht nach dem zweiten Weltkrieg von Hamburg nach Arlesheim. Ein besonderes Erlebnis – so erzählte sie mehrfach – war für sie zunächst, dass sie sich endlich wieder satt essen konnte.
Sie war zusammen mit anderen Mitarbeiterinnen prägend und führend in der Pflege in der Zeit nach dem Krieg bis zu ihrer Pensionierung 1987. Von Gestalt war sie sehr gross, doch dies wirkte nicht „übermächtig“, vielmehr kam sie ihren Mitmenschen immer freundlich entgegen. Ich denke noch heute an sie, wenn ich in ein Patientenzimmer gehe, zum Beispiel mit einer Spritze. Sie sagte immer: „Geht doch nicht zum Patienten ohne ein Tablett!“ Das hat sich mir sehr eingeprägt.
Hildegard Groht hat alle Hinweise, ja auch Vorgaben, Anordnungen, immer sehr empathisch mitteilen können, insofern habe ich sie nie als autoritär erlebt im Sinne von „mit dem Zeigefinger regieren“. Sie besass eine natürliche Autorität und verkörperte die Pflege und die Anthroposophie derart, dass sie mir als „Erste unter Gleichgestellten“ vorkam.
Was mich sehr beeindruckt hat, als ich an die Klinik kam und sie kennenlernte: Sie war Pflegedienstleiterin an der Klinik und hat doch fast täglich auch auf der Station mitgearbeitet. Mit grosser Kompetenz in der Anthroposophischen Pflege und enormer innerer Kraft wirkte sie, ohne dass ihre Leitungsfunktion auffiel. Eine nächste Generation an Pflegenden hatte andere Vorstellungen als sie im Hinblick auf den Ablauf des Stationsbetriebs. Es kam die Zeit notwendiger Veränderungen. Auch hier bewies sie grosse Stärke, indem sie sich in beeindruckender Weise den Konflikten stellte, gut zuhörte und uns Jüngeren ohne Weiteres das Zepter übergab. Das fand ich nicht selbstverständlich und nahm mich erneut für diese starke Persönlichkeit ein.
porträtiert von Gertrud Otto, dipl. Pflegefachfrau,
seit 1986 an der Klinik, mittlerweile pensioniert