Zukunft ermöglichen

Die 100 Jah­re Kli­nik Arle­sheim und damit auch die Wei­ter­ent­wick­lung der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin wur­den durch Hun­der­te von Men­schen ermög­licht, zu Beginn der Kli­nik­ge­schich­te noch in über­schau­ba­rer Anzahl mit Auf­ga­ben in Medi­zin, Pfle­ge, The­ra­pie und Haus­wirt­schaft. Mit den Jah­ren ist die Kli­nik gewach­sen, räum­lich, per­so­nell. Auch die Viel­falt der Beru­fe nahm all­mäh­lich zu. Dafür, dass die Kli­nik Arle­sheim auch nach 100 Jah­ren ihr inte­gra­ti­ves Kon­zept der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin für alle Men­schen bereit­hält, haben sich enorm vie­le Men­schen ein­ge­setzt, zum gröss­ten Teil Frau­en. Man­che von ihnen waren nur kurz an der Kli­nik, ande­re haben ihr gesam­tes Berufs­le­ben hier ver­bracht und blie­ben der Kli­nik auch nach ihrer Pen­sio­nie­rung eng ver­bun­den. Stell­ver­tre­tend für all die­se sei­en hier sie­ben Frau­en por­trä­tiert, die jede für sich eine beson­de­re Auf­ga­be an der Kli­nik hat­te.

Anna Wil­de | geb. 11.4.1935
lebt heu­te im Alters­heim

Mit der Anna kann man Pfer­de steh­len“ – das ist wohl das tref­fends­te Bild, das ich über Anna Wil­de schil­dern kann. Wenn irgend­wo etwas gebraucht wur­de, wenn es irgend­wo brann­te, dann war sie da – ohne Wenn und Aber.
Bei den Gebur­ten war sie voll da, kräf­tig, kon­zen­triert. Sie hat immer das gemacht, was es gebraucht hat. Sie hat sich völ­lig in die gebä­ren­den Müt­ter hin­ein­ge­fühlt, das war mehr als Beglei­ten. Dabei gab sie ihnen wäh­rend der Geburt kla­re Anwei­sun­gen, aber immer auf ein­fühl­sa­me Wei­se. Mit ihr konn­ten wir viel lachen, sie hat sehr viel Humor gezeigt. Anna Wil­de war ehr­lich zu uns und den Frau­en. Wenn wir sie geru­fen haben zu einer Geburt, dann ist sie umge­hend da gewe­sen. Für mich war sie die gebo­re­ne Heb­am­me. Beson­ders ein­drück­lich war, dass sie jede Geburt bis zum Schluss beglei­tet hat. Dr. Ger­ret­sen war für sie sehr wich­tig, die Zusam­men­ar­beit klapp­te qua­si ohne Wor­te. Das war wie eine Sym­bio­se. Sie haben bei­de eine gemein­sa­me Auf­ga­be gehabt. Anna Wil­de hat das Gesel­li­ge auf der Abtei­lung gepflegt – wenn jemand Geburts­tag hat­te, war sie sehr schnell dar­an, ein klei­nes Fest zu orga­ni­sie­ren. Das hat immer wie­der zu guter Stim­mung geführt. Genau­so wich­tig waren ihr die Jah­res­fes­te. Sie hat dafür gesorgt, dass wir Jun­gen an die Vor­trä­ge zu Weih­nach­ten gehen oder im Mit­ar­bei­ter­chor auf der Sta­ti­on sin­gen konn­ten. Wäh­rend­des­sen hat sie unse­re Arbeit auf der Sta­ti­on mit­ge­macht.
Für Anna Wil­de war es bei Gebur­ten immer sehr wich­tig, der Fami­lie Raum zu geben. Sie hat dafür gesorgt, dass die Väter bei der Geburt ein­be­zo­gen waren, dass sie beschäf­tigt waren. Der Vater konn­te vor, bei und nach der Geburt rund um die Uhr da sein, auch wäh­rend der Zeit des Wochen­betts. Anna Wil­de war rund­um Heb­am­me, auch bei ihrer Fami­lie und bei Freun­den – sobald sich irgend­wo Nach­wuchs ankün­dig­te, ging sie hin und half den Kin­dern auf die Welt.
Sie war unglaub­lich wen­dig und fle­xi­bel, auch im Sozia­len. Sie konn­te sich auf die Men­schen und ihre Bedürf­nis­se eben­so ein­stel­len wie auf die gera­de aktu­ell anfal­len­den not­wen­di­gen Arbei­ten. Auch nach ihrer Pen­sio­nie­rung hat sie noch wei­ter­ge­ar­bei­tet.

por­trä­tiert von Doris Butt­s­chardt, pen­sio­niert,
als Kin­der­kran­ken­schwes­ter zwi­schen 1981 und 1993
auf der Geburts­sta­ti­on

Dr. med. Gabrie­le Ger­ret­sen |
geb. 12.2.1937 Pin­ne Schloss, Pro­vinz Posen
gest. 14.11.2019 Ame­ling­hau­sen

Gabrie­le Ger­ret­sen war die lei­ten­de Per­son der Abtei­lung. Anna Wil­de hat sie als lei­ten­de Heb­am­me in allem unter­stützt. Gabrie­le Ger­ret­sen zeig­te sich für mich unglaub­lich mensch­lich. Nichts war ihr zu viel. Jede Pati­en­tin, die Zuwen­dung brauch­te, bekam die­se. Ihr Taten­drang, ihr Wil­le waren enorm. Sie hat immer wie­der Hei­ler­mut bewie­sen. Sie und auch Anna Wil­de haben auf Feri­en und auf vie­les ande­re ver­zich­tet, wenn die Situa­ti­on es ver­langt hat. War jemand in einer schwie­ri­gen Situa­ti­on, dann war es für bei­de klar, auf ihre per­sön­li­che Zeit zu ver­zich­ten. Die Anthro­po­so­phie wur­de im All­tag gelebt, die Äus­se­ren Anwen­dun­gen und die Men­schen­kun­de wur­den regel­mäs­sig in der Abtei­lung the­ma­ti­siert und bespro­chen. Als eine Frucht die­ser inten­si­ven Arbeit habe ich erlebt, dass wir in Stress­zei­ten gut mit­ein­an­der funk­tio­niert haben. Vie­le Men­schen sind wegen Frau Ger­ret­sen nach Arle­sheim gekom­men, woll­ten hier arbei­ten und ler­nen.
Was mich beson­ders beein­druckt hat, war die Geis­tes­ge­gen­wart von Frau Ger­ret­sen. Man muss­te sie kaum rufen, sie war immer zur rech­ten Zeit am rech­ten Ort. Ab und zu kam sie rasch ange­ra­delt, wenn es eilig wur­de (obgleich sie ganz in der Nähe wohn­te). Manch­mal nahm sie mich nach einer stren­gen Schicht mit nach Hau­se und lud mich zum Essen ein. Neben all ihrer Arbeit an der Kli­nik koch­te sie für ihre Fami­lie. Sie mach­te auf mich immer einen ehr­wür­di­gen Ein­druck. Zugleich aber war sie sehr mensch­lich und zugäng­lich – das zeig­te sich mir auch dar­in, wie klei­ne Kin­der, die sie nicht kann­ten, auf sie zugin­gen. Frau Ger­ret­sen war sehr zukunfts­ori­en­tiert. Sie hat Sachen an uns her­an­ge­tra­gen, die erst spä­ter all­ge­mein bekannt wur­den, zum Bei­spiel die Anre­gun­gen durch Emmi Pick­ler zur Ent­wick­lung des klei­nen Kin­des oder die For­schun­gen über die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Kin­dern im müt­ter­li­chen Bauch. Frau Ger­ret­sen hat vie­le sol­cher Impul­se an uns Mit­ar­bei­ten­de wei­ter­ge­ge­ben. So hat sie auch das “Roo­m­ing in” von Anfang an selbst­ver­ständ­lich ermög­licht. Das hat­te sich in den 70er Jah­ren noch lan­ge nicht über­all durch­ge­setzt. Das gan­ze Still­wis­sen, das heu­te in der Medi­zin vor­han­den ist, wur­de damals schon an der Kli­nik prak­ti­ziert. Kein Nug­gi, kein Schop­pen – eine „still­freund­li­che Kli­nik“ war die Abtei­lung von Frau Ger­ret­sen schon lan­ge, bevor es das Zer­ti­fi­kat über­haupt gab.

Seit 1976, nach der Geburt ihrer zwei­ten Toch­ter, begann Gabrie­le Ger­ret­sen mit dem Auf­bau einer geburts­hilf­li­chen Abtei­lung in der Ita Weg­man Kli­nik. Mit dem Her­an­wach­sen der eige­nen Kin­der wuchs auch die Abtei­lung, und es konn­ten ins­ge­samt unge­fähr 3000 Kin­der in der Ita Weg­man Kli­nik zur Welt kom­men. (Anmer­kung der Redak­ti­on)

Ich habe bei Frau Ger­ret­sen und bei Anna Wil­de gelernt: Frau­en kön­nen gebä­ren, wir müs­sen nur den Raum frei­ma­chen. Die­ses Grund­ver­trau­en habe ich von hier mit­ge­nom­men.

por­trä­tiert von Edna Back, Heb­am­me in Basel,
1983 bis 1986 in der Kli­nik,
vor allem auf der Geburts­ab­tei­lung

Eri­ca Mul­ler | geb. 24.3.1912 in Zwicka/Sachsen
gest. 3.11.2003 in Arle­sheim

Ger­ne und mit gros­ser Dank­bar­keit erin­ne­re ich mich an die bei­den das Kli­nik­le­ben prä­gen­den und inner­lich wie äus­ser­lich tra­gen­den Frau­en, Eri­ca Mul­ler und Els Droog­lee­ver-For­tu­yn – Hei­leu­ryth­mis­tin­nen vom alten Schlag.
Eri­ca Mul­ler liess sich bei Eli­sa­beth Bau­mann Anfang der vier­zi­ger Jah­re in Asco­na in der Euryth­mie und Hei­le­ryth­mie aus­bil­den. Das heisst, sie leb­te damals jah­re­lang mit ihren noch klei­nen Kin­dern, mehr oder weni­ger
allein­er­zie­hend, in unmit­tel­ba­rer Nähe und in der Gemein­schaft der Men­schen um Ita Weg­man, die dort in der Casa Andrea Cris­to­fo­ro ihre letz­ten Lebens­jah­re ver­brach­te. Eri­ca Mul­ler wur­de dann an die Kli­nik Arle­sheim geschickt, um mit Frau Dr. Kirch­ner-Bocholt und Frau Wei­de­leh­ner den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten die Hei­leu­ryth­mie zu ver­mit­teln. Ich sel­ber erleb­te sie in den Anfän­gen mei­ner kli­ni­schen Tätig­keit ab 1987. Ihre manch­mal her­be, stren­ge und, wenn es um anthro­po­so­phi­sche Din­ge ging, auch erns­te Art präg­te den Unter­richt und Aus­tausch zwi­schen den Kol­le­gin­nen und Frau Dr. Gud­ru­ne Wolff-Hoff­mann. Sie unter­rich­te­te zudem im „Schwes­tern­kurs“ Welt­ge­schich­te und Mensch­heits­ge­schich­te und hielt auch an den wöchent­lich statt­fin­den­den anthro­po­so­phi­schen Don­ners­tag­aben­den dich­te, weit- und tief­grei­fen­de Vor­trä­ge, die ich als jun­ger Mensch span­nend und sehr anre­gend für mein eige­nes Stu­di­um fand. Sie war aus inners­ter See­le mit der Anthro­po­so­phie und dem Heil­im­puls Ita Weg­mans ver­bun­den. Dies pfleg­te sie auch sehr mit den dama­li­gen Ärz­tin­nen und Ärz­ten. Ihre Wor­te waren mit ihrer tie­fen, kräf­ti­gen Stim­me bestimmt gesetzt, in ihren Aus­füh­run­gen durch­ge­formt, genau und kon­kret. Sie hat über Jah­re hin­durch die Weih­nachts­spie­le pro­du­ziert, bis in die neun­zi­ger Jah­re, in denen die Leu­te nicht mehr regel­mäs­sig zu Pro­ben kamen! In den sieb­zi­ger Jah­ren gab es eine Schau­spiel­grup­pe, und sie hat die Spie­le diri­giert.

Die­se Art mach­te sich auch in ihrer hage­ren, auf­rech­ten Gestalt, dem gra­den wachen, doch lie­be­vol­len Blick, den kla­ren Gebär­den, der Kraft im Bewe­gungs­aus­druck deut­lich. Wir baten sie vor Euryth­mie­auf­füh­run­gen, uns zu kor­ri­gie­ren, und das tat sie ger­ne, lie­be­voll sach­lich, aber streng.

Els Droog­lee­ver-For­tu­yn | geb. 21.1.1910 in Den Haag
gest. 9.1.2004 in Arle­sheim

Als sie an die Kli­nik in Arle­sheim beru­fen wur­de, konn­te sie mit ihrem gesun­den Selbst­be­wusst­sein For­de­run­gen an ihre Arbeits­be­din­gun­gen für die Kli­nik stel­len, die damals Anfang der sieb­zi­ger Jah­re eher unge­wöhn­lich waren. Bei intel­lek­tu­el­len Aus­füh­run­gen war sie zurück­hal­tend. Mit Men­schen war sie „soci­al per­fect“. Immer schick ange­zo­gen, trug sie Schmuck und war leicht geschminkt. Dabei war sie hoff­nungs­los unprak­tisch, wenn es dar­um ging, eine Glüh­bir­ne oder Bat­te­ri­en in ihrem Radio zu wech­seln! Sie beherrsch­te vier bis fünf Spra­chen und hat täg­lich die Nach­rich­ten von ver­schie­de­nen Län­dern gehört und sich mit Tages- und Wochen­zei­tun­gen immer auf den neu­es­ten Stand gebracht. Nur so kann man eine Ahnung haben, was los ist in der Welt – so ihre Devi­se. Die Wit­ze und Glossa­re liess sie bei die­sem Zei­tungs­stu­di­um nicht aus und gab sie brüh­warm am täg­li­chen Mit­tags­tisch in der Kli­nik zum Bes­ten. Das war oft eine sehr hei­te­re Gesell­schaft!
Bei die­sen bei­den Kol­le­gin­nen in den Hei­leu­ryth­mie-Behand­lun­gen und bei Begeg­nun­gen mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten dabei sein zu kön­nen, war immer selbst­ver­ständ­lich und unkom­pli­ziert — und doch eine hohe Schu­le!

por­trä­tiert von Rau­te Hil­gard,
Hei­leu­ryth­mis­tin Kli­nik Arle­sheim,
unter­stützt durch Janet Bar­ker, ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­te­rin
in der Heil­mit­tel­her­stel­lung der Kli­nik

Vre­ni Läng | geb. 2.6. 1949
lebt in Arle­sheim

Als ich 2009 an die Lukas Kli­nik kam, war Vre­ni Läng dort Haus­mut­ter. Eigent­lich ist sie gar kein müt­ter­li­cher Typ, son­dern hat eher eine bur­schi­ko­se Sta­tur. Auch ihrem Namen macht sie in dem Sinn kei­ne Ehre, dass sie eigent­lich eher kurz als “läng” ist. Und trotz­dem war die­se, inzwi­schen ganz aus der Mode gekom­me­ne Bezeich­nung „Haus­mut­ter“ für sie voll­kom­men zutref­fend. Ihr Büro lag direkt neben dem Spei­se­saal, hier war sie, wenn sie Admi­nis­tra­ti­ves zu erle­di­gen hat­te. Der Spei­se­saal war das Herz der Kli­nik. Dort wur­den die Mahl­zei­ten ein­ge­nom­men – mit Stil: gestärk­te Tisch­tü­cher, polier­tes Besteck, Auf­tra­gen der Spei­sen, Tisch­ge­bet, Ruhe – kurz gesagt: ein Codex, der dem kran­ken Men­schen eine Quel­le der Gesun­dung sein soll­te. Dass dies genau­so geschah, dar­über wach­te Vre­ni Läng, der ein mehr­köp­fi­ges Team unter­stellt war: näm­lich “ihre Frau­en”. Sie und “ihre Frau­en” waren auch zustän­dig für die Sau­ber­keit in der gesam­ten Kli­nik, sie waren ver­ant­wort­lich für die Wäsche und den Blu­men­schmuck. Vre­ni Läng küm­mer­te sich zudem um die Orga­ni­sa­ti­on der Kli­nik­fes­te, die Vor­be­rei­tung für den monat­lich statt­fin­den­den Got­tes­dienst und die Ein­la­dun­gen der ver­schie­dens­ten Künst­ler, die jeden Sonn­tag für die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten ein Kon­zert gaben oder auch Euryth­mie auf­führ­ten. Im Anschluss an die­se Ver­an­stal­tun­gen gab es im Spei­se­saal oft noch ein gemüt­li­ches Bei­sam­men­sein, wo sich Gäs­te und Künst­ler will­kom­men geheis­sen fühl­ten. Vre­ni Läng lieb­te die­se Gesel­lig­keit. Als Haus­mut­ter schaff­te sie eine ent­spann­te, hei­te­re Stim­mung, die jeder und jede genoss.
Ihr Arbeits­pen­sum war gross und schon früh am Mor­gen war sie in den Kli­ni­kräum­lich­kei­ten zu fin­den, um zu orga­ni­sie­ren, anzu­lei­ten, zu über­prü­fen. Nicht sel­ten konn­te man sie don­nern hören, wil­des lau­tes Schimp­fen, dass die Wän­de erzit­ter­ten, betrof­fe­ne Gesich­ter bei “ihren Frau­en”. Oh je, was für Kata­stro­phen mit wel­chen Kon­se­quen­zen waren da gesche­hen? Doch kur­ze Zeit spä­ter war das Unwet­ter bereits vor­bei, und die Mie­nen waren wie­der hei­ter. “Sehr streng sei sie gewe­sen”, sag­te mir eine ihrer Frau­en, “aber sooo lieb, so ein gros­ses Herz. Die bes­te Haus­mut­ter, die ich hat­te!” Vre­ni Läng stand voll­kom­men hin­ter ihrem Team und wenn nötig ver­tei­dig­te sie es mit Herz­blut.
Ich habe Vre­ni Läng auch so erlebt. Mit ihrer star­ken per­sön­li­chen Prä­senz hat sie die Stim­mung in der Kli­nik mit­ge­prägt. Begeg­nun­gen waren ihr sehr wich­tig. Befand sie sich mit­ten im Arbeits­pro­zess, konn­te sie kurz ange­bun­den sein, doch hat­te sie einen Augen­blick Zeit, schenk­te sie ihre unge­teil­te Auf­merk­sam­keit, ihren Rat und auch ihre Ver­schwie­gen­heit. Für mich ist sie die ‚100 Pro­zent Frau‘. Was sie macht, macht sie zu 100 Pro­zent. Das war damals in der Kli­nik so und ziem­lich sicher auch schon davor. Inzwi­schen hat sie nicht mehr “ihre Frau­en”, wie sie ihr Team immer lie­be­voll nann­te, son­dern “ihre Bie­nen”. So bie­nen­fleis­sig wie sie eben ist, hat sie auch die Imke­rei, die sie nach der Kli­nik­auf­ga­be begann, zu 100 Pro­zent umge­setzt, und die Bie­nen ver­süs­sen jetzt ihr Leben mit wei­ter­hin viel Arbeit und mit viel Honig.

por­trä­tiert von Annet­te Strumm,
Hei­leu­ryth­mis­tin an der Kli­nik Arle­sheim

Sil­via Stöck­ler-Son­der­eg­ger | geb. 14.9.1957
gest. 28.8.2020, Hoch­wald

Tole­ranz, Licht, Wahr­haf­tig­keit und Leich­tig­keit sind Merk­ma­le, wel­che man bei Sil­via Stöck­ler erlebt hat. Ihre Hei­mat wur­de die Anthro­po­so­phie und ins­be­son­de­re die Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge. Sil­via Stöck­ler konn­te sich nicht vor­stel­len, mit einem ande­ren Hin­ter­grund zu arbei­ten. Ihre Loya­li­tät der Kli­nik und der Pfle­ge gegen­über war uner­schüt­ter­lich. Das bekam ich immer wie­der zu spü­ren, wenn ich mei­ne Zwei­fel hat­te. Sil­via Stöck­ler hat­te immer einen sehr guten Kon­takt zu jun­gen Men­schen. Als Neu­ling in der Anthro­po­so­phi­schen Pfle­ge – wobei Neu­ling nichts mit dem Alter zu tun hat – hat­te man mit Sil­via Stöck­ler eine stets hören­de, humor­vol­le und unter­stüt­zen­de Kol­le­gin. Wir woll­ten die gan­ze Kli­nik umkrem­peln und wur­den natür­lich in unse­re Schran­ken gewie­sen, was nicht immer leicht zu ertra­gen war. Die «alte» und «neue» Welt tra­fen hart auf­ein­an­der, wodurch sich auch eini­ge komi­sche, humor­vol­le Situa­tio­nen erga­ben. Das Lachen kam sel­ten zu kurz. Für Sil­via Stöck­ler war es sehr wich­tig, die Pfle­ge mit der Anthro­po­so­phie zu durch­drin­gen und zu ver­ste­hen. Rhyth­mi­sche Ein­rei­bun­gen hat sie unzäh­li­gen Inter­es­sier­ten (Pfle­gen­den, Ärz­tin­nen und Ärz­ten, Lai­en) zugäng­lich gemacht. «Mach die Schul­ter­blät­ter weit», war eine geflü­gel­te Auf­for­de­rung. Mit viel Lie­be, prak­ti­schem Inhalt und Bewusst­sein hat sie ihre zahl­rei­chen Kur­se gestal­tet und beglei­tet. Der ehe­ma­li­ge inter­ne Kli­nik-Schwes­tern­kurs, in dem sie Dozen­tin war, hat mitt­ler­wei­le, auch dank ihres Enga­ge­ments, eine zeit­ge­mäs­se Form ange­nom­men und ist nun für alle Inter­es­sier­te im In- und Aus­land zugäng­lich.
Das Anlie­gen der Pfle­ge hat Sil­via Stöck­ler nicht nur in der Kli­nik stark ver­tre­ten, son­dern auch in natio­na­len und inter­na­tio­na­len Zusam­men­hän­gen. Beim Auf­bau des natio­na­len Pfle­ge­ver­ban­des hat­ten mei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen in ihr eine durch­hal­te­kräf­ti­ge Mit­strei­te­rin. In unzäh­li­gen Auto­fahr­ten zu Sit­zun­gen wur­den The­men vor- und nach­be­rei­tet oder neu erfun­den.

Es war ihr immer wich­tig, nach­hal­tig zu wir­ken. Die Ver­bin­dung zu ande­ren Insti­tu­tio­nen, ande­ren Lebens­wei­sen und Ansich­ten pfleg­te sie – das hat auch mein Leben sehr berei­chert.
Immer mehr ver­la­ger­te sich ihr Inter­es­se von der Pfle­ge zu den ganz jun­gen Men­schen hin. Dass heu­te in der Kli­nik Aus­bil­dun­gen in den ver­schie­de­nen Berei­chen mög­lich sind und mit Über­zeu­gung ange­bo­ten wer­den, ist das Ver­dienst von Sil­via Stöck­ler. Mit sehr gros­sem Respekt der Auf­ga­be und vor allem den Men­schen und Insti­tu­tio­nen gegen­über sowie ihrem schein­bar sich nie erschöp­fen­den Enga­ge­ment instal­lier­te sie diver­se Aus­bil­dungs­lehr­gän­ge. Sie konn­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen für die neue Auf­ga­be begeis­tern und ihnen Mut machen und war ihnen zugleich eine zuver­läs­si­ge Ansprech­part­ne­rin. Als Aus­bil­dungs­ort ist die Kli­nik Arle­sheim mitt­ler­wei­le eine belieb­te und zuver­läs­si­ge Insti­tu­ti­on.

por­trä­tiert von Ursu­la Ambühl,
Lei­te­rin Sekre­ta­ria­te Kli­nik Arle­sheim

Hil­de­gard Groht | geb. 14.11.1923, Deutsch­land
gest. 20.7.1995, in Arle­sheim

Als jun­ge aus­ge­bil­de­te Pfle­ge­kraft kam Hil­de­gard Groht nach dem zwei­ten Welt­krieg von Ham­burg nach Arle­sheim. Ein beson­de­res Erleb­nis – so erzähl­te sie mehr­fach – war für sie zunächst, dass sie sich end­lich wie­der satt essen konn­te.
Sie war zusam­men mit ande­ren Mit­ar­bei­te­rin­nen prä­gend und füh­rend in der Pfle­ge in der Zeit nach dem Krieg bis zu ihrer Pen­sio­nie­rung 1987. Von Gestalt war sie sehr gross, doch dies wirk­te nicht „über­mäch­tig“, viel­mehr kam sie ihren Mit­men­schen immer freund­lich ent­ge­gen. Ich den­ke noch heu­te an sie, wenn ich in ein Pati­en­ten­zim­mer gehe, zum Bei­spiel mit einer Sprit­ze. Sie sag­te immer: „Geht doch nicht zum Pati­en­ten ohne ein Tablett!“ Das hat sich mir sehr ein­ge­prägt.
Hil­de­gard Groht hat alle Hin­wei­se, ja auch Vor­ga­ben, Anord­nun­gen, immer sehr empa­thisch mit­tei­len kön­nen, inso­fern habe ich sie nie als auto­ri­tär erlebt im Sin­ne von „mit dem Zei­ge­fin­ger regie­ren“. Sie besass eine natür­li­che Auto­ri­tät und ver­kör­per­te die Pfle­ge und die Anthro­po­so­phie der­art, dass sie mir als „Ers­te unter Gleich­ge­stell­ten“ vor­kam.
Was mich sehr beein­druckt hat, als ich an die Kli­nik kam und sie ken­nen­lern­te: Sie war Pfle­ge­dienst­lei­te­rin an der Kli­nik und hat doch fast täg­lich auch auf der Sta­ti­on mit­ge­ar­bei­tet. Mit gros­ser Kom­pe­tenz in der Anthro­po­so­phi­schen Pfle­ge und enor­mer inne­rer Kraft wirk­te sie, ohne dass ihre Lei­tungs­funk­ti­on auf­fiel. Eine nächs­te Genera­ti­on an Pfle­gen­den hat­te ande­re Vor­stel­lun­gen als sie im Hin­blick auf den Ablauf des Sta­ti­ons­be­triebs. Es kam die Zeit not­wen­di­ger Ver­än­de­run­gen. Auch hier bewies sie gros­se Stär­ke, indem sie sich in beein­dru­cken­der Wei­se den Kon­flik­ten stell­te, gut zuhör­te und uns Jün­ge­ren ohne Wei­te­res das Zep­ter über­gab. Das fand ich nicht selbst­ver­ständ­lich und nahm mich erneut für die­se star­ke Per­sön­lich­keit ein.

por­trä­tiert von Ger­trud Otto, dipl. Pfle­ge­fach­frau,
seit 1986 an der Kli­nik, mitt­ler­wei­le pen­sio­niert

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