
Unstetige Wirbel
In diesem Experiment entleert sich ein Trichterwirbel aus Wasser aus einem zylindrischen Glas, während das Glas geschüttelt wird. Der Trichter behält seine Tunnelform, aber sein Gesamtbild erinnert an ein Kuduhorn. Die äussere Oberfläche ist nicht aufgewühlt, wie man vermutet hätte, sondern behält ihre „Flachheit“, während sie sich ungefähr in der Mitte auf eine rollende drehende Art neigt. Versetzt man sich erlebend in dieses Phänomen hinein, so wird es als eine zusammenhängende Ganzheit erfahrbar.
Die Wirbelstrasse
Die Wirbelstrasse ermöglicht es uns, noch einen anderen Aspekt der Fliessdynamik zu sehen. Ein grosses rechteckiges flaches schwarzes Gefäss ist
mit einer Mischung aus Wasser und Glycerin gefüllt. Auf die Oberfläche ist Lycopodium-Pulver in Zufallsverteilung verstreut.
Wenn wir einen dünnen Malpinsel in einer geraden Linie durch das Wasser ziehen, passieren ein paar sehr interessante Dinge.
Die Bewegung eröffnet dem Wasser die Möglichkeit, mit Gestaltgesten zu antworten, die nicht nur durch die Bewegung des Pinsels hervorgerufen wurden, sondern die als Ausdruck grundlegender Gestaltprinzipien entstehen. Die rhythmischen Wirbelformen stellen eine Systemantwort dar. Selbst die Puderpartikel an den Rändern sind in diesen Gesamtgestus einbezogen, nicht als Teil der Form, sondern wie um anzuzeigen, dass sie ein Teil des Systems, ein Teil des Ganzen sind.
Was können wir tun?
Öffnen wir unsere Sinne dieser Dimension, lassen wir uns darauf ein, wirklich zu beobachten, wie Wasser sich bewegt, wie es sich verhält und dabei die subtilen, verborgenen Seiten seiner Natur offenbart, so können wir eine Verbindung zu unserem eigenen moralischen und sozialen Verhalten spüren. Das kann
uns dazu führen, neue Wege einzuschlagen im Um-
gang mit dem Wasser. Es kann uns zum Beispiel Ansporn sein, Wasserpolitik und Wassermanagement grundlegend zu ändern.
Gesundende Wirkung auf das Leben der Menschen und der Natur kann von unserem Wissen um die Bedingungen ausgehen, die das Wasser braucht, da‑
mit es dem Leben wirklich dienen kann.
Sein Wesen kann uns Modell für eine Sozialethik sein, deren Flexibilität, Offenheit und Lebendigkeit die Vielfalt menschlichen und natürlichen Lebens zulässt und schützt. Seine grenzenlose Toleranz erfordert von uns die Entwicklung eines neuen Bewusstseins im Hinblick auf das Wasser.
Wenn es uns gelingt, unsere eigenen Grundsätze und Verhaltensweisen in Bezug auf das Wasser zu orientieren an dessen innerer Natur, dann wird das Wasser uns auch fernerhin dienen und uns und unserer Umwelt eine auf tragfähigem Grund stehende Zukunft ermöglichen. Das gehört zur Geschichte, die uns das Wasser erzählen will.
Literatur:
T. Schwenk, „Das sensible Chaos“, 10. Aufl.,
Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2003
„Wasser verstehen lernen“, A. Wilkens, M. Jacobi,
W. Schwenk, Ausstellungskatalog, Herrischried 1995
„Wasser verstehen – Zeichen setzen“,
Jubiläumsband zur Feier des 40-jährigen Bestehens
des Instituts für Strömungswissenschaften,
Herrischried 2001