Wohlbefinden im letzten Lebensabschnitt

Vie­le leben mit zuneh­men­dem Alter mit der Angst, ein abhän­gi­ger Pfle­ge­fall zu wer­den, und sind im Unge­wis­sen, wer sie der­einst pfle­gen und betreu­en soll. Dar­über hin­aus gilt es vie­les los­zu­las­sen, was einem lieb und teu­er war. Es fällt nicht leicht, Abschied zu neh­men  von Men­schen, aber auch von Gewohn­hei­ten, die aus gesund­heit­li­chen Grün­den nicht mehr mög­lich sind. Der bald 90-jäh­ri­ge Max Wid­mer hat sich dazu sei­ne Gedan­ken gemacht.

Es ist erstaun­lich und kann selbst erfah­re­nen Mana­gern pas­sie­ren: Sie hat­ten ihre Fir­men „total im Griff“, dis­po­nier­ten weit­sich­tig, erschlos­sen neue Märk­te und plan­ten sinn­vol­le Geschäfts­ab­läu­fe. Dar­über ver­gas­sen sie aber, ihr eige­nes Leben zu hin­ter­fra­gen respek­ti­ve zu beden­ken, dass das „Heu­te“ nicht so ohne wei­te­res in die Zukunft über­nom­men wer­den kann. Plötz­lich weiss man nicht, wie das Leben mit zuneh­men­dem Alter wei­ter­ge­hen soll. Vor einer Wand ste­hend, resul­tie­ren dann oft unge­schick­te Kurz­schluss­hand­lun­gen.

Grenzerfahrungen

Jeder muss sich im Alter ein­ge­ste­hen, dass die Mobi­li­tät mit vie­len Ein­bus­sen ein­her­geht.
Wenn der Schnee die Stras­sen bedeckt, wenn die Haus­trep­pe zuge­schneit ist und der Schnee unver­meid­lich auch auf der Ter­ras­se liegt, dann ist es mit gros­ser Mühe ver­bun­den, sich draus­sen fort­zu­be­we­gen. Im Dezem­ber ersehnt man schon den Früh­ling – das ist erlaubt. Kon­ti­nu­ier­li­chen Schnee­fall kann man jedoch damit nicht ver­hin­dern. Wenn man dann mit dem Schnee­räu­men nicht mehr nach­kommt, braucht es eine Lösung. Nur auf die Schnee­schmel­ze war­ten, reicht dann nicht.
Im Früh­ling und im Som­mer wie­der­um ist der Gar­ten nicht mehr, wie er sein soll­te. Jahr­zehn­te­lang hat man ihn gehegt und gepflegt. Er war eine Augen­wei­de. Nun macht es der Gärt­ner – natür­lich pro­fes­sio­nell; doch die Rän­der des Rasens sind nicht mehr geschnit­ten wie frü­her – halt nicht mehr selbst gemacht. Die Nach­ba­rin sieht es mit Arg­wohn. Eines Tages dann bewil­ligt mir der Arzt das Füh­ren eines Motor­fahr­zeugs nicht mehr. Das darf doch nicht wahr sein! Der Nach­bar ist noch älter, und fährt immer noch Auto. Soll ich die Lebens­mit­tel womög­lich nun allei­ne schlep­pen? Ja, man hat eine lie­be Freun­din, die sich sehr erkennt­lich zeigt. Aber kann sie dies noch lan­ge für mich tun? Plötz­lich ein Unwohl­sein. Was steckt dahin­ter? Wer hilft schnell? Zwei Mona­te spä­ter – der Wie­der­ho­lungs­fall, aus­ge­rech­net zu dem Zeit­punkt ist der Part­ner aus­ser Haus.
Kör­per­li­che Beschwer­den stel­len sich ein und las­sen den All­tag immer müh­sa­mer wer­den. Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen wie die Spitex sind nicht die Lösung für die Ewig­keit.
Einer der letz­ten Freun­de ist gestor­ben. Lang­sam ver­sinkt man in der Ein­sam­keit. Die „Mit­tel­al­ter­li­chen“ haben ihr Bezie­hungs­netz und sind nicht auf uns „Graue Mäu­se“ ange­wie­sen.

Loslassen können

Bevor die Sor­gen einen erdrü­cken, gilt es, ernst­haft zu über­le­gen: Wie wei­ter? Über­stürz­tes Han­deln kann sich dabei nicht bewäh­ren, son­dern gründ­li­ches kla­res Über­le­gen: Was ist für mich die bes­te Lösung? Was ist zu tun, um mich von der bestehen­den Last zu befrei­en? Man weiss, dass die­se Last da ist, doch man will es sich nicht ein­ge­ste­hen.
Es ist kei­ne Schan­de, von den bis­he­ri­gen fünf Zim­mern auf zwei umzu­stel­len. Und doch muss ich mich fra­gen, ob ich mich von ein­zel­nen Möbel­stü­cken tren­nen kann und wenn ja, von wel­chen. Kochen ande­re so gut wie ich, nach mei­nem Geschmack? Wohin mit all mei­nen Büchern? Kann ich dar­auf ver­zich­ten? Ich habe doch zu jedem eine Bezie­hung, mit jedem ist eine Geschich­te ver­bun­den. Wenn ich all die­se Fra­gen beant­wor­tet habe, beob­ach­te ich die Wir­kung die­ser Ant­wor­ten und spre­che mich mit mei­nen Nächs­ten ab, damit die künf­ti­gen Ver­än­de­run­gen in Har­mo­nie ver­lau­fen kön­nen.
Die inne­re Über­zeu­gung erar­bei­ten, ein­se­hen und sich über­zeu­gen, dass der jet­zi­ge Zustand nicht andau­ern kann, das ist nun ange­sagt. Dann den mög­li­chen künf­ti­gen Lebens­ort immer wie­der besu­chen, mit den Bewoh­nern dort spre­chen – es sind nicht Insas­sen, nicht Lei­dens­ge­nos­sen, son­dern zukünf­ti­ge Freun­de. Wich­tig zu beach­ten ist auch, dass die Wohn­mög­lich­kei­ten für „ält­li­che“ Leu­te oft lang­fris­tig aus­ge­bucht sind. Je inten­si­ver die Kon­tak­te erfol­gen und die Gesprä­che mit dem lei­ten­den Gre­mi­um des zukünf­ti­gen Hau­ses sind, des­to leich­ter fällt der naht­lo­se Über­gang.

Auf zu neuen Ufern!

Oft lau­tet die Fra­ge: Ist es ange­sichts mög­li­cher lang­fris­ti­ger Nach­tei­le nicht zu schwer, sich ohne Gewis­sens­bis­se vom Bis­he­ri­gen zu tren­nen? Mei­ne Ant­wort dar­auf: Es ist nicht ein Tren­nen, es ist ein befrei­en­der Über­gang in ein neu ent­deck­tes Wohl­be­fin­den.
Dann folgt die Fra­ge: Was geschieht mit all dem Haus­rat? Bei Ver­wand­ten und Bekann­ten ist Ver­schie­de­nes gut auf­ge­ho­ben. Wel­che Freu­de, wenn im Auk­ti­ons­haus die Bil­der vom beson­ders geach­te­ten Maler zu einem stol­zen Preis den Besit­zer wech­seln! Wohl­tä­ti­ge Insti­tu­tio­nen ver­mit­teln Diver­ses aus dem Haus­halt an ande­re wei­ter.
Wenn schliess­lich das gros­se Ereig­nis voll­bracht ist und man den Umzug in ein neu­es, dem Alter und den eige­nen Bedürf­nis­sen ange­pass­tes Heim geschafft hat, dann pflegt man Bekannt­schaf­ten, ja Freund­schaf­ten. Gegen­sei­ti­ge Kaf­fee-Ein­la­dun­gen wer­den zur Norm. Man merkt sich eini­ge Geburts­ta­ge von Mit­be­woh­nern. Ein Geburts­tags­fest­chen ist schnell orga­ni­siert. Erfah­rungs­ge­mäss fin­den sich Frau­en schnel­ler, bei Män­nern braucht es etwas Schwung und mehr Initia­ti­ve. Aber unmög­lich ist es nicht.
Mein Fazit: Im Alter läuft man leicht Gefahr, durch ver­schie­de­ne Unzu­läng­lich­kei­ten an den Rand des Lebens­krei­ses gedrängt zu wer­den. Durch ein orga­ni­sier­tes Leben im letz­ten Lebens­ab­schnitt aber ver­läuft der Weg mit gros­ser Befrie­di­gung zurück zur Mit­te.

Autoren2

Per­son Max Wid­mer
Kon­takt Resi­denz Spir­gar­ten
Spir­gar­ten­stras­se 2
8048 Zürich

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