
Akute Erkrankungen der Atemwege erfordern je nach Schwere der Erkrankung und allfälligen Begleiterkrankungen eine stationäre Behandlung. Die Anthroposophische Medizin bietet eine ganze Reihe von Therapiemöglichkeiten.
Manchmal haben die akute Bronchitis oder die Lungenentzündung einen so schweren Verlauf, dass die Betroffenen ins Spital eingewiesen werden müssen. Patientinnen und Patienten kommen in unsere Klinik mit der Frage, ob wir die Lungenentzündung auch ohne Antibiotika behandeln können. Diese Frage wird von uns Ärztinnen und Ärzten jeweils genau geprüft, und es wird individuell entschieden, in welcher Situation auf die Gabe von Antibiotika verzichtet werden kann.
Chronische Vorerkrankungen erschweren die Situation
Einige Patientinnen und Patienten haben chronische Erkrankungen der Lunge wie Asthma, COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) oder Lungenfibrose, oder es liegen chronische Herz-Kreislauferkrankungen oder neurologische Erkrankungen vor, die sich durch die akute Erkrankung der Atemwege verschlechtern können und dann stationär mitbehandelt werden müssen.
So haben wir in den vergangenen Wintermonaten beispielsweise mehrere Patientinnen und Patienten mit Lungenentzündung, die auch an Multipler Sklerose (MS) leiden, stationär aufgenommen. Während der Phase hohen Fiebers hat sich bei ihnen die neurologische Erkrankung ebenfalls verschlechtert, was ein bekanntes Phänomen bei MS-Patienten ist. Die Begleiterkrankungen können durch die Anthroposophische Medizin mitbehandelt werden.
Auch bei chronischen Lungenkrankheiten kommt es bei zusätzlich akuter Atemwegserkrankung zu einer Verschlechterung des Asthmas oder der COPD, so dass der Patient in der akuten Phase unter anderem auch eine Sauerstofftherapie benötigt. Bei Patienten mit chronischen Herzerkrankungen führt die akute Atemwegserkrankung zu einer Verschlechterung der Herz-Kreislaufsituation, so dass zusätzlich eine Therapie mit herz-kreislaufunterstützenden Medikamenten notwendig ist.
Die Zeichen schwerer akuter Krankheiten verstehen
Eine Lungenentzündung tritt oft in einer besonderen biografischen Situation auf, zum Beispiel bei Säuglingen, Kleinkindern oder bei sehr alten Menschen. Hier stellt sich durch die akute Erkrankung nicht zuletzt die Inkarnationsfrage: Kann der Mensch seinen physischen Organismus für sein Leben weiterhin gebrauchen oder nicht?
Aber auch im mittleren Lebensalter treten oft Lungenentzündungen auf, bei denen sich die Patientinnen und Patienten die Frage nach dem „Warum“ stellen. Dabei stellt sich zum Beispiel heraus, dass sich jemand in einer Lebenssituation mit der Frage nach neuen Impulsen befindet, wie zum Beispiel nach einer neuen beruflichen Ausrichtung. Oft ergibt sich bei diesen Patienten im Gespräch, dass sie wie festgefahren sind, und sie fragen nun: „Welche neue Richtung zeigt mir die Krankheit auf?“. So berichtet ein 45-jähriger Patient mit einem langjährigen Asthma und einer akuten schweren Lungenentzündung, dass er aufgrund seiner immer hektischeren Arbeit keine Zeit mehr gefunden hat, sich Freiräume zu schaffen. Nun hinterfragt er seine bisherige Arbeit und will nach neuen Lösungen suchen. Auch ein anderer Patient, der mit 40 Jahren an einer beidseitigen schweren Lungenentzündung erkrankt ist, beschreibt, dass er in den letzten
Jahren spürte, wie er innerlich immer härter geworden sei, um den Anforderungen als Geschäftsführer einer Firma zu genügen. Nach der Lungenentzündung entschied er sich für eine Umstrukturierung in seinem Arbeitsleben, was ihm innerlich viel Freiheit zurückgab und ihn im wahrsten Sinne aufatmen liess.
Eine Vielzahl an Heilmitteln
Ein zentrales Heilmittel bei Atemwegserkrankungen, insbesondere auch bei einer Lungenentzündung, ist das Meteoreisen in potenzierter Form. Das Eisen ist physiologisch das Atmungsmetall, welches in den roten Blutkörperchen den Sauerstoff bindet und die Organe mit Sauerstoff versorgt. Es wird auch als Inkarnationsmetall bezeichnet. Vor der Geburt wird der kindliche Organismus im Mutterleib mit Sauerstoff über das Nabelschnurblut versorgt.
Erst mit der Geburt, mit dem ersten Schrei des Kindes, setzt die Lungenatmung ein. Dann wird der kindliche Organismus über den eingeatmeten Sauerstoff versorgt, der ans Eisen gebunden wird.
Ausserdem werden pflanzliche Heilmittel in potenzierter Form eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist Bryonia, die Zaunrübe, die entzündungshemmend wirkt. Besteht zusätzlich eine chronische Lungenerkrankung, wird diese mitbehandelt, zum Beispiel mit potenzierten Kupferpräparaten, Präparaten aus Pflanzenaschen sowie Gerb- und Bitterstoffen. Gerbstoffe wirken unter anderem antibakteriell, entzündungshemmend oder schleimhautschützend.
Vielfältige Therapien unterstützen die Heilung
Bei akuten Erkrankungen der Atemwege wird meist täglich ein Brustwickel mit Ingwer oder Senfmehl verordnet oder mit Quark, wenn die bei der Ingwer- oder Senfanwendung entstehende Hitze nicht vertragen wird. Andere Äussere Anwendungen wie Nierenwickel mit Schachtelhalm oder Ingwer unterstützen die Durchatmung des Organismus sowie die Ausscheidung. Zwerchfellwickel mit Kupfersalbe und Rosmarinöl unterstützen den Heilungsprozess in der Rekonvaleszenz bei noch geschwächten Patientinnen und Patienten. Brustauflagen mit Thymian- oder Lavendelöl ermöglichen eine leichtere Atmung. Auch Inhalationen mit verschiedenen anthroposophischen Medikamenten werden eingesetzt, zum Beispiel solche mit Bitterstoffen.
In den letzten Jahren wurde nachgewiesen, dass in der Bronchialschleimhaut auch Bitterstoffrezeptoren vorhanden sind und dass durch Bitterstoffinhalationen die verengten Bronchien erweitert werden können. Durch die anthroposophischen Therapien kann sehr oft das in der konventionellen Medizin verwendete Cortison deutlich reduziert oder sogar darauf verzichtet werden. Das kann auch anhand von Lungenfunktionstests objektiviert und im Verlauf kontrolliert werden. Messbare Veränderungen in der Lungenfunktion ermöglichen die Entscheidung, ob die Gabe von Cortison bei chronischen Erkrankungen der Bronchien verringert werden kann.
Ruhe als oberster Grundsatz
Bei Patientinnen und Patienten mit Lungenentzündung, welche vorbestehend eine chronische Lungenerkrankung haben (Asthma, COPD), kommt zusätzlich der sogenannte Atem- oder Asthmaabstrich durch geschultes Pflegepersonal zur Anwendung. Zudem kann mit Atemphysiotherapie die Atmung erleichtert und der Schleim besser gelöst werden. Diese Therapie lässt sich auch bei Fieber einsetzen. Während der fieberhaften Erkrankung der Atemwege braucht der Patient vor allem viel Ruhe. Wir achten insbesondere auf Bettruhe und auf Medienabstinenz. Therapien wie Heileurythmie, Musiktherapie, Rhythmische Massage oder therapeutische Sprachgestaltung werden nicht in dieser ruhebedürftigen Phase eingesetzt, sondern erst in der Rekonvaleszenz zur Unterstützung der Ausheilung, insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit vorbestehendem chronischen Asthma und COPD.
Die Selbstheilungskräfte anregen
Mit der anthroposophischen Therapie unterstützen wir die salutogenetischen Kräfte (Selbstheilungskräfte) des Menschen, um die akute infektiöse Erkrankung zu überwinden. Sind diese salutogenetischen Kräfte jedoch zu schwach, zum Beispiel bei Patienten mit schweren Vorerkrankungen von Lunge oder Herz-Kreislauf, dann kommen auch bei uns Antibiotika zur Anwendung. Diese Anwendung wird aber immer begleitet von anthroposophischen Medikamenten, um die Selbstheilungskräfte zu stärken. Gerade in der heutigen Zeit, in der durch die Zunahme der Antibiotikaresistenzen international dazu aufgerufen wird, den massiven Antibiotikagebrauch einzuschränken, kann die Anthroposophische Medizin mit ihren Therapien auch diesbezüglich einen wichtigen Beitrag leisten.
Fachperson |
Dr. med. Eva Gabriele Streit |
Arbeitsschwerpunkte | Fachärztin Innere Medizin und Pneumologie. Mitglied FMH. Fähigkeitsausweis anthroposophisch erweiterte Medizin VAOAS. Heileurythmieausbildung. Lehrbeauftragte an der Universität Zürich. |
Kontakt | eva.streit@klinik-arlesheim.ch |