TAO-Töne — Heilende Klänge auf dem Klangbett

Der Anfang der anthro­po­so­phi­schen Musik­the­ra­pie geht im Kern dar­auf zurück, dass vor fast 90 Jah­ren die Lei­er erschaf­fen und die­se mit den heil­päd­ago­gi­schen Kin­dern des Son­nen­hofs in Arle­sheim gespielt wur­de. Seit­dem wur­de und wird an vie­len Orten, in Kli­ni­ken, Schu­len sowie heil- und sozi­al­päd­ago­gi­schen Ein­rich­tun­gen die anthro­po­so­phi­sche Musik­the­ra­pie wei­ter­ent­wi­ckelt. Aus die­sem Wir­ken ent­stand eine Viel­zahl ver­schie­dens­ter The­ra­pie­in­stru­men­te. Dazu gehört auch das TAO-Klang­bett, das seit einem hal­ben Jahr in der Ita Weg­man Kli­nik zur Anwen­dung kommt. Sibyl­le Bür­gel, Musik­the­ra­peu­tin an der Ita Weg­man Kli­nik, berich­tet über ers­te Erfah­run­gen aus der Arbeit mit dem neu­en Instru­ment.

Ein tie­fer, ver­bor­ge­ner See­len­grund und eine erha­be­ne Zukunft zugleich bedeu­tet Tao.“ (Rudolf Stei­ner)

Das Klang­bett ist ein Reso­nanz­kör­per aus Holz, auf des­sen Unter­sei­te 48 Sai­ten auf­ge­spannt sind. Der Pati­ent liegt wie auf einer Mas­sa­ge­lie­ge, aller­dings voll­stän­dig ange­klei­det und meist mit einer leich­ten Decke zuge­deckt, auf der Ober­sei­te des Klang­bet­tes, wäh­rend­dem der The­ra­peut auf den unten lie­gen­den Sai­ten spielt. Für Pati­en­ten, für die das Lie­gen direkt auf dem Holz zu hart ist, gibt es ver­schie­de­ne Kis­sen und Mat­ten zum Unter­le­gen. Die Klang­bett-The­ra­pie ist eine rezep­ti­ve The­ra­pie­form. Das heisst, der Pati­ent spielt nicht selbst, ist jedoch inner­lich aktiv im Auf­neh­men der Töne, die der The­ra­peut für ihn zum Erklin­gen bringt. Das Auf­neh­men der Töne geschieht auf dem Klang­bett in einer beson­de­ren Wei­se: über das Hören mit den Ohren, aber auch über das Hören mit dem gan­zen Kör­per. Das wird von vie­len als ganz neu­es Erle­ben von Tönen, aber auch von sich sel­ber beschrie­ben.

Bei­de For­men des Hörens erle­ben wir all­täg­lich. Das Hören über den Kör­per, der mit allem mit­schwingt, kommt uns meist erst bei Tönen zu Bewusst­sein, die uns unan­ge­nehm wer­den – beim brum­men­den Bass eines vor­bei­fah­ren­den Autos mit auf­ge­dreh­ter Ste­reo­an­la­ge zum Bei­spiel. Um sich mit den fei­ne­ren Tönen und Klän­gen zu ver­bin­den, sie auf­neh­men zu kön­nen, dafür brau­chen wir die Vor­aus­set­zung eines Rau­mes, der uns schützt. Wir brau­chen einen Zeit­raum, der es uns ermög­licht, zur Ruhe zu kom­men, damit mit der Zeit auch Stil­le in uns ent­ste­hen kann. Wenn dies mög­lich wird, dann kön­nen wir in den Tönen uns sel­ber in einem sehr weit gefass­ten Sinn erle­ben und in Har­mo­nie kom­men.
Das Ziel einer Klang­bett-The­ra­pie ist folg­lich, dass der Mensch, der in einer Krank­heits­si­tua­ti­on lebt, zu einem Moment der Har­mo­nie kommt, in dem sich die inne­ren Rhyth­men der Orga­ne in ihrem Zusam­men­hang wie­der bes­ser gestal­ten und sie wie­der bes­ser mit­ein­an­der in ihrem „Orches­ter“ spie­len. Die Musik ergreift aber immer das Gan­ze, so auch das See­li­sche und Geis­ti­ge. Auch bei sehr tie­fen Ent­span­nungs­zu­stän­den wäh­rend einer The­ra­pie blei­ben die Pati­en­ten fast alle wach. Was inner­lich erlebt wird, ist oft schwer in Wor­te zu fas­sen, es bleibt aber eine Art von Erin­ne­rung an den erleb­ten Zustand.

Prinzip und Wirkung des TAO-Klangbettes

Das Klang­bett wird schon seit Jahr­hun­der­ten the­ra­peu­tisch genutzt. Heu­te ist vor allem die Mono­ch­ord­lie­ge bekannt, bei der ein ein­zel­ner Ton über vie­le Sai­ten zum Klin­gen gebracht wird, wodurch sich die Ober­tö­ne ver­stär­ken. Ein Ober­ton ist ein Viel­fa­ches der Schwin­gung des Grund­to­nes. Immer, wenn ein Ton erklingt, schwin­gen die­se fei­nen, höhe­ren Töne mit. Sie ste­hen in einem ganz­zah­li­gen Ver­hält­nis zum Grund­ton. Die­se fas­zi­nie­ren­de har­mo­ni­ka­le Gesetz­mäs­sig­keit der Natur fin­det sich wie­der im Auf­bau des mensch­li­chen Kör­pers. Das neu ent­wi­ckel­te TAO-Klang­bett ist nicht nur auf einen ein­zel­nen Grund­ton gestimmt, son­dern in den vier soge­nann­ten „TAO-Tönen“ h – a – e – d, die über vier Okta­ven erklin­gen. Jeder Ton ist auf drei Sai­ten gestimmt, erklingt beim Spie­len also drei­mal hin­ter­ein­an­der, oder anders gesagt, beim Spie­len wird ein Ton drei­mal impul­siert. Das kann man sich vor­stel­len wie eine Art von klin­gen­dem Was­ser­fall, wenn die Sai­ten von oben nach unten gespielt wer­den. Umge­kehrt, von den tie­fen zu den hohen Tönen, erklin­gen die Sai­ten wie ein tief geer­de­tes, sich warm aus­brei­ten­des Klang­feld. Dazwi­schen liegt die Mög­lich­keit, in den viel­fäl­tigs­ten Vari­an­ten ein­zel­ne Töne und Ton­fol­gen zu spie­len. Die­se wer­den von den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sehr oft ganz genau loka­li­siert im Kör­per wahr­ge­nom­men.
Die Beson­der­heit der TAO-Töne ist nicht ein­fach zu grei­fen. Rudolf Stei­ner schreibt in sei­nem Toneu­ryth­mie-Kurs dar­über. Karl König hat sich zusam­men mit dem Arzt Hans Hein­rich Engel sehr dafür inter­es­siert, dies auch in gemein­sa­men Stu­di­en mit dem Musik­wis­sen­schaft­ler und Ton­for­scher Her­mann Pfro­gner, der die TAO-Ton­fol­ge in sei­ner Schrift „Ein Ver­mächt­nis“ aus geis­tes­wis­sen­schaft­li­cher Sicht beschreibt. Dar­in kommt er zum Schluss, in der TAO-Ton­fol­ge sei uns „ein Mit­tel in die Hand gege­ben, das Mensch­li­che in sich sel­ber recht zu erfüh­len“.

Neue Energie für den Alltag

Frau Eri­ka Mül­ler* ist 58 Jah­re alt und steht tat­kräf­tig in einem sie belas­ten­den Berufs­all­tag. Sie hat Blut­hoch­druck und kann zeit­wei­se kaum mehr als drei Stun­den schla­fen, trotz­dem staut sich zu viel Ener­gie in ihr. Ihre Füs­se sind immer kalt, sie fühlt sich schon län­ger nicht mehr rich­tig wohl in ihrem Kör­per.
Zu Beginn der The­ra­pie mit dem Klang­bett wünscht sich Frau Mül­ler den „Was­ser­fall“, also das Spie­len von den hohen hin­un­ter zu den tie­fen Tönen. Zunächst spürt sie die Töne nur in den Schul­tern. Mit der Zeit ver­än­de­re ich das Spiel, sodass ich bei den mitt­le­ren Tönen begin­ne und immer mehr die tie­fen Töne erklin­gen las­se, die­sen immer mehr Raum gebe. Frau Mül­ler äus­sert sich dazu, sie sei „ganz dank­bar für die tie­fen Töne“. Mit der Zeit spürt sie Vibra­tio­nen von den Schul­tern durch­ge­hend bis zu den Kni­en. Sie beginnt, die Füs­se zu ver­mis­sen. Als die­se nach einer Wei­le auch begin­nen mit­zu­schwin­gen, ver­än­dert sich für Frau Mül­ler plötz­lich die Wahr­neh­mung der Strö­me durch ihren Kör­per. Sie erfährt sie nun von ihrer Mit­te aus­ge­hend in einer Lem­nis­kate, einer Acht, um sich her­um, über den Kopf bis hin­un­ter zu den Füs­sen. Sie erlebt es stau­nend und als äus­serst wohl­tu­end, fast wie eine „neue Art von Sin­nes­er­fah­rung“.
Nach der The­ra­pie geht Frau Mül­ler gleich zur Arbeit. Spä­ter erzählt sie, dass sie sehr frisch den gan­zen Tag arbei­ten konn­te und noch lan­ge gemerkt habe, wie die Töne in ihr wei­ter­klan­gen, wei­ter­ar­bei­te­ten.
Frau Mül­ler kommt, da äus­serst enga­giert in ihrem Beruf und oft auf Rei­sen, spo­ra­disch zur Klang­bett-The­ra­pie. Im Ver­lau­fe der Mona­te ver­än­dert sie ihren Berufs­all­tag, und eine regel­mäs­si­ge The­ra­pie­se­rie wird geplant. Ihr Wunsch an die The­ra­pie ist, dass sich die Momen­te des Erle­bens ihrer selbst als Gan­zes sowie der durch­ge­hen­den Wär­me vom Kopf bis zum Fuss im All­tag noch mehr zei­gen und dass sich die Blut­hoch­druck­pro­ble­ma­tik wei­ter ver­bes­sert.

Verbesserte Wahrnehmung

Herr Horst Gün­ther* ist 85 Jah­re alt und lei­det schon län­ger unter Schwer­hö­rig­keit, die ihn beson­ders im sozia­len Mit­ein­an­der sehr unan­ge­nehm beein­träch­tigt. Zudem hat er einen star­ken Tre­mor in den Hän­den, was ihm das Schrei­ben, zum Bei­spiel das Notie­ren von Ter­mi­nen, sehr erschwert. Sei­ne Toch­ter hat ihm von ihrer Klang­bet­ter­fah­rung erzählt und so bei ihm Neu­gier­de geweckt. Ob das Klang­bett auch bei ihm etwas bewir­ken kön­ne? Er ist gern zu einem Ver­such bereit. Nach der ers­ten Behand­lung geht er zufrie­den nach Hau­se, viel gespürt habe er jedoch nicht. Aber viel­leicht zei­ge sich ja noch etwas im Nach­hin­ein.
Eine Woche spä­ter kommt Herr Gün­ther wie­der in die The­ra­pie: Er höre viel bes­ser, höre die Flug­zeu­ge wie­der wie schon seit Jah­ren nicht mehr. Das sei ja nicht unbe­dingt so beson­ders beglü­ckend, aber die Mit­men­schen wie­der bes­ser zu ver­ste­hen, das sei abso­lut begeis­ternd. Er denkt, dass auch sein Tre­mor begin­ne sich zu bes­sern. Er möch­te gern wei­te­re The­ra­pi­en auf dem Klang­bett haben. Wir arbei­ten ein­mal wöchent­lich aus­schliess­lich mit dem Klang­bett wäh­rend etwa drei Mona­ten. Die Ver­bes­se­rung im Hören bleibt, der Tre­mor in den Hän­den nimmt ab. Herr Gün­ther hat wie­der Gefühl in sei­nen Hän­den, denkt aber, dass sich sein Zustand noch wei­ter ver­bes­sern könn­te, und plant, nach einer Pau­se zu wei­te­ren Klang­bett-Behand­lun­gen zu kom­men.

Wieder zu sich finden

Frau Anna Brun­ner*, 34 Jah­re alt, erlebt seit ein paar Mona­ten eine see­li­sche Kri­se, die durch eine Ver­än­de­rung in der Arbeits­si­tua­ti­on aus­ge­löst wur­de. Frü­he trau­ma­ti­sche Erin­ne­run­gen, die in einer The­ra­pie auf­ge­ar­bei­tet wer­den, lösen ver­mehrt Angst­zu­stän­de aus. Sie weiss, dass Musik ihr schon immer gehol­fen hat, inner­lich „hel­ler“ und „leich­ter“ zu wer­den, wie sie es selbst benennt. Sie möch­te gern das TAO-Klang­bett aus­pro­bie­ren. Ganz sicher ist sie sich aber nicht, dass sie das „pas­si­ve“ Lie­gen aus­hal­ten kann. Wir pro­bie­ren es, blei­ben im Gespräch wäh­rend der ers­ten Töne. Sehr bald ent­steht eine Ruhe, in die sie sich ver­trau­ens­voll hin­ein­ge­ben kann.
Nach den etwa 15 Minu­ten auf dem Klang­bett und einer etwa 10-minü­ti­gen Nach­ru­he beschreibt sie ihr Erle­ben fol­gen­der­mas­sen: Erst habe sie eine sehr ange­neh­me Wei­tung erlebt, sie zeigt eine Aus­deh­nung links und rechts von ihrem Becken aus. Dann war es, als wenn es um den Kopf her­um hell wur­de, obgleich sie die Augen geschlos­sen hielt. Das sei sehr schön gewe­sen, sei aber nach einer Wei­le weg­ge­gan­gen, was sie trau­rig gemacht habe. Da sei sie fast etwas unsi­cher gewor­den, habe dann aber bemerkt, wie das Licht nun weg vom Kopf in ihren Kör­per hin­ein gekom­men sei. Da sei sie dar­in geblie­ben bis nach der Nach­ru­he. Sie füh­le sich nun sehr ruhig und sicher in sich und wer­de ver­su­chen, die­ses Gefühl mit­zu­neh­men.

Anmer­kung: *Namen von der Redak­ti­on geän­dert

Autoren25

Fach­per­son Sibyl­le Bür­gel
Arbeits­schwer­punk­te Musik­the­ra­peu­tin SVAKT, Kir­chen­mu­sik­stu­di­um A in Luzern, Musik­the­ra­peu­ti­sche Aus­bil­dung in Ber­lin, Musik­the­ra­peu­tin in der Kin­der- und Jugend­psy­cho­so­ma­tik
am Gemein­schafts­kran­ken­haus Havel­hö­he
in ­Ber­lin und an der Tridhak­sa School in Bangkok­, seit 2009 tätig an der Ita Weg­man Kli­nik
Kon­takt sibylle.buergel@wegmanklinik.ch

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