Stabübergabe im Verwaltungsrat der Klinik Arlesheim AG

Anne­ma­rie Gass war fast ein Vier­tel­jahr­hun­dert an der Kli­nik Arle­sheim tätig, zuletzt als Ver­wal­tungs­rats­prä­si­den­tin. An der Gene­ral­ver­samm­lung vom Juni 2015 hat sie den Stab des Prä­si­di­ums an ihren Nach­fol­ger Phil­ipp Schnei­der über­ge­ben. Die Redak­ti­on befrag­te sie zu eini­gen The­men ihrer Arbeit.

Frau Gass, Sie kamen 1991 an die Ita Wegman Klinik. Wie war damals die schweizerische Spitallandschaft? Was hat sich seitdem verändert?

Anfang der neun­zi­ger Jah­re war ich als Pfle­ge­fach­frau in Teil­zeit an der Ita Weg­man Kli­nik tätig. Mein Blick auf die dama­li­ge Spi­tal­land­schaft ist also der einer ehe­ma­li­gen Kran­ken­schwes­ter. Die Pfle­gen­den waren als Gene­ra­lis­tin­nen aus­ge­bil­det und arbei­te­ten – zumin­dest in der Deutsch­schweiz – noch stark nach den didak­ti­schen Infor­ma­tio­nen und Arbeits­an­lei­tun­gen von Schwes­ter Lilia­ne Juch­li. Es gab wenig Regu­lie­rung, und die Com­pu­ter­tech­no­lo­gie war noch nicht Bestand­teil des Berufs­all­tags. Die medi­zi­nisch-tech­ni­schen Errun­gen­schaf­ten der letz­ten 15 Jah­re erfor­der­ten immer mehr Spe­zia­li­sie­rung bei den Ärz­ten und in der Fol­ge auch im Pfle­ge­be­reich, sodass die Gene­ra­lis­tin­nen nach und nach von Spe­zia­lis­tin­nen abge­löst wur­den. Die The­men Effi­zi­enz und Wirt­schaft­lich­keit hiel­ten zuneh­mend Ein­zug in den Spi­tä­lern, was zu mehr Dif­fe­ren­zie­rung der Auf­ga­ben und Stan­dar­di­sie­rung der Abläu­fe führ­te.

In Ihrer Zeit als Verwaltungsratspräsidentin hat sich die Klinik gewandelt, aus der Ita Wegman Klinik wurde die Klinik Arlesheim: Wie sehen Sie die Klinik im heutigen Umfeld?

Der Wan­del der dama­li­gen Ita Weg­man Kli­nik wur­de bereits im Jahr 1998 mit Beginn einer Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung ein­ge­lei­tet, als erst­mals eine umfas­sen­de Auf­bau- und Ablauf­or­ga­ni­sa­ti­on ein­ge­rich­tet wur­de. Spä­ter wur­de stra­te­gisch eine Öff­nung nach aus­sen als Akut­spi­tal ver­folgt. In der Zeit als VR-Prä­si­den­tin, also seit Ende 2008, konn­ten die Rah­men­be­din­gun­gen prä­zi­siert und ers­te stra­te­gi­sche Zie­le umge­setzt wer­den, so zum Bei­spiel „Wir gehen zu den Leu­ten“ mit der Eröff­nung des Ita Weg­man Ambu­la­to­ri­ums an der Markt­hal­le, die Auf­nah­me auf die Spi­tal­lis­te als Akut­spi­tal, „Wir koope­rie­ren mit ande­ren Spi­tä­lern“ bei­spiels­wei­se in der Radio­lo­gie mit dem Kan­tons­spi­tal Basel­land oder „die Stär­kung der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin am Platz Arle­sheim“ durch die Fusi­on mit der Lukas Kli­nik.

Was hat Sie in all den Jahren am meisten beschäftigt, wo sehen Sie Chancen, wo Risiken?

Bei allen stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen hat mich immer die Fra­ge gelei­tet: „Was dient dem Pati­en­ten wirk­lich“? Wie müs­sen die Rah­men­be­din­gun­gen und in der Fol­ge die Struk­tu­ren und Abläu­fe orga­ni­siert sein, damit sie nicht nur eine gute Dienst­leis­tung am Pati­en­ten ermög­li­chen, son­dern dar­über hin­aus genü­gend Frei­raum las­sen für eine ech­te Begeg­nung mit ihm. Im ste­ten Stu­di­um der anthro­po­so­phi­schen Men­schen­kun­de und im inter­dis­zi­pli­nä­ren Aus­tausch sehe ich eine der wich­tigs­ten Chan­cen, um dem Pati­en­ten ein tra­gen­des the­ra­peu­ti­sches Umfeld zu ermög­li­chen. Bei den heu­ti­gen äus­se­ren Rah­men­be­din­gun­gen besteht aus mei­ner Sicht das Risi­ko einer Über­stan­dar­di­sie­rung und einer Zunah­me der admi­nis­tra­ti­ven Auf­ga­ben. Für Letz­te­res dient mir das Bild des Hams­ter­ra­des, wel­ches erschöp­fend sein kann, wenn wir die Din­ge nicht bewusst sel­ber steu­ern.

Immer wieder ist von Pflegenotstand die Rede. Wie stehen Sie dazu?

Tat­säch­lich beglei­tet mich das The­ma Pfle­ge­not­stand seit mei­ner Aus­bil­dung im Jahr 1968 immer wie­der in gewis­sen Abstän­den. Es gibt ja unter­schied­li­che Moti­ve, den Pfle­ge­be­ruf zu erler­nen. Ich mei­ne, die heu­ti­gen schwei­ze­ri­schen Aus­bil­dungs­mög­lich­kei­ten kom­men den viel­fäl­ti­gen Bedürf­nis­sen gut ent­ge­gen. Aber ich den­ke auch, es könn­te im All­ge­mei­nen viel mehr getan wer­den für die Wert­schät­zung der Pfle­gen­den, denn es ist die Berufs­grup­pe, die dem Pati­en­ten am nächs­ten steht und ihn nicht nur mit Fach­wis­sen, son­dern auch mit hei­len­der Grund­hal­tung und Empa­thie durch die Pha­sen sei­ner Krank­heit beglei­tet und auch oft in Kri­sen­si­tua­tio­nen und beim Ster­ben durch­trägt. Die­se Moti­ve machen an sich die Beru­fe im Gesund­heits­we­sen für jun­ge Leu­te attrak­tiv. Es muss also alles dar­an gesetzt wer­den, die Pfle­gen­den im Beruf zu hal­ten.

Wohin wird sich Ihrer Meinung nach die Klinik in den nächsten Jahren entwickeln?

Ich bin über­zeugt, dass die Kli­nik als Kom­pe­tenz­zen­trum für Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin mehr und mehr gefragt sein und ihre Bedeu­tung in der schwei­ze­ri­schen Spi­tal­land­schaft zuneh­men wird. Wesent­lich dabei ist, dass die Kli­nik Arle­sheim als klei­nes Spi­tal eng mit ande­ren Spi­tä­lern und Ärz­ten zusam­men­ar­bei­tet. Der Pati­ent steht so im Mit­tel­punkt eines durch­ge­hen­den Behand­lungs­pfa­des, und die Kos­ten kön­nen bei rich­ti­ger Hand­ha­bung gesenkt wer­den.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Mein Nach­fol­ger, Phil­ipp Schnei­der, hat als bis­he­ri­ger Ver­wal­tungs­rats-Vize­prä­si­dent mit sei­ner Erfah­rung in Orga­ni­sa­ti­ons- und Qua­li­täts­ent­wick­lung ins­be­son­de­re im Gesund­heits­we­sen viel zur jet­zi­gen Ent­wick­lung der Kli­nik bei­getra­gen. Ich wün­sche ihm, dass er mit der­sel­ben Begeis­te­rung an die anste­hen­den gros­sen Auf­ga­ben der nächs­ten Jah­re – ins­be­son­de­re ans „Neu­bau­pro­jekt“ – her­an­geht und dabei auf die tat­kräf­ti­ge Unter­stüt­zung sei­ner Ver­wal­tungs­rats­kol­le­gen und des Kli­nik­per­so­nals zäh­len kann.

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