Sorgsame Vielfalt

Die Heil­mit­tel­her­stel­lung am Heil­mit­tel­la­bor der Kli­nik Arle­sheim zeich­net sich seit jeher durch eine gros­se Viel­fäl­tig­keit aus, sowohl was die Heil­mit­tel selbst als auch was die Her­stel­lungs­ver­fah­ren anbe­langt. Wie deren Lei­te­rin Amé­lie Pequi­gnot erläu­tert, spie­len dabei Sorg­falt und Hand­ar­beit eine wich­ti­ge Rol­le.

Die meis­ten der bei uns im Heil­mit­tel­la­bor her­ge­stell­ten Arz­nei­mit­tel sind pflanz­li­cher Her­kunft. Das Beson­de­re dabei ist, dass die gesam­te Her­stel­lungs­ket­te in der Regel in unse­ren eige­nen Hän­den liegt, von der Ern­te über die Pro­duk­ti­on von Wirk­stof­fen bis hin zur Kon­fek­tio­nie­rung der fer­ti­gen Pro­duk­te.

Früh­mor­gend­li­che Team­ar­beit

Zur Her­stel­lung pflanz­li­cher Wirk­stof­fe wer­den die Pflan­zen früh­mor­gens sorg­fäl­tig geern­tet und sofort zum Heil­mit­tel­la­bor zur Wei­ter­ver­ar­bei­tung gebracht. Je nach Grös­se der Ern­te wer­den mehr oder weni­ger Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter ein­be­zo­gen, manch­mal sogar das gan­ze Team. Das ist für uns jedes Mal ein klei­nes Fest – und nach dem kal­ten, grau­en Win­ter wird die Ern­te-Sai­son immer sehr erwar­tet.

Im Labor wer­den die Pflan­zen scho­nend ver­le­sen, gewa­schen und geschnit­ten, von Hand oder mit Hil­fe einer Schnei­de­ma­schi­ne, wenn die Men­ge zu gross ist. Hier kommt es auch vor, dass das gan­ze Team zusam­men­ar­bei­tet, wie bei der Ver­ar­bei­tung von Bryo­phyl­lum (Bryo­phyl­lum dai­gre­mon­tia­num), einer Pflan­ze, die zur Her­stel­lung von wich­ti­gen Heil­mit­teln ver­wen­det wird.

Wär­me und Rhyth­mus

Die Pflan­zen wer­den dann nach ver­schie­de­nen Her­stel­lungs­ver­fah­ren ange­setzt. Die zwei Haupt­we­ge zur Pro­duk­ti­on von Aus­zü­gen sind die Wär­me auf der einen Sei­te und der Rhyth­mus auf der ande­ren. Je nach Pflan­zen­teil und the­ra­peu­ti­scher Anwen­dung wer­den ver­schie­de­ne Inten­si­tä­ten von Wär­me ein­be­zo­gen. Die wun­der­bar süss rie­chen­de Wur­zel der ech­ten Mäde­süss (Fili­pen­du­la ulma­ria) wird zum Bei­spiel in gerei­nig­tem Was­ser und Etha­nol ange­setzt, bei Raum­tem­pe­ra­tur von 15 bis 25°C zie­hen gelas­sen und schliess­lich abge­presst. So ent­steht eine soge­nann­te Mazera­tio, die über das Ner­ven-Sin­nes-Sys­tem auf den gan­zen Men­schen ein­wirkt.
Ein wei­te­res Bei­spiel ist die gel­be, bit­te­re Wur­zel der Ber­be­rit­ze (Ber­be­ris vul­ga­ris), deren Rin­de im Etha­nol 30 Minu­ten lang bei 100°C gekocht wird. Nach dem Abpres­sen ent­steht ein Decoc­tum, das über den Stoff­wech­sel­weg in der Ver­dau­ung tätig sein wird. Dem­ge­gen­über wer­den bei der Her­stel­lung einer soge­nann­ten Diges­tio bei­spiels­wei­se die Früch­te des Weiss­dorns (Cra­ta­e­gus oxya­can­tha) wäh­rend 24 Stun­den bei 37°C erwärmt. Die­se Aus­zü­ge sind beson­ders im rhyth­mi­schen Sys­tem des Men­schen aktiv. Die höchs­te Stu­fe von Wär­me ist die Ver­aschung, die bei 500°C erfolgt. Die resul­tie­ren­de Asche kann in Ver­bin­dung mit der Lun­ge und der Atmung gese­hen und ein­ge­setzt wer­den.
Dar­über hin­aus wer­den in unse­rem eige­nen Tro­cken­schrank Pflan­zen mit gros­ser Sorg­falt getrock­net, um dar­aus anschlies­send vor allem ver­schie­de­ne Tee­sor­ten zuzu­be­rei­ten. Aber auch öli­ge Aus­zü­ge wer­den mit getrock­ne­ten Pflan­zen, zum Bei­spiel der Zitro­nen­me­lis­se (Melis­sa offi­ci­na­lis) oder dem Tabak (Nico­tia­na taba­cum), durch Wär­me­zu­fuhr her­ge­stellt. Sie wer­den wäh­rend zwei Tagen bei 45°C im Öl belas­sen, wodurch die inni­ge Bezie­hung zwi­schen Öl und Wär­me noch betont wird.
Durch Rhyth­mus schliess­lich wer­den zum Bei­spiel ver­go­re­ne alko­hol­freie Aus­zü­ge her­ge­stellt, die die Lebens­kräf­te der Pflan­ze beson­ders scho­nen und die­se dann für die Pati­en­ten­an­wen­dung zur Ver­fü­gung stel­len.
Bei man­chen Pflan­zen wer­den meh­re­re Tei­le ver­wen­det, die unter­schied­lich ver­ar­bei­tet wer­den. Die Blü­ten der Schle­hen (Pru­nus spi­no­sa) wer­den zum Bei­spiel als Öl ver­ar­bei­tet; mit den Trieb­spit­zen wird eine Mazera­tio zube­rei­tet. Schle­hen-Eli­xier wird mit den Früch­ten die­ser Pflan­ze her­ge­stellt.
Ein­mal abge­presst, wer­den die Tink­tu­ren im Kel­ler bis zur wei­te­ren Ver­ar­bei­tung auf­be­wahrt und im Dun­keln zwi­schen 15 und 25°C gela­gert – grös­se­re Men­gen in 25 Liter-Glas­bal­lons, klei­ne­re in Glas­fla­schen von einem hal­ben bis 5 Litern. Bei Tink­tu­ren aus fri­schen Pflan­zen muss immer dar­auf geach­tet wer­den, dass eine genü­gen­de Men­ge her­ge­stellt wird, um den gesam­ten Bedarf des Jah­res abzu­de­cken. Die Ern­te­sai­son fin­det ja nur ein­mal im Jahr statt!

Zusätz­li­che Aus­gangs­stof­fe

Neben Pflan­zen wer­den im Heil­mit­tel­la­bor auch tie­ri­sche Aus­gangs­stof­fe ver­ar­bei­tet – von den Bie­nen zum Bei­spiel Pro­po­lis und Honig. Bei­des wird von einer Deme­ter-Imke­rei gewon­nen und im Extra­hier­me­di­um ange­setzt.
Aber auch Mine­ra­li­en wie Jas­pis oder der eisen­hal­ti­ge Pyrit sowie rei­ne Metal­le wie Kup­fer, Gold oder auch Eisen fin­den Ver­wen­dung. Nach dem Waschen wer­den die Mine­ra­li­en zer­klei­nert, sehr fein pul­ve­ri­siert und gesiebt. Eine Beson­der­heit ist zum Bei­spiel die Her­stel­lung eines Kup­fer­spie­gels. Es han­delt sich dabei um sehr fei­ne Schich­ten von Kup­fer, die sich an den Wän­den eines Gefäs­ses fest­set­zen. Die­ser Film wird gesam­melt und zur wei­te­ren Ver­ar­bei­tung genutzt.
Die sorg­fäl­tig gewon­ne­nen Wirk­stof­fe wer­den dann zur Her­stel­lung von fer­ti­gen Arz­nei­mit­teln zusam­men ver­ar­bei­tet, teil­wei­se mit­ein­an­der kom­bi­niert und mit geeig­ne­ten Hilfs­stof­fen wei­ter­ver­ar­bei­tet, um die erwünsch­te Dar­rei­chungs­form zu errei­chen. Die­se Ver­ar­bei­tun­gen erfol­gen alle­samt von Hand, in einer klei­nen Char­gen­grös­se von maxi­mal
20 Kilo­gramm.

In Bewe­gung brin­gen und kom­bi­nie­ren

Die Tink­tu­ren wer­den im flüs­si­gen Medi­um, das heisst mit Was­ser oder Etha­nol, poten­ziert, die Mine­ra­li­en oder Metal­le hin­ge­gen im fes­ten Medi­um, mit Lak­to­se. Das Poten­zie­ren ist das stu­fen­wei­se Ver­dün­nen und in Bewe­gung brin­gen eines Aus­gangs­stoffs. Kon­kret bedeu­tet es, dass ein Teil des­sel­ben mit neun Tei­len des Medi­ums gemischt und unmit­tel­bar danach durch rhyth­mi­sches Schüt­teln (flüs­sig) oder Ver­rei­ben (fest) in Bewe­gung gebracht wird. Nach die­ser Bewe­gungs­pha­se folgt eine Ruhe­pha­se, durch die eine neue Qua­li­tät ent­ste­hen kann. Das Poten­zie­ren wird dann bis zur gewünsch­ten Potenz­hö­he wei­ter durch­ge­führt.
Im Heil­mit­tel­la­bor wer­den eine Viel­zahl von Sal­ben, Pas­ten und Gele, Ampul­len sowie Zäpf­chen und Glo­bu­li her­ge­stellt. Nasen­sprays, Pul­ver und Tablet­ten ergän­zen unser Sor­ti­ment. Am Ende des auf­wän­di­gen Her­stel­lungs­pro­zes­ses wer­den die Heil­mit­tel abge­füllt und eti­ket­tiert – natür­lich eben­falls von Hand.

Umfas­sen­de Qua­li­täts­prü­fung

Regel­mäs­sig erfol­gen Inspek­tio­nen durch die Behör­den, die für die Her­stel­lungs­be­wil­li­gung not­wen­dig sind.
Das Heil­mit­tel­la­bor ver­fügt über ein ange­mes­se­nes, effi­zi­en­tes Qua­li­täts­si­che­rungs­sys­tem, das die Regeln der guten Her­stel­lungs­pra­xis für Arz­nei­mit­tel in klei­ne Men­gen erfüllt. Unser Qua­li­täts­kon­troll­la­bor prüft jeden ein­ge­kauf­ten Roh­stoff und jeden selbst her­ge­stell­ten Wirk­stoff sowie deren Frei­ga­be zur wei­te­ren Ver­ar­bei­tung. Fer­ti­ge Pro­duk­te wer­den, bevor sie auf den Markt gebracht wer­den, eben­falls geprüft und frei­ge­ge­ben.

 

Fach­per­son Amé­lie Pequi­gnot
Stu­di­um der Phar­ma­zie an der Uni­ver­si­tät Mont­pel­lier. Meh­re­re Jah­re in der Wele­da (Frank­reich und Schweiz) haupt­säch­lich in der Zulas­sung, der Phar­ma­ko­vi­gi­lanz, der Qua­li­täts­si­che­rung und der Her­stel­lung tätig.
Seit Früh­jahr 2020 Lei­te­rin der Heil­mit­tel­her­stel­lung der Kli­nik Arle­sheim.
Kon­takt amelie.pequignot@klinik-arlesheim.ch

 

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