
Die Diagnose Krebs und das Krebsgeschehen selber sind bedrohlich und können Betroffene im wahrsten Sinn aus dem Rhythmus bringen. Die Rhythmische Massage nach Dr. med. Ita Wegman kann ihnen helfen, wieder zu sich selbst und ihren körpereigenen Rhythmen zu finden und die Selbstheilungskräfte zu stärken.
Die Diagnose Krebs verändert oft schlagartig das eigene Verhältnis zum Leben und zur Körperlichkeit. Viele Menschen unter uns haben einen solch einschneidenden Moment schon kennengelernt. Er kann als Schock bis in den organischen Zusammenhang erlebt werden und wird meist als überraschendes Geschehen empfunden.
Fragen und Ängste
Manchmal wird im Moment der Diagnose auch etwas bisher Unbekanntes klar benannt, etwas, was sich als Prozess langsam und still entwickelt hat. Als Folge kann eine innere Abwehr entstehen, eine Distanz, eine Bedrohung aus der eigenen Körperlichkeit heraus.
Zusätzlich fordert die neue Situation Entscheidungen. Sie wird geprägt durch Überlegungen zu notwendigen massiven Eingriffen, zum Beispiel einer Operation, Chemotherapie, Bestrahlung oder auch dem Einsatz von Schmerz-, Beruhigungs- und Schlafmitteln – häufig verbunden mit lang anhaltenden und kräftezehrenden Nebenwirkungen.
In Bezug auf eine hilfreiche und wirksame Therapie stellen sich zudem weitere Fragen: Wie kann die Bedrohung, sich gleichsam aus dem Körper hinausgeworfen zu fühlen, ihn nicht mehr unter Kontrolle zu haben, gewendet werden? Wie kann das Ich, die Individualität, in einen seelisch-geistigen Bezug zu seiner Biographie, zu seiner Lebensgeschichte kommen? Und wie kann es seine erstarrte und geschwächte Körperlichkeit physiologisch-organisch mit Wärme durchdringen und wieder integrierend und ordnend wirken?
Beeinträchtigung der vier Wesensglieder
Die Anthroposophische Medizin kennt verschiedene Betrachtungsweisen der Krebserkrankung. Hilfreich für ihr Verständnis ist das anthroposophische Menschenbild, das vier Wesensglieder des Menschen unterscheidet: das geistige Ich respektive die Ich-Organisation, den Astral- oder auch Seelenleib, den ätherischen Lebens- oder Bildekräfte-Leib sowie den Körper als physischen Leib.
Welche Symptome zeigen sich beim Krebsgeschehen und wie wirken die Zusammenhänge dieser Wesensglieder untereinander?
- Das Geistige des Menschen, die Ich-Tätigkeit, ist „gelähmt“. Der Leib wird eher kühl, insgesamt wird der Wärmerhythmus starr und passt sich nicht mehr dem Tageslauf an. Die physiologischen Prozesse zeigen eine Art Resignation, kein Fieber und keine Entzündung.
- Das Seelische des Menschen ist geschwächt, was sich unterschiedlich äussern kann. Dem „Nicht-wahrhaben-Wollen“ der Situation und der Diagnose folgt häufig eine depressive Stimmung, manchmal verbunden mit einer inneren Unruhe und dem „Nicht-verstehen-Können“, einem Unverständnis. Lokales Schmerzempfinden tritt seltener auf oder aber erst später.
- Die Lebenskräfte ziehen sich zurück; es kommt zum Beispiel zur Appetitlosigkeit und Immunschwäche.
- Im körperlich-physischen Leib bildet sich „ein kalter Knoten“; „eine Revolution der physischen Kräfte“, zu viel wucherndes Gewebe am falschen Ort, ein Tumor.
Die körpereigenen Rhythmen stärken
Die Rhythmische Massage wird als unterstützende therapeutische Massnahme im Behandlungskonzept der anthroposophischen Medizin angewendet, auch bei Krebspatientinnen und -patienten. Sie wurde 1922 von Dr. med. Ita Wegman in Zusammenarbeit mit Dr. med. Margarethe Hauschka an der Klinik Arlesheim entwickelt und beruht auf der klassischen schwedischen Heilmassage. Zusätzlich arbeitet sie jedoch mit rhythmisch gestalteten Griffqualitäten und anderen Formen, wie zum Beispiel der Lemniskate – einer schleifenförmigen Kurve in Form der liegenden Acht – oder gegenläufigen Kreisen.
Die Rhythmische Massage hat zum Ziel, das rhythmische System des Menschen anzuregen. Im Vordergrund stehen dabei die rhythmischen Funktionen im menschlichen Organismus, die meist ohne eigenes Zutun oder besonderes Bewusstsein ablaufen, wie zum Beispiel der Herzschlag, das Ein- und Ausatmen, der Wärmerhythmus, die Wach-Schlaf-Phasen und die Hormonschwankungen im Tages- und Monatsverlauf. Auf Störungen solcher rhythmischer Funktionen reagiert der Mensch sehr empfindlich. Schlafstörungen zum Beispiel können nicht nur quälend sein, sondern auch zusätzlich schwächen. Erst recht gilt das, wenn die Diagnose Krebs und die Krebserkrankung selber einen Menschen aus dem Rhythmus bringen.
Die Rhythmische Massage wirkt auf die Gesamtheit der Körperorgane, regt im umfassenden Sinn die Selbstwahrnehmung an und gleicht individuell die Kräfte und Körperrhythmen aus. So hat sie einen positiven Einfluss bei Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Erschöpfung, Schmerzen, Verspannungen und Stauungen. Zudem wirkt sie ausgleichend auf die Stimmung.
Den Rhythmus wieder finden
In der Therapie von Krebspatientinnen und -patienten ist es wichtig, sie auf allen Ebenen ihrer Wesensglieder zu erfassen. Ziel der Rhythmischen Massage ist es, sie im dialogischen Prozess in ihrem Körpergewebe anzusprechen. Sie dort aufzufordern und dazu einzuladen, „den Rhythmus und die Melodie ihres Lebens“ wieder zu finden, Belastendes zu lassen, auszuatmen sowie ihre Körperlichkeit mit Wärme zu durchströmen und mit neuen Willens-Impulsen zu gestalten, so dass ein neues Gleichgewicht zur Selbstregulation geschaffen wird.
Weitere allgemeine Wirkungen der Rhythmischen Massage sind: Die Durchwärmungsfähigkeit des Organismus steigert sich (Ich-Organisation). Die Durchblutungs- und Atmungstätigkeit wird gefördert (Astralleib). Die Bewegung der Gewebsflüssigkeit wird angeregt, und Fehlspannungen in Muskel- und Bindegewebe werden reguliert (Ätherischer Leib).
Die Rhythmische Massage spricht also alle Qualitäten an, die der Tumor gar nicht mag: Wärme, Atmung, Rhythmus und Formkraft.
Wärme
Beim fliessend-rhythmischen Behandeln entsteht als wichtiges therapeutisches Element die Eigenwärme. Sie wird als Antwort durch die Berührung und Bewegung erzeugt, nicht als Reaktion auf Reibung oder Druck. Die Wärme ermöglicht dem Ich, tätig zu sein und die weiteren Lebensebenen zu ergreifen und zu ordnen.
Atmung
Sowohl durch den Ort der Berührung als auch durch die saugende, weitende Qualität wirken die Griffe atmend im Sinn von „binden und lösen“. Die Atmung wird bis in die Zellfunktion angeregt und der Atmungsraum vergrössert sich.
Rhythmus
Die Griffe achten ganz die Formen und die Gesetzmässigkeiten der Flüssigkeiten. Sie gestalten bei einer Stauung erneut das Fliessen, um über den Flüssigkeitshaushalt die Harmonisierung und Belebung des Menschen zu fördern. Der wässrige Anteil des Organismus wird mit sanften Griffen in Schwingung gebracht. Durch dieses Ansprechen der Rhythmen werden die Lebenskräfte gestärkt.
Gestaltung und Formkraft
Die Rhythmische Massage beinhaltet einerseits ein Gestalten im physischen Leib, anderseits eine Ansprache des Ich im Gewebe mit den plastisch gestalteten Griffen. Sie spricht dabei alle Wesensglieder an, über die Wärme, die Dynamik und die Form.
Patientenorientierte Behandlung
Je nach Patient und Krankheitsgeschehen werden während einer Behandlung verschiedene Körperregionen massiert. Sie beschränkt sich zudem nicht auf den Ort der vorliegenden Erkrankung. So kann zum Beispiel von einem entfernt liegenden Ort Schmerz abgeleitet werden.
Auch ist es möglich, über die Armbehandlung die Aufnahme der Nahrung und die Verdauung zu fördern oder über die Beinbehandlung die Ausscheidung anzuregen. Die Behandlung wird also im Aufbau und zeitlich individuell gestaltet. In der anschliessenden gleichlangen Nachruhe kann der Organismus auf die gesetzten Impulse eine Antwort bilden und nachklingen lassen.
Vielversprechende Studienergebnisse
Eine aktuelle Studie* weist die Wirksamkeit der Rhythmischen Masse bezüglich der Regulation des Rhythmus und der Wärmeverteilung nach. Dadurch wird eine Kernqualität des Behandlungskonzepts dieser anthroposophischen Therapie eindrücklich bestätigt.
Wissenschaftlich konnte belegt werden, dass die Rhythmische Massage sowohl kurz- wie auch langfristig zu positiven und quantitativ erfassbaren Effekten führt. Die Durchwärmungs- wie auch die Erholungsfähigkeit der Patientinnen und Patienten verbesserten sich über den Gesamttherapieverlauf. In Subgruppenanalysen wurden Verbesserungen bei Patienten mit psychischen oder Verhaltensstörungen und – ganz neu – auch bei Krebserkrankungen beobachtet.
Die Studie zeigt damit, wo die Schätze der Rhythmischen Massage verborgen liegen und dass diese berechtigterweise zur Anwendung kommt, in der Inneren Medizin, Chirurgie, Gynäkologie, Neurologie, Heil- und Sonderpädagogik sowie in der Traumatologie, Psychosomatik, Psychiatrie und Palliation, aber auch in der Onkologie.
* Chantal Wälchli, Georg Saltzwedel, Lukas Rist et al: Clinical Outcomes of Rhythmical Massage: A Prospective Cohort Study with Swiss Outpatients. In: Alternative and Complementary Therapies, Vol. 20, No. 5, October 2014, http://online.liebertpub.com/toc/act/20/5
Aus- und Fortbildung
Die Schule für Rhythmische Massage in Dornach bildet seit 2002 Medizinische Masseurinnen und Masseure aus, bietet Fortbildung in Rhythmischer Massage sowie verschiedene Fachkurse für Therapeut/innen und Medizinische Masseur/innen, für Ärztinnen und Ärzte, aber zum Teil auch für Interessierte ohne Vorkenntnisse an.
Die Aus- und Fortbildung befähigt zeitgemäss zum therapeutischen Handeln mit dem Verständnis anthroposophischer Gesichtspunkte. Die Absolventen/-innen des Ausbildungslehrganges erhalten von der Schule das Diplom «Rhythmische Massage» und für die abgeschlossenen Module entsprechende Zertifikate, die den Zugang zur Berufsprüfung ermöglichen. Danach können sie den geschützten Berufstitel «Medizinische/r Masseur/in mit eidgenössischem Fachausweis» tragen. Nächster Beginn April 2016
Tel. 061 705 75 75 | srm@rhythmische-massage.ch | www.rhythmische-massage.ch
Fachperson | Unda Niedermann-Veith |
Arbeitsschwerpunkte | Schule für Rhythmische Massage, Schulleitung, Mentoring und Unterricht, seit 2001 Unterricht und Programmverantwortliche in dem Ausbildungslehrgang „Vorbereitung der Berufsprüfung Medizinischer Masseur/ medizinische Masseurin mit eidg. Fachausweis“, Ausbilderin mit eidgenössischem Fachausweis, seit November 2012, Physiotherapie – Praxis, Bern mit Tätigkeit im Altersheim Rüttihubelbad, Walkringen |
Kontakt | u.niedermann@rhythmische-massage.ch, www.undaniedermann.ch |