Nachhaltigkeit auch bei der Ernte

Vie­le der ins­ge­samt rund 600 an der Kli­nik Arle­sheim her­ge­stell­ten Heil­mit­tel basie­ren auf pflanz­li­chen Roh­stof­fen. Die Her­kunfts­or­te der Pflan­zen sind viel­fäl­tig. Dani­el Gen­ner, der als Mit­ar­bei­ter der Heil­mit­tel­her­stel­lung bei den meis­ten Pro­duk­tio­nen dabei ist, berich­tet über ver­schie­de­ne Ern­te­or­te, denen eines gemein­sam ist: der nach­hal­ti­ge Umgang mit den Pflan­zen und der Natur.

In den meis­ten unse­rer Pro­duk­te sind in viel­fäl­ti­ger Wei­se Pflan­zen­aus­zü­ge ein­ge­ar­bei­tet, die wir aus Frisch­pflan­zen gewin­nen. Die Qua­li­tät des fach­ge­rech­ten Anbaus der Pflan­zen ist für die End­pro­duk­te eben­so ent­schei­dend wie die Stand­or­te der Wild­samm­lun­gen.

Deme­ter­an­bau im Frei­en …

Ein Teil der Frisch­pflan­zen stammt aus unse­rem kli­nik­ei­ge­nen Heil­pflan­zen­gar­ten. Da ste­hen Stau­den wie zum Bei­spiel das Herz­ge­spann (Leo­nu­rus car­dia­ca) oder die klet­tern­de Zwei­häu­si­ge Zaun­rü­be (Bryo­nia dioi­ca); bei­de sind zur Blü­te­zeit von Wild­bie­nen sehr begehrt. Vom Herz­ge­spann ver­ar­bei­ten wir die ober­ir­di­schen Tei­le, von der Zaun­rü­be die bis über zehn Kilo­gramm schwe­re Spei­cher­wur­zel.
Wei­te­re Heil­pflan­zen aus unse­rem Gar­ten, die wir für unse­re Pro­duk­ti­on ern­ten, sind Bor­retsch (Bora­go offi­ci­na­lis), gel­ber Honig­klee (Meli­lo­tus offi­ci­na­lis) oder das auf der Erde krie­chen­de kah­le Bruch­kraut (Her­nia­ria gla­bra), ein unschein­ba­res Nel­ken­ge­wächs.
Eini­ge Pflan­zen stam­men aber auch aus befreun­de­ten Insti­tu­tio­nen. Aus dem Gar­ten der Wele­da auf dem Bru­der­holz bei­spiels­wei­se die Schaf­gar­be (Achil­lea mille­fo­li­um), die Melis­se (Melis­sa offi­ci­na­le) oder die Rin­gel­blu­me (Calen­du­la offi­ci­na­lis). Den heil­kräf­ti­gen Wund­klee (Anthyl­lis vul­ne­ra­ria) dür­fen wir auf dem Gelän­de der Sonn­hal­de, Gempen, ern­ten.

… und im Treib­haus

Auch die Pflan­zen in unse­rem Treib­haus wer­den nach Deme­ter-Richt­li­ni­en ange­baut. Hier wächst wohl­be­hü­tet die Köni­gin der Nacht (Sele­ni­ce­rus gran­dif­lo­rus), ein Kak­tus mit meter­lan­gen, sta­che­li­gen Trie­ben. Jahr für Jahr beschenkt er uns im Juni mit Dut­zen­den von wohl­rie­chen­den, spek­ta­ku­lä­ren Blü­ten, die sich zu spä­ter Abend­stun­de öff­nen, um andern­tags zu ver­wel­ken. Ein Blü­ten­wun­der für eine ein­zi­ge Nacht!
Des Wei­te­ren dient das Treib­haus der Auf­zucht und Ver­meh­rung etli­cher Heil­pflan­zen. So gedeiht hier auch das Brut­blatt (Bryo­phyl­lum dai­gre­mon­tia­num), eine unse­rer ganz wich­ti­gen Heil­pflan­zen, die sowohl in der Frau­en­heil­kun­de als auch in der Neu­ro­lo­gie und der Psych­ia­trie ange­wandt wird.

Kon­trol­lier­te Wild­samm­lung

Nicht alle Pflan­zen las­sen sich so ohne wei­te­res in Kul­tur neh­men. So liebt der Wald­sauer­klee (Oxa­lis ace­to­sel­la) schat­ti­ge und leicht feuch­te Stand­or­te und ist, obwohl in unse­ren Wäl­dern weit ver­brei­tet, in Gar­ten­kul­tur äus­serst kapri­zi­ös. Ent­spre­chend ern­ten wir die­sen typi­schen Früh­lings­blü­her an aus­ge­such­ten Wald­stel­len, natür­lich nicht ohne Ein­wil­li­gung der zustän­di­gen Behör­de.
Über­haupt wer­den Wild­samm­lun­gen sorg­fäl­tig und mit gros­sem Respekt durch­ge­führt, schliess­lich tra­gen wir alle Ver­ant­wor­tung für unse­re Umwelt und ins­be­son­de­re für unse­re Sam­mel­stel­len.

Ein Bei­spiel: die Arni­ka-Ern­te

Ende Juni, Anfang Juli ist die Ern­te-Zeit der Arni­ka (Arni­ca mon­ta­na), der wohl bekann­tes­ten Heil­pflan­ze über­haupt. Auf über 1000 Metern Höhe wächst sie in den Voge­sen bevor­zugt auf mage­ren, sau­ren Böden, dem soge­nann­ten Nar­de­tum. Die­se inter­es­san­te Pflan­zen­ge­sell­schaft hat ihren Namen vom Borst­gras (Nardus stric­ta) erhal­ten und beher­bergt auch ande­re Heil­pflan­zen wie den Augen­trost (Euphra­sia sp.) oder den Gel­ben Enzi­an (Gen­tia­na lutea).
Unter opti­ma­len Bedin­gun­gen leuch­ten die Nar­de­tum-Wie­sen in Gelb. Umso wich­ti­ger ist es, dass die Ern­te der geschütz­ten Arni­ka von der fran­zö­si­schen Natur­schutz­be­hör­de streng regle­men­tiert und über­wacht wird. Sie gibt vor, wo und wie­viel von der hoch­ge­schätz­ten Pflan­ze geern­tet wer­den darf.
Doch spä­tes­tens mit der Ern­te wird man eins mit der Natur! Beson­ders ein­drück­lich ist der Son­nen­auf­gang; als gol­de­ne Schei­be steigt die Son­ne hin­ter den Ber­gen auf und taucht die Mat­ten in neu­es, kla­res Licht. Inter­es­san­ter­wei­se schau­en alle Arni­ka­b­lü­ten­köpf­chen zu die­ser Zeit gegen Osten, als woll­ten sie eigens die Son­ne begrüs­sen. Feld­ler­chen jubi­lie­ren in der Luft, Hum­meln brum­men noch schlaf­trun­ken über die blü­ten­rei­chen Wie­sen.
Sobald wir die benö­tig­te Men­ge an Arni­ka gesam­melt haben, fah­ren wir auf direk­tem Weg in die Kli­nik zurück. So kön­nen wir die gan­ze Kraft der fri­schen Pflan­zen in unse­re Heil­mit­tel ein­flies­sen las­sen, denn je mehr die Pflan­ze welkt, des­to mehr geht ein Stück ihrer Lebens­kraft ver­lo­ren. Zurück im Labor klingt noch eine Zeit lang der Zau­ber die­ses ein­ma­li­gen Ern­testand­orts nach.

Von den Alpen bis ans Mit­tel­meer

Pflan­zen aus dem Alpen­raum las­sen sich in unse­ren Tief­land­gär­ten eher schlecht als recht kul­ti­vie­ren. Des­halb ern­ten wir eini­ge Pflan­zen in ihrer ange­stamm­ten Hei­mat hoch in den Ber­gen in Nach­bar­schaft mit Mur­mel­tie­ren. Blau­er Eisen­hut (Aco­ni­tum napel­lus) oder Weis­ser Ger­mer (Ver­a­trum album) wach­sen in die­sen Höhen, und natür­lich wie­der­um der Gel­be Enzi­an, ein wich­ti­ges Bit­ter­mit­tel in unse­rem Heil­mit­tel­schatz.
Auch medi­ter­ra­ne Pflan­zen füh­len sich bei unse­ren kal­ten und nas­sen Win­tern nicht beson­ders wohl. Dar­um freut es uns ganz beson­ders, dass wir für eini­ge Heil­pflan­zen aus dem Mit­tel­meer­raum eine Stif­tung auf Elba gefun­den haben (Stif­tung Widar), die für uns Pflan­zen wie die nach Cur­ry rie­chen­de Ita­lie­ni­sche Stroh­blu­me (Helichry­sum ita­li­cum) oder auch die herz­wirk­sa­me Meer­zwie­bel (Scil­la mari­ti­ma) anbaut.
Auch son­nen­hung­ri­ge Ver­tre­ter aus der Fami­lie der Lip­pen­blüt­ler gedei­hen auf den licht­durch­flu­te­ten Anbau­ter­ras­sen bes­tens: Ros­ma­rin, Sal­bei sowie der inten­siv wür­zi­ge Kat­zen-Gaman­der (Teucri­um marum) haben dort ihre ursprüng­li­che Hei­mat.

Ern­ten im Jah­res­lauf

Für unse­re Heil­mit­tel ver­ar­bei­ten wir die ver­schie­dens­ten Tei­le der Pflan­zen gemäss dem anthro­po­so­phi­schen Men­schen­bild. Wur­zeln, wie die­je­ni­gen von Wall­wurz (Sym­phy­tum offi­ci­na­le) oder Gros­ser Klet­te (Lap­pa major), ern­ten wir im zei­ti­gen Früh­jahr, nach dem Ein­wir­ken der Win­ter­kräf­te, sobald Frost und Schnee die Erde wie­der frei­ge­ben.
Mit dem begin­nen­den Auf­stei­gen der Säf­te in den Bäu­men, erkenn­bar am Schwel­len der Knos­pen, erfolgt die Rin­den­ern­te, bei­spiels­wei­se bei Eiche (Quer­cus robur), Bir­ke (Betu­la pen­du­la) oder Ber­be­rit­ze (Ber­be­ris vul­ga­ris). Dabei wer­den sorg­sam dau­men­di­cke Zwei­ge geschnit­ten, gera­de in jenem Sta­di­um, wo die Rin­de noch frisch und unver­holzt ist.
Dann fol­gen die Früh­jahrs­blü­her, je nach Jahr mal etwas frü­her, mal spä­ter: Aus­dau­ern­des Bin­gel­kraut (Mer­cu­ria­lis peren­nis) und Schöll­kraut (Che­l­i­do­ni­um majus) oder der bereits erwähn­te Wald­sauer­klee.
Mit fort­schrei­ten­dem Jahr kom­men Löwen­zahn (Tara­xa­cum offi­ci­na­le), Brenn­nes­sel (Urti­ca dioi­ca) und der Spitz­we­ge­rich (Plant­ago lan­ceo­la­ta) dazu. Spä­ter im Jahr dann die leuch­tend oran­ge­nen Blü­ten der Rin­gel­blu­me (Calen­du­la offi­ci­na­lis), die wür­zig duf­ten­den Schaf­gar­ben oder das son­nen­gel­be Johan­nis­kraut (Hype­ri­cum per­fo­ra­tum).
Auch Früch­te ste­hen auf unse­rer Ern­te­lis­te, die sau­ren Ber­be­rit­zen­früch­te eben­so wie die meh­li­gen Weiss­dorn­bee­ren. Mit dem Sam­meln der maha­go­nib­rau­nen Kas­ta­ni­en­sa­men geht Anfang Okto­ber unser Ern­te­jahr zu Ende.
Inter­es­sant zu wis­sen ist auch, wie unter­schied­lich die benö­tig­ten Pflan­zen­ma­te­ria­li­en in ihrem Ern­te­vo­lu­men sein kön­nen. So brau­chen wir etwa von der Nuss­kern­haut (Juglans regia) weni­ge Gramm, wäh­rend wir für das Schle­hen­eli­xier bis zu einer Ton­ne Schle­hen­früch­te (Pru­nus spi­no­sa) ver­ar­bei­ten.

Sorg­fäl­ti­ge Ver­ar­bei­tung

Nach erfolg­ter Ern­te wer­den die Pflan­zen ver­le­sen, gerei­nigt und gemäss ihrer spä­te­ren Ver­wen­dung ver­ar­bei­tet. Das sind zum gröss­ten Teil Aus­zü­ge in Alko­hol in ver­schie­de­nen Wär­me­stu­fen wie ein Kalt­aus­zug (Mace­ra­tio) oder eine Aus­ko­chung (Decoc­tum).
Dane­ben set­zen wir aber auch spe­zi­el­le Her­stel­lungs­wei­sen ein wie rhyth­misch ver­go­re­ne Pflan­zen­säf­te nach Rudolf Hausch­ka oder Aus­zü­ge in Salz­was­ser (Sole). Zudem wer­den eini­ge Pflan­zen direkt nach deren Ern­te scho­nend getrock­net und danach wei­ter­ver­ar­bei­tet, ent­we­der zu Tee­mi­schun­gen oder zu Ölaus­zü­gen.

 

Fach­per­son

Dani­el Gen­ner

Kran­ken­pfle­ger AKP mit Fähig­keits­aus­weis
in anthro­po­so­phi­scher Kran­ken­pfle­ge,
Bota­nik­kur­se in Erwach­se­nen­bil­dung
Seit 2000 in der Heil­mit­tel­her­stel­lung der
Kli­nik Arle­sheim tätig. Sein Spe­zi­al­ge­biet sind die rhyth­mi­schen Her­stel­lungs­ver­fah­ren und die damit ver­bun­de­ne Doku­men­ta­ti­on mit­tels Steig­bild­me­tho­de.
Kon­takt hml@klinik-arlesheim.ch

 

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