Licht und Wärme schenken durch Pflegehandlungen

Die ers­ten Pfle­ge­kur­se in Arle­sheim gab es schon Ende der 20er Jah­re des letz­ten Jahr­hun­derts. Ita Weg­man bot ihren Kran­ken­schwes­tern, den heu­ti­gen Pfle­ge­fach­frau­en und -män­nern, eine Aus­bil­dung, mit der sie die von ihr kon­zi­pier­te Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin in der Pfle­ge umset­zen konn­ten. Wie eine sol­che spe­zia­li­sier­te Pfle­ge­aus­bil­dung heu­te gestal­tet ist, erfrag­te „Quinte“-Redaktorin Vere­na Jäsch­ke bei Chris­toph Mess­mer, Geschäfts­füh­rer von Soleo, der Aka­de­mie für Pfle­ge­be­ru­fe.

War­um gibt es Soleo?

Wer eine gute Pfle­ge machen will, braucht eine fun­dier­te Aus­bil­dung. Wir bei Soleo ermög­li­chen dies den Pfle­gen­den – und zwar zusätz­lich zur Grund­aus­bil­dung. Als Ita Weg­man die Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin ent­wi­ckelt hat, gab sie den Pfle­gen­den eine Men­ge zusätz­li­ches Rüst­zeug für ihre Arbeit mit. Die sich dar­aus ent­wi­ckeln­de Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge hat sich in den zurück­lie­gen­den hun­dert Jah­ren wei­ter­ent­wi­ckelt, und natür­lich braucht es einen Ort, an dem die­se Fähig­kei­ten oder Fer­tig­kei­ten ver­mit­telt wer­den kön­nen. Soleo soll die­ser Ort sein; ein Ort, an dem struk­tu­rier­te Aus­bil­dun­gen von hoher Qua­li­tät ange­bo­ten wer­den. Inso­fern ist es auch gut und wich­tig, dass der Ver­ein Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge in der Schweiz mit an Bord ist. Die Vor­stands­mit­glie­der Rebek­ka Lang, Moni­ka Lay­er und Ursa Neu­haus garan­tie­ren die fach­li­che Exper­ti­se und leis­ten dabei viel ehren­amt­li­che Arbeit. Der hohe Anspruch an die Aus­bil­dung zeigt sich zudem im Begriff „Aka­de­mie für Pfle­ge­be­ru­fe“.

War­um heisst die Insti­tu­ti­on Soleo?

Er bringt das zum Aus­druck, wor­um es geht: Im Latei­ni­schen bedeu­tet soleo „ich pfle­ge“. Für mich ist es vor allem ein schö­ner Name, mit sono­ren wohl­klin­gen­den Voka­len. Dar­in steckt auch Sol, die Son­ne, also etwas Lich­tes, Wär­men­des. Genau das soll Pfle­ge ja bewir­ken: Licht und Wär­me für den kran­ken Men­schen brin­gen. Die Wär­me­kräf­te sind ein zen­tra­les The­ra­pie­prin­zip der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin.

Wann spre­chen Sie von Anthro­po­so­phi­scher Pfle­ge?

Das in Wor­te zu fas­sen, ist gar nicht so ein­fach. Viel leich­ter wäre es, wenn dies jeder Mensch mal erle­ben könn­te. Für mich zeigt sich die Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge am stärks­ten durch die inne­re Hal­tung der Pfle­gen­den. Das beschrei­be ich am bes­ten mit einem Bei­spiel: Wenn eine Pfle­ge­fach­per­son die beson­de­re Hal­tung ver­in­ner­licht hat, dann wird sie jedes Mal, bevor sie das Zim­mer eines kran­ken Men­schen betritt, kurz inne­hal­ten, allen momen­ta­nen Bal­last abwer­fen und sich für einen Moment bewusst­ma­chen, war­um sie zu wem unter­wegs ist. Wenn Pfle­gen­de trotz aller Hek­tik im Spi­tal­all­tag die­sen Moment ergrei­fen und fül­len, ist das für mich ein pas­sen­des Bild für die Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge. Damit kommt für mich ein gros­ser Respekt vor dem Men­schen und sei­ner Wür­de zum Aus­druck. Wenn Pfle­gen­de sich auf ihren Weg machen, um ihre inne­re Hal­tung zuguns­ten der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zu leben, wenn das qua­si zu ihrer Beru­fung wird, macht das für mich die Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge aus.

Und dann gibt es noch Wickel und ande­re pfle­ge­ri­sche Anwen­dun­gen…

Genau – das ist natür­lich das Offen­sicht­li­che in der Anthro­po­so­phi­schen Pfle­ge, eben offen sicht­bar: Wickel und Auf­la­gen sowie Rhyth­mi­sche Ein­rei­bun­gen, von denen etli­che durch Ita Weg­man aus­ge­ar­bei­tet wur­den. Die­se soge­nann­ten Äus­se­ren Anwen­dun­gen gehö­ren eben­so zur Anthro­po­so­phi­schen Pfle­ge wie die oben beschrie­be­ne inne­re Hal­tung und das anthro­po­so­phi­sche Men­schen­bild. Das Wis­sen, dass der Mensch nicht nur aus einem Kör­per und allen­falls einer Psy­che besteht und dass das Leben nicht mit dem Tod endet, sind Aspek­te, die eine Dimen­si­on des Lebens öff­nen, die den Umgang im All­tag mit all sei­nen her­aus­for­dern­den The­men erleich­tern und sogar berei­chern.

Wenn die Tätig­keit des Pfle­gens von der empa­thi­schen und the­ra­peu­ti­schen Hal­tung der Pfle­ge­fach­per­son geprägt ist, kann die Bezie­hung zum Pati­en­ten dif­fe­ren­ziert und unter the­ra­peu­ti­schen Gesichts­punk­ten bewusst gestal­tet wer­den. Die­se Qua­li­tä­ten im Pfle­ge­pro­zess beschrei­ben die 12 pfle­ge­ri­schen Gesten1, die eben­falls zen­tral in unse­rer Aus­bil­dung sind.

Wie kann Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge ein­ge­setzt wer­den?

Sie unter­stützt ganz mar­kant den Hei­lungs­pro­zess und das Wohl­be­fin­den auf allen Ebe­nen. Vie­le Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sind unsi­cher, haben Angst. Dank einer ver­trau­ens­vol­len Bezie­hung kön­nen sich die kran­ken Men­schen getra­gen, wahr­ge­nom­men und geschätzt füh­len. Für mich hat das eine „Engels­qua­li­tät“. Und auch hier spielt wie­der die Hal­tung eine zen­tra­le Rol­le. Die­se ande­re Hal­tung wird von Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten bemerkt und geschätzt. Und dabei geht es nicht immer um den Zeit­fak­tor, der im heu­ti­gen Pfle­ge­all­tag zu gros­sen Belas­tun­gen und Ein­schrän­kun­gen führt. Mir ist bewusst, dass die Ansprü­che der Wirt­schaft­lich­keit und die enor­me und wei­ter zuneh­men­de Doku­men­ta­ti­ons­pflicht reich­lich Druck auf die Pfle­gen­den aus­üben. Aber es ist eine ande­re inne­re Qua­li­tät, die geschaf­fen wer­den kann.

Für wen sind die Kur­se bei Soleo kon­zi­piert?

Soleo ist die Aka­de­mie für Pfle­ge­be­ru­fe und kon­zi­piert die Kur­se pri­mär für diplo­mier­te Pfle­gen­de, Fach­an­ge­stell­te Gesund­heit (FaGe) und Pfle­ge­hil­fen resp. die Pfle­ge­as­sis­tenz. Man­che Modu­le wer­den auch von Heb­am­men sowie The­ra­peu­tin­nen und The­ra­peu­ten besucht. Zum Bei­spiel wer­den in der Cra­nio­sa­c­ral­the­ra­pie die Anwen­dun­gen oft mit Rhyth­mi­schen Ein­rei­bun­gen kom­bi­niert. Zudem haben wir ein paar Kur­se, die auch für pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge aus­ge­legt sind, zum Bei­spiel „Das Lebens­en­de“.
Die Teil­neh­men­den kom­men aus Akut­spi­tä­lern, aus Alters- und Pfle­ge­hei­men, aus spe­zia­li­sier­ten Kli­ni­ken. Zuneh­mend wer­den unse­re Kur­se auch durch Pfle­gen­de der Spitex besucht, deren Orga­ni­sa­tio­nen das Ange­bot erwei­tern wol­len.
Wir haben etwa 50 Pro­zent Teil­neh­men­de aus anthro­po­so­phi­schen Insti­tu­tio­nen. Gera­de exter­ne Teil­neh­men­de über­neh­men einen Gross­teil ihrer Kurs­kos­ten selbst. Mich freut beson­ders, wenn sol­che Pfle­gen­de für ihren Kurs in Vor­leis­tung tre­ten, dann das Gelern­te in ihrem Arbeits­be­reich anwen­den und damit auf­fal­len. Durch posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen der von ihnen behan­del­ten Men­schen wird auch ihr Arbeit­ge­ber dar­auf auf­merk­sam und über­nimmt dann zum Bei­spiel Kos­ten für Fol­ge­kur­se.

Was ist das Beson­de­re an die­sen Aus­bil­dun­gen?

Wir haben hoch­qua­li­fi­zier­te Dozen­tin­nen und Dozen­ten, die im Pfle­ge­all­tag ste­hen. Sie ver­mit­teln natür­lich auch Theo­rie, aber sie sind selbst höchst erfah­ren in der Pfle­ge und kön­nen dadurch die Inhal­te ganz pra­xis­nah und aus eige­nen Erfah­run­gen ver­mit­teln. Dadurch wer­den unse­re Kur­se „anfass­bar“ für die Teil­neh­men­den.

War­um soll­te eine Pfle­ge­fach­per­son einen Kurs bei Soleo besu­chen?

Wie schon mehr­fach erwähnt: Es geht um die Hal­tung zum Men­schen, der Pfle­ge braucht.
In den Soleo-Kur­sen lernt man, das Gegen­über bes­ser, ganz­heit­li­cher zu erfas­sen und zu ver­ste­hen, um so geziel­ter auf sei­ne Bedürf­nis­se ein­ge­hen zu kön­nen.
Bei der Pfle­ge von Men­schen mit Beein­träch­ti­gun­gen, die sich oft nicht klar mit­tei­len kön­nen, sind Wickel und/oder Ein­rei­bun­gen wert­vol­le Mit­tel, um einen tie­fe­ren Zugang zum Pati­en­ten errei­chen zu kön­nen. Er wird dadurch ruhi­ger und kann sich bes­ser ent­span­nen, was auch die Selbst­hei­lungs­kräf­te för­dert. Es braucht im Pfle­ge­be­ruf zudem viel per­sön­li­che Ent­wick­lung um die Fra­gen: „Wie wer­de ich wahr­ge­nom­men, und wie wir­ke ich?“. So trai­nie­ren wir bei­spiels­wei­se Ein­rei­bun­gen immer in Drei­er­grup­pen: Eine Per­son reibt ein, eine zwei­te wird ein­ge­rie­ben, und die drit­te beob­ach­tet und beschreibt, was sie sieht, wel­che Stim­mung ent­steht.

Wie lässt sich die­se Stim­mung beschrei­ben?

Ich habe schon oft Ein­rei­bun­gen erlebt, auch in Schu­lungs­si­tua­tio­nen. Was mich dabei immer wie­der begeis­tert hat: Wenn der abso­lu­te Fokus auf dem ein­zu­rei­ben­den Men­schen liegt, also alles rund­her­um aus­ge­blen­det wird, dann ent­steht da wie ein hei­li­ger Moment.
Da geht ein Raum auf, und ich mer­ke, da ist eine Qua­li­tät, eine Begeg­nungs­qua­li­tät, ein „Von mir zu dir“. Und so etwas ler­nen unse­re Kurs­teil­neh­men­den schon in den Modu­len der Stu­fe 1. Denn auf die­se Hal­tung kommt es mei­ner Mei­nung nach an. Und dafür gibt Soleo in den Kur­sen vie­le Impul­se.

Die Soleo Aka­de­mie für Pfle­ge­be­ru­fe wird von der Kli­nik Arle­sheim, von APIS (Ver­band Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge in der Schweiz) und dem För­der­ver­ein Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin getra­gen. Unter dem Stich­wort «Ganz­heit­lich pfle­gen ler­nen» bie­tet Soleo eine Viel­zahl von Modu­len an.

Finan­ziert wird die Pfle­ge­aka­de­mie durch die Kurs­kos­ten sowie durch Bei­trä­ge der Kli­nik Arle­sheim und des För­der­ver­eins.

Soleo arbei­tet nicht kos­ten­de­ckend. Eine Unter­stüt­zung der Pfle­ge­aus­bil­dung ist stets will­kom­men:

IBAN CH90 0900 0000 8004 0372 6,
För­der­ver­ein Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin,
8805 Rich­ters­wil, Ver­merk: Quinte/Pflegefonds

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: soleo-akademie.ch

 

Fach­per­son Chris­toph Mess­mer
Seit 2007 Geschäfts­füh­rer För­der­ver­ein
Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin.
Ehe­mals Trä­ger­ver­ein Para­cel­sus-Spi­tal.
Seit 2015 Geschäfts­füh­rer der Soleo Aka­de­mie für Pfle­ge­be­ru­fe.
Kon­takt ch.messmer@foerderverein-anthromedizin.chneurologie@klinik-arlesheim.ch

 

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.