Leben ist Bewegung – Bewegung ist Leben !“

Der Autor die­ser Aus­sa­ge ist mir nicht bekannt. Der Spruch ist jedoch längst schon zu einem geflü­gel­ten Wort gewor­den. Als Ortho­pä­de erle­be ich in mei­ner Tätig­keit diver­se Phä­no­me­ne um das The­ma Bewe­gung. Vie­le Pati­en­ten kom­men mit star­ken Schmer­zen in mei­ne Pra­xis.
Oft zeigt sich man­geln­de Bewe­gung als eine der Ursa­chen. Die Schmer­zen schrän­ken die Beweg­lich­keit wei­ter ein. Die ein­ge­schränk­te Bewe­gungs­fä­hig­keit ver­ur­sacht wei­te­re Schmer­zen. Hier schliesst sich ein Teu­fels­kreis. Bewe­gung ist dann sowohl Mit­tel als auch Ziel der The­ra­pie. Sobald die Schmer­zen im Ver­lauf der Behand­lung nach­las­sen, wird pro­gres­siv die Bewe­gungs­the­ra­pie ange­lei­tet.

In mei­nem Medi­zin­stu­di­um hör­te ich über Bewe­gung nur etwas in der Phy­sio­lo­gie und unter dem kalo­ri­en­ver­bren­nen­den Aspekt in der Bio­che­mie. Auch gehört in den meis­ten euro­päi­schen Län­dern der Sport­un­ter­richt nicht zum Medi­zin­stu­di­um. Selbst in der Aus­bil­dung in Spe­zi­al­ge­bie­ten wie der Ortho­pä­die und Päd­ia­trie wer­den im All­ge­mei­nen die Haltungs­störungen ange­gan­gen, nicht aber Details der Behand­lungs- und Vor­beu­gungs­mass­na­men.

Die Pati­en­ten wen­den sich meis­tens an mich wegen Schmer­zen am Bewe­gungs­ap­pa­rat und damit ver­bun­de­nen Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen. Mein Anlie­gen als ortho­pä­di­scher Chir­urg ist es, mei­nen Pati­en­ten dabei zu hel­fen, dass sie die Mög­lich­keit wie­der­ge­win­nen, sich schmerz­frei zu bewe­gen. Chir­urg sein heisst dabei nicht, dass in ers­ter Linie die Chir­ur­gie Anwen­dung fin­det. Aus mei­ner Sicht ist sie das „letz­te“ Mit­tel im Behand­lungs­kon­zept. Nur aus­nahms­wei­se fin­det ein Ope­ra­ti­ons­vor­schlag schon bei der ers­ten Kon­sul­ta­ti­on statt.

Dia­gno­se und Behand­lung

Detail­lier­te The­ra­pie­kon­zep­te kann ich an die­ser Stel­le nicht beschrei­ben. Denn die jewei­li­ge Behand­lung ist immer auf den ein­zel­nen Pati­en­ten abge­stimmt. Aber ich möch­te doch auf die gro­ben Lini­en von Dia­gno­se und Behand­lung hin­wei­sen.

Zur Dia­gno­se­stel­lung gehö­ren selbst­ver­ständ­lich die Befra­gung (Ana­mne­se) und die phy­si­ka­li­sche Unter­su­chung. Dabei beob­ach­te ich den Pati­en­ten, tas­te und unter­su­che die Funk­ti­on des Bewegungsappa­rates, bestim­me des­sen phy­sio­lo­gi­sche (nor­ma­le) und patho­lo­gi­sche (anor­ma­le) Beweg­lich­keit. Als Zusatz­unter­suchungen kom­men bild­ge­ben­de Ver­fah­ren zur Anwen­dung wie kon­ven­tio­nel­le Radio­lo­gie, Magnet­re­so­nanz, com­pu­te­ri­sier­te Tomo­gra­phie (CT) oder Nukle­ar­me­di­zin.

Ist die Dia­gno­se gestellt, über­le­ge ich eine Behand­lungs­stra­te­gie. Ich bespre­che mit dem Pati­en­ten das Behand­lungs­kon­zept, das auf ihn abge­stimmt sein muss. Denn sei­ne Mit­ar­beit ist nötig. Das Arse­nal der ortho­pä­di­schen Behand­lungs­me­tho­den ist gross. Im All­ge­mei­nen jedoch kann man es in zwei gros­se Grup­pen unter­tei­len: kon­ser­va­ti­ve und ope­ra­ti­ve Metho­den.

Als mei­ne Auf­ga­be sehe ich es zunächst, die Schmer­zen des Pati­en­ten zu lin­dern und anschlies­send die Funk­ti­on durch Bewe­gung mit ent­spre­chen­den Übun­gen wie­der auf­zu­bau­en. Die Übun­gen sind dem Alter und den per­sön­li­chen Mög­lich­kei­ten des Pati­en­ten ange­passt. Ein Sport­ler übt anders als eine älte­re Per­son mit bestä­tig­ter Arthro­se.

Metho­den­viel­falt

Zu den kon­ser­va­ti­ven Metho­den gehö­ren die Anwen­dung von ent­zün­dungs­hem­men­den Arz­nei­mit­teln, das Anpas­sen von Schie­nen und Stütz­ban­da­gen, Schuh­einlagen, die Ver­schrei­bung von knor­pel­auf­bau­en­den Mit­teln oder die intra­ar­ti­ku­lä­re Vis­co­sup­ple­men­ta­ti­on, bei der eine Ersatz-Gelenks­flüs­sig­keit (Hyaluron­säu­re) ins Gelenk ver­ab­reicht wird. Auch Instruk­tio­nen zu Selbst­übun­gen und / oder die Ver­schrei­bung von Phy­sio­the­ra­pie sind Teil des Behand­lungs­kon­zepts. Aus mei­ner Sicht soll­te die „Krö­nung“ der Phy­sio­the­ra­pie die voll­stän­di­ge akti­ve Beweg­lich­keit eines Gelen­kes gege­be­nen­falls auch gegen Wider­stand sein !

Zu den chir­ur­gi­schen Mass­nah­men gehö­ren diver­se Ver­fah­ren, die grund­sätz­lich in die bei­den Grup­pen der gelen­ker­hal­ten­den und der gelen­ker­set­zen­den Ope­ra­tio­nen unter­teilt wer­den. Wie schon der Name aus­drückt: Bei den gelen­ker­hal­ten­den Ver­fah­ren wird das Gelenk erhal­ten. Es wer­den diver­se chir­ur­gi­sche Hand­lun­gen vor­ge­nom­men, um die Funk­ti­on – also die Beweg­lich­keit – des Gelenks zu ver­bes­sern und sei­ne Lebens­dau­er zu ver­län­gern. Soll­ten die Gelenkober­flächen weit­ge­hend abge­nutzt sein und auf konser­vative Behand­lung nicht mehr anspre­chen, dann ist ein Ersatz des betrof­fe­nen Gelenks mit einer Endopro­these ange­zeigt.

Sowohl bei der gelen­ker­hal­ten­den als auch bei der gelen­ker­set­zen­den Chir­ur­gie ist die Nach­be­hand­lung von gröss­ter Bedeu­tung. Sie besteht in den meis­ten Fäl­len dar­in, dass bereits am Ope­ra­ti­ons­tag Bewe­gun­gen ange­regt wer­den, sei­en es pas­si­ve, akti­ve oder aktiv assis­tier­te. Die Belas­tung muss je nach durch­ge­führ­ter Ope­ra­ti­on jeweils indi­vi­du­ell ange­passt wer­den. In der anschlies­sen­den Reha­bi­li­ta­ti­ons­pha­se geht es dar­um, die Gelenk­be­weg­lich­keit wie­der zu erlan­gen und Mus­kel­kraft zu gewin­nen, zunächst unter phy­sio­the­ra­peu­ti­scher Auf­sicht und dann selb­stän­dig.

Schlech­te Hal­tung und ihre Fol­gen

Oft habe ich in mei­ner Pra­xis mit der so genann­ten mus­ku­lä­ren Dys­ba­lan­ce auch bei Kin­dern zu tun. Die­se kann Ursa­che sein zum Bei­spiel für Schmer­zen von Rücken und Nacken, im vor­de­ren Knie und Vor­fuss, von Fer­sen und Achil­les­seh­ne. Ein wich­ti­ges Ele­ment die­ser Dys­ba­lan­ce ist die Ver­kür­zung der Ischio­krural­mus­ku­la­tur (der hin­te­ren Ober­schen­kel­mus­ku­la­tur, eng­lisch Ham­strings). Wis­sen­schaft­li­che Metho­den haben bewie­sen, dass die Ver­kür­zung die­ser Mus­kel­grup­pe eine Erhö­hung des Drucks am Vor­fuss ver­ur­sacht und zudem eine Becken­kip­pung nach hin­ten mit damit ver­bun­de­ner fal­scher Sta­tik der Wir­bel­säu­le. Um die­sem Phä­no­men ent­ge­gen­zu­wir­ken, ist aus mei­ner Sicht eine adäqua­te Schul­gym­nas­tik von äus­sers­ter Bedeu­tung.

Aber auch spä­ter kann die­se Situa­ti­on beim Erwach­se­nen durch kon­se­quen­tes Trai­nie­ren wesent­lich ver­bes­sert wer­den. Einen gros­sen Bei­trag zur Deh­nung der ver­kürz­ten hin­te­ren Ober­schen­kel­mus­ku­la­tur und Ver­bes­se­rung der Rücken­sta­tik leis­ten die MBT-Schu­he („Masai Bar­fuss Tech­no­lo­gie“), die jedoch indi­vi­du­ell ver­schrie­ben und instru­iert wer­den sol­len. Zudem muss ein Auf­bau der Rücken­mus­ku­la­tur statt­fin­den, denn „ein star­ker Rücken kennt kei­ne Schmer­zen“ (Kie­ser).

Schmer­zen ent­ge­gen­wir­ken

Der häu­figs­te Grund für den Besuch in mei­ner Sprech­stun­de sind bei den älte­ren Pati­en­ten Schmer­zen bei Arthro­se (Ver­schleiss), d.  h. Abnüt­zung des Knor­pels und damit ver­bun­de­ne Ver­for­mung des dar­un­ter lie­gen­den Kno­chens. Eine der wich­tigs­ten Behand­lungs­mass­nah­men vor allem im frü­hen Sta­di­um ist Bewe­gung ohne oder mit einer mäs­si­gen Belas­tung. Das kann auf dem Home­trai­ner sein und eben­so in Form von Bewe­gun­gen im Was­ser oder akti­ven Bewe­gun­gen im Lie­gen erfol­gen. In mei­ner Pra­xis konn­te ich die bes­ten Resul­ta­te erzie­len bei gleich­zei­ti­ger Anwen­dung von knor­pel­auf­bau­en­den Mit­teln und der Vis­ko­sup­ple­men­ta­ti­on, d.  h. dem Ersatz von kran­ker und ver­brauch­ter Gelenk­schmie­re. Nicht ver­ges­sen möch­te ich zu erwäh­nen, dass Bewe­gung auch ein wich­ti­ges Ele­ment bei der Vor­beu­gung und Behand­lung der Osteo­porose (Kno­chen­schwund) ist.

Mit Freu­de begrüs­se ich die Eröff­nung des Medi­zi­ni­schen Trai­nings­zen­trums „Siri­us“ in Arle­sheim und hof­fe, dass es wesent­lich zum bewuss­te­ren, kör­per­ge­rech­te­ren und heil­sa­men Bewe­gen bei­tra­gen wird.

Völ­ker ohne Sport
sind trau­ri­ge Völ­ker.
byzan­ti­ni­sches Sprich­wort

Autoren97

Fach­per­son Dr. med. Sta­nis­law For­tu­na
Arbeits­schwer­punk­te FMH ortho­pä­di­sche Chir­ur­gie
Gebo­ren 1958 in Dan­zig (PL);
Diplom als Sport­in­struk­tor Sport­aka­de­mie Dan­zig 1978, Medi­zin­stu­di­um in Dan­zig und Hom­burg (D), Studien­abschluss und Appro­ba­ti­on 1986 (Saar­land);
Uni­ver­si­tä­res Diplom: Trau­ma­to­lo­gie des Bewegungs­apparates 1987 Stras­bourg (F); Schwei­ze­ri­sches Staats­di­plom Uni­ver­si­tät Lau­sanne 1998, Dis­ser­ta­ti­on Uni­ver­si­tät Lau­sanne 2000; Assis­tenz­arzt / Ober­arzt in verschie­denen Kli­ni­ken.
Seit 2002 in Pri­vat­pra­xis in Dor­n­ach mit beleg­ärzt­li­cher Tätig­keit im öffent­li­chen Spi­tal in Dor­n­ach und in der Birs­hof­kli­nik in Mün­chen­stein.
Kon­takt Klos­ter­gas­se 23
4143 Dor­n­ach
Tel. 061 701 35 24
E-Mail: sfortuna@bluewin.ch

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