Landwirtschaft orientiert sich am Menschen

Er ist nicht leicht zu fin­den, der Rie­de­ren­hof in Buus.
Auf klei­nen Sträss­chen ent­fer­ne ich mich lang­sam vom Dorf, tau­che ein in den land­wirt­schaft­lich genutz­ten Raum, höher gele­gen als das Dorf selbst.
Ein Hahn begrüsst mich am Hof, stolz steht er auf einer Art Podest. Die Hof­kat­ze geniesst die ers­ten Son­nen­strah­len nach den Regen­ta­gen. Hier leben Anne­ma­rie und Arnim Goll, die seit 27 Jah­ren gemein­sam den Hof bio­lo­gisch-dyna­misch bewirt­schaf­ten. Sie neh­men sich an die­sem Mor­gen die Zeit, um gedul­dig mei­ne Fra­gen zu beant­wor­ten.

Was ist das Beson­de­re am Deme­ter-Land­bau?

Das Wich­tigs­te ist uns, dass sich Pflan­zen und Tie­re auf unse­rem Hof so ent­wi­ckeln und aus­for­men kön­nen, wie es ihrem Wesen ent­spricht. Dafür wol­len wir ihnen die Vor­aus­set­zun­gen schaf­fen. Wir müs­sen sehr wach sein, um die jewei­li­gen Bedürf­nis­se von Pflan­zen und Tie­ren wahr­zu­neh­men und dar­auf ent­spre­chend zu reagie­ren. Wir gehen von bei­den ­Sei­ten aus: vom Boden und vom Tier. Jede Tier­art ist spe­zia­li­siert. Der Hund zum Bei­spiel lebt mit Luft und Duft, ist ganz Geruchs­sinn, Atmung, Bewe­gung. Die Kuh ist ganz Ver­dau­ung. Sie fühlt sich wohl, wenn sie fres­sen, ver­dau­en, wie­der­käu­en kann. Das Beson­de­re bei der Kuh ist doch, dass sie im Wie­der­käu­en die ver­schie­de­nen Pflan­zen, die Aro­men noch ein­mal erfah­ren kann. Das Bei­sam­men­sein in der Her­de ist eben­so wich­tig. Und das Horn der Kuh ist nicht Kampf­or­gan, son­dern Aus­druck der Ver­dau­ungs­kräf­te. Des­halb ist es für uns auch selbst­ver­ständ­lich, dass die Kühe ihre Hör­ner behal­ten. Es ent­wi­ckelt sich sogar eine her­den­ty­pi­sche Horn­form durch den eige­nen Hof­organismus, durch das Fut­ter vom eige­nen Hof. Und Frau Goll ergänzt: Die Bezie­hung zum Men­schen ist für die Kuh wich­tig. Sie ist wirk­lich ein Haus­tier und gewöhnt sich an betreu­en­de Men­schen. Wenn der Stier nicht will, habe ich kei­ne Chan­ce. Kommt mein Mann, wird er „lamm­fromm“. Die Kuh lebt ganz im Rhyth­mi­schen. Wenn wir die Melk- und Füt­ter­zei­ten ein­hal­ten, dann ist es ihr wohl. Sie mag kei­nen Wech­sel.

Und wie ist das mit dem Boden?

Den Boden wesens­ge­mäss zu pfle­gen ist das Schwie­rigs­te. Stand­ort und ent­spre­chen­des Kli­ma sowie das Mut­ter­ge­stein sind vor­ge­ge­ben. Das berück­sich­ti­gen wir natür­lich. Wir ­wer­den nicht ver­su­chen, hier Man­go anzu­bau­en, nur weil wir dafür Abneh­mer hät­ten. Der Boden hat zwei Funk­tio­nen. Er ist zum einen Mut­ter­schoss für die Pflan­ze, die im beleb­ten Boden gedei­hen kann. Und er ist Trä­ger des Geis­ti­gen. Der Boden kann über den Kie­sel­ge­halt Kräf­te des Kos­mos ­auf­neh­men. Wir pfle­gen den Boden so, dass sei­ne Gestal­tungs­kräf­te über die Pflan­ze für den Men­schen und des­sen Form­kräf­te nutz­bar wer­den. So zieht sich das wie ein roter Faden durch den gesam­ten Anbau­pro­zess, damit die Ernäh­rung för­der­lich und gedeih­lich für den Men­schen ist und nicht nur magen­fül­lend. Wir neh­men den Men­schen als Grund­la­ge in der Land­wirt­schaft.

Dün­gen Sie auch?

Ja, wir haben Mist und Jau­che. Den Mist kom­pos­tie­ren wir an den Feld­mie­ten, damit er durch das Ver­rot­ten einen „Ver­dau­ungs­pro­zess“ durch­läuft. Zusätz­lich set­zen wir die sechs bio-dyna­mi­schen Kom­post­prä­pa­ra­te zu, wel­che schliess­lich die Emp­find­sam­keit des Bodens gegen­über dem Kos­mi­schen för­dert. Auch in der Jau­che oder im Gar­ten­kom­post wen­den wir die­se Prä­pa­ra­te an. Es braucht nicht viel, auf eine ca. 5 m lan­ge Kom­post­mie­te kommt jeweils ein Kaf­fee­löf­fel von fünf ver­schie­de­nen Prä­pa­ra­ten, wie zum Bei­spiel das Brenn­nesselpräparat, das aus­glei­chend wirkt in Bezug auf die Stick­stoff­pro­zes­se im Boden. Mit dem Mist­kom­post bele­ben wir vor allem den Boden, mit der Jau­che regen wir eher direkt das Pflan­zen­wachs­tum an.

Wie ent­spre­chen Sie dem Wesen der Pflan­ze?

Wich­tig ist, dass sich die Pflan­zen ihrer Form ent­sprechend aus­bil­den kön­nen. Der Boden als Grund­la­ge für die Pflan­zen hat zunächst sei­ne eige­ne Qua­li­tät. Zum gesun­den Pflan­zen­an­bau gehört die ent­spre­chen­de Stand­ort­wahl. Bei der Aus­saat und Pfle­ge berück­sich­ti­gen wir die vier Pflan­zen­ty­pen — Wur­zel, Blatt, Blü­te und Frucht. Zum Bei­spiel das Getrei­de als Frucht­pflan­ze: es soll nicht so nied­rig wach­sen, dass das Korn halb im Blatt­be­reich
ste­cken bleibt. Das Getrei­de will in die Höhe wach­sen und in Wär­me, Luft und Licht aus­rei­fen kön­nen. Wir
ach­ten dar­auf, dass es dazu die Mög­lich­keit hat. Die ­Pflan­ze wächst im Span­nungs­feld zwi­schen Erde und Kos­mos: Die Wur­zel ist auf den Erd­mit­tel­punkt aus­ge­rich­tet. Blatt und Blü­te rich­ten sich vor­der­grün­dig auf den Son­nen­lauf. Zwei Spritz­prä­pa­ra­te kön­nen die Pflan­zen in die­sen
Pola­ri­tä­ten unter­stüt­zen, das Horn-Mist- und Horn-Kie­sel­-Prä­pa­rat.

Wie stel­len Sie das Horn-Mist-Prä­pa­rat her, und wie ver­wen­den Sie es?

Für die­ses Prä­pa­rat wird ein Kuh­horn mit Mist gefüllt. Bei der Über­win­te­rung im Boden ver­än­dert sich der Mist enorm. Es ent­steht eine wohl­rie­chen­de erdi­ge Sub­stanz mit einer plas­ti­schen kol­lo­dia­len Struk­tur. Eine gute Hand­voll geben wir davon auf 10 Liter Was­ser, und das rüh­ren wir eine Stun­de. Unser Rühr­fass ent­hält rund 120 Liter. Wir ver­su­chen, dabei sehr tie­fe Wir­bel zu errei­chen, Spi­ral-Urbe­we­gun­gen. Sobald die ­Spi­ra­le tief ist, ändern wir die Rich­tung. Bei jedem Wech­sel zwi­schen links und rechts dre­hen ent­steht Cha­os. Nach der Dyna­mi­sie­rung fühlt sich das Was­ser sehr weich an. Es ver­än­dert sei­ne Qua­li­tät. Im Früh­ling sprit­zen wir das Horn-Mist-Prä­­pa­rat auf die gesam­te Hof­flä­che, eben­so bei Aus­saa­ten und Pflan­zun­gen. Es för­dert die Auf- und Abbau­pro­zes­se im Boden und die Bewurzel­ung der Pflan­zen. Wenn es extrem son­nig und tro­cken ist, ­sprit­zen wir Horn-Mist – zur Anre­gung der irdisch-feuch­ten Pro­zes­se.

Wofür braucht es das ande­re Prä­pa­rat?

Das Kie­sel­prä­pa­rat ist für die Rei­fe­pro­zes­se und die Zucker- und Aro­ma­bil­dung sehr wich­tig. Zu Staub ­ver­mah­le­ner Berg­kris­tall lagert in einem Kuh­horn über den Som­mer in der Erde. Vor dem Aus­sprit­zen wird wenig davon (eine Mes­ser­spit­ze auf 10 Liter Was­ser) eben­falls eine Stun­de lang gerührt. In fei­ner Dosie­rung im ­Luft­raum ver­ne­belt, för­dert das Prä­pa­rat die Wirksam­keit der Son­nen­kräf­te auf die Pflan­ze. Wenn es län­ge­re Zeit düs­ter ist, reg­ne­risch, dann sprit­zen wir öfter Horn-­Kie­sel. So kön­nen wir das Pil­zi­ge zurück­drän­gen. Pil­ze brau­chen ja das wäss­ri­ge Milieu. Bei der Kar­tof­fel kön­nen wir mit dem Horn-Kie­sel meist ­erfolg­reich die Pilz­bil­dung (die Kraut­fäu­le) zurück­drän­gen, indem wir ein Son­nen­mi­lieu auf dem Hof schaf­fen. Das Kie­sel­prä­pa­rat machen wir immer in einem Horn von eige­nen Kühen.

Sie spre­chen von Hof­in­di­vi­dua­li­tät. Was heisst das?

Den gesam­ten Hof ver­ste­hen wir als Orga­nis­mus, eine Ein­heit, ver­gleich­bar einem mensch­li­chen Orga­nis­mus. Die­sen Orga­nis­mus pfle­gen und gestal­ten wir als Bau­ern. Der­zeit leben auf unse­rem Hof nebst uns ein Lehr­ling der Fach­aus­bil­dung für bio­lo­gisch-dyna­mi­sche Land­wirt­schaft und zwei zu betreu­en­de Men­schen. Zur Vieh­hal­tung gehö­ren 11 Kühe und ein Stier, die gemein­sam auf der Wei­de sind. Die Kühe kom­men zur­zeit nur zum Mel­ken in den Stall, sie dür­fen auch nachts auf der Wei­de sein. Die vier Jung­rin­der sind jetzt auf der Alp. Aus­ser­dem gehö­ren drei Zie­gen und 30 Hüh­ner zum Hof – und natür­lich Timi, der Hof­hund, und die fünf ­Kat­zen. Wir hat­ten auch meist drei oder vier Bie­nen­völ­ker. Ich hof­fe, dass wir bald unse­ren Hof wie­der mit einem Bienen­volk ergän­zen kön­nen. Auf dem Acker bau­en wir 2 ha Brot­getreide, etwas Kar­tof­feln, Lager­ge­mü­se und Futter­rüben an. Auf den Wie­sen wächst das Fut­ter, das unse­re Tie­re brau­chen. Wir haben auch nur so vie­le Tie­re auf dem Hof, wie wir ernäh­ren kön­nen. Mit dem Mist der eige­nen Tie­re bele­ben und dün­gen wir jeweils den Boden. Das Gan­ze ergibt einen Kreis­lauf, der zum Stand­ort und zum Kli­ma passt. Der Boden muss sich nicht an irgend­ei­nen Dün­ger gewöh­nen, statt­dessen erhält er die Nähr­stof­fe, die er braucht.

Die Deme­ter-Land­wirt­schaft berück­sich­tigt die kos­mi­schen Ein­flüs­se. Was bedeu­tet das?

Bei der Aus­saat berück­sich­ti­gen wir nach Mög­lich­keit bestimm­te Tage, zum Bei­spiel auch nach dem Maria-Thun-Kalen­der. Die­ser beach­tet die Kon­stel­la­tio­nen des Mon­des und ande­rer Pla­ne­ten. Das betrifft mehr das Leben­dig-Wäss­ri­ge. Aber für uns ist der Zeit­punkt ent­spre­chend Boden­beschaffenheit und Wet­ter prio­ri­tär. Wir berück­sich­ti­gen auch die Son­nen­kräf­te, den Luft-Wär­me-Bereich. Heu­te zum Bei­spiel ist ein „Frucht­tag“, da kie­seln wir das Getrei­de. Das ist gut für die Aro­ma­aus­bil­dung.

Für gesun­des Gemü­se braucht es gesun­de Pflan­zen. Woher bezie­hen Sie das Saat­gut?

Frü­her haben wir es noch selbst gezo­gen. Jetzt bezie­hen
wir es haupt­säch­lich über die Sati­va Rhein­au. Wir haben ­Ver­trau­en in deren gesun­des Saat­gut. Es ist min­des­tens ­bio­lo­gisch gezo­gen. Für unse­ren Hof neh­men wir kei­ne Hybrid­pflan­zen.
Wir füt­tern auch nur im Win­ter nach dem Kal­ben etwas Kraft­fut­ter. Die Mine­ral­stof­fe für die Kühe und auch das Deme­ter-Hüh­ner­fut­ter kau­fen wir zu. Wenn wir mer­ken, es stimmt etwas nicht, dann kau­fen wir etwas Fut­ter zu, um evtl. Man­gel­er­schei­nun­gen ent­ge­gen zu wir­ken.

Wel­che Ver­triebs­mög­lich­kei­ten haben Sie?

Die Deme­ter-Bau­ern sind ver­netzt, aber in der Nord­west­schweiz sind wir eher Ein­zel­kämp­fer. Es gibt kei­nen ­­regio­na­len Deme­ter-Händ­ler. Ande­re Regio­nen sind da ­bes­ser organisiert.Wir haben aber hier in der Nähe einen sehr guten Milch­ver­ar­bei­ter, einen Deme­ter-Bau­ern, der unse­re Milch zu Deme­ter-Pro­duk­ten ver­ar­bei­tet. Uns nimmt ein Reform­haus Milch und Milch­pro­duk­te sowie Getrei­de, Eier und Gemü­se ab. Ein ande­res Reform­haus ver­kauft unse­ren Quark. Einen Wochen­markt belie­fern wir mit Gemü­se und Obst. Zudem haben wir eini­ge Pri­vat­kun­den.

Auch auf Ihrem Hof gibt es Unkraut und Pflan­zen­schäd­lin­ge. Wie „bekämp­fen“ Sie die­se?

Man muss Schäd­lin­ge auch aus­hal­ten kön­nen. Wir leben mit ihnen. Lan­ge Zeit haben wir die Kartoffel­käfer ­abge­le­sen. Jetzt nut­zen wir ein bio­lo­gi­sches Mit­tel. ­Manch­mal wur­de der Schäd­lings­druck zu gross. Auch die Schne­cken lesen wir ab. Oder wir bie­ten ihnen am Feld­rand eine Ablenk­füt­te­rung. Es braucht ins­ge­samt sehr viel Auf­merk­sam­keit.

Wir arbei­ten milieu­schaf­fend. Die viel­sei­ti­ge Land­schaft ­nut­zen wir, ohne ihr etwas auf­zwin­gen zu wol­len. Das unter­stützt den gesun­den Kreis­lauf des Hofs. Die Nütz­lin­ge und Schäd­lin­ge regu­lie­ren sich zu einem gros­sen Teil selbst.
Ein wei­te­res Mit­tel ist die Ver­äschung. Die wirkt dem Lebens­prozess ent­ge­gen. Dabei wer­den zum Bei­spiel Pflanzen­samen oder das Fell von Säu­ge­tie­ren ver­brannt und die Asche unter bestimm­ten Kon­stel­la­tio­nen wie­der aus­ge­streut. Das ist etwas sehr Ratio­nel­les, das auch noch mehr ent­wi­ckelt ­wer­den muss. Vor allem braucht dies mehr Kon­se­quenz in der Umset­zung. Selbst bei bio­lo­gi­schen Prä­pa­ra­ten wird eine gewis­se Ein­sei­tig­keit pro­vo­ziert, und doch ist der Ein­satz sol­cher Prä­pa­ra­te manch­mal nötig, weil es nur „mit Har­mo­nie“ auch nicht mach­bar ist.

Vie­len Dank für das Gespräch!

Autoren59

Fach­per­son Anne­ma­rie und Arnim Goll
Arbeits­schwer­punk­te sind Päch­ter auf dem Rie­de­ren­hof, der der Stif­tung Edith Maryon gehört. Im nächs­ten Som­mer,
nach vier­mal sie­ben Jah­ren,
wer­den sie den Hof in jün­ge­re Hän­de über­ge­ben.
Kon­takt a.goll@bluewin.ch

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