Krebs ist eine systemische Krankheit

Auch wenn der Krebs phy­sisch loka­li­siert wer­den kann, ist er kei­ne loka­le Krank­heit, son­dern greift in das gesam­te Sys­tem des Men­schen ein. Auch die schul­me­di­zi­ni­sche For­schung akzep­tiert heu­te, dass eine Krebs­er­kran­kung nicht nur eine krank­haf­te Ent­wick­lung der Zel­len ist.

Bei jedem Men­schen ent­ste­hen durch Ano­ma­li­en bei der Zell­tei­lung täg­lich meh­re­re hun­dert Zel­len, die eine Vor­stu­fe von Krebs­zel­len dar­stel­len. Die­se wer­den in einem gesun­den Orga­nis­mus vom Immun­sys­tem erkannt und besei­tigt, bei einem geschwäch­ten Immun­sys­tem kön­nen sie jedoch auf Dau­er zu einer Krebs­er­kran­kung füh­ren.

Die gesun­de Zel­le – eine sozia­le Ges­te
Eine Zel­le ist nur gesund, wenn sie dem gesam­ten Organis­mus dient. Ein Bei­spiel: Den Kör­per zu ent­gif­ten, ist die Haupt­auf­ga­be der Leber­zel­le. Nimmt der Mensch einen Stoff auf, der für die Gehirn­zel­len toxisch ist, dann erkennt die Leber die Gefahr und ver­nich­tet den Stoff, bevor er im Gehirn Scha­den anrich­ten kann. Wird die­se Leber­zel­le im Labor kul­ti­viert, also aus ihrem Zusam­men­hang geris­sen, dann erkennt sie nur noch die Stof­fe, die für sie selbst gif­tig sind. Sie wird „unso­zi­al“.
In die­ser Art kann man ver­su­chen, die Krebs­er­kran­kung zu ver­ste­hen. Sie ist eine Stö­rung des gesam­ten Gefü­ges, indem sich die Krebs­zel­le aus dem Gesamt­or­ga­nis­mus aus­glie­dert, indem sie „unso­zi­al“ wird. Zel­len leben immer zwi­schen Wachs­tum und Abster­ben. Die Tumor­zel­le sucht die Ver­ewi­gung, sie ist unsterb­lich.

Rhyth­mus ist ein Grund­prin­zip des sozia­len Ver­hal­tens der Zel­le
Eine Krebs­er­kran­kung geht immer ein­her mit einer gros­sen Rhyth­mus­stö­rung. Auf mikro­sko­pi­scher Ebe­ne sind zum Bei­spiel die Zell­tei­lung und die zel­lu­lä­re Atmung gestört. Auch ist die gesam­te Chro­no­bio­lo­gie des Men­schen beein­träch­tigt: sei­ne Ver­dau­ung, der Wär­me­haus­halt, die Atmung und eben­so die grös­se­ren Rhyth­men wie zum Bei­spiel der Schlaf. Die­se Ein­grif­fe in den mensch­li­chen Rhyth­mus gehen bis zu des­sen Bio­gra­phie. Als Arzt schaue ich des­halb mit dem Pati­en­ten beson­ders auf die­se viel­schich­ti­gen Rhyth­men, bis dahin, einen Sinn in der Erkran­kung für die gesam­te Bio­gra­phie zu fin­den. Krebs ist immer ein dra­ma­ti­scher Ein­schnitt. Das muss man in die Bio­gra­phie inte­grie­ren.

Krank­heit als Auf­ga­be
Immer mehr Pati­en­ten kön­nen ihre Krebs­er­kran­kung an­nehmen, ja sogar ver­dan­ken, weil sie es als eine Chan­ce
sehen, ihr Leben neu zu den­ken. In die­ser Art gelingt es ihnen eher, geheilt zu wer­den, wobei Hei­lung heisst, dass die Krank­heit ihre Auf­ga­be erfüllt hat. Es ist ein lan­ger und gewal­ti­ger Pro­zess, den Schritt zu schaf­fen, die Krank­heit als Chan­ce anzu­se­hen. Es ist wun­der­bar für mich als Arzt zu erle­ben, wenn der Pati­ent dahin kommt. Aber ich kann ihn auf die­sem Weg nur beglei­ten und unter­stüt­zen. Gehen muss ihn jeder Pati­ent selbst. Und er muss die­sen Weg auch wol­len, ich als Arzt for­de­re das nicht ein.

Autoren34

Dr. med. Cor­ra­do Ber­tot­to
Ober­arzt onko­lo­gi­sche Tages­kli­nik
Ita Weg­man Kli­nik

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