Körperrhythmen sichtbar machen

Seit eini­gen Jah­ren gibt es an der Ita Weg­man Kli­nik einen Bereich For­schung. Einer der Haupt­schwer­punk­te ist die Unter­su­chung ver­schie­dens­ter Rhyth­men. Dr. Dani­el Krüer­ke, Lei­ter der For­schung an der Ita Weg­man Kli­nik, berich­tet von der Unter­su­chung des Herz­rhyth­mus, einem der zen­tra­len The­men.

Um das Zusam­men­spiel unse­rer Orga­ne in Bezug auf die rhyth­mi­schen Tätig­kei­ten zu ver­ste­hen, kann das Bild eines „Orches­ters“ hilf­reich sein. Ähn­lich den dar­in betei­lig­ten In­strumenten schei­nen unse­re Orga­ne in ihrer Tätig­keit Bezü­ge auf­ein­an­der zu haben, als wür­den sie gemein­sam „Melo­di­en“ spie­len und im gesun­den Zustand ein har­mo­ni­sches Gesamt­ge­fü­ge mit einem gros­sen Tole­ranz­be­reich bil­den.
Dabei scheint jedes Organ in sei­ner Dyna­mik eine Art „Reso­nanz­raum“ zu besit­zen, in dem sich sein eige­ner Rhyth­mus mit beson­de­rer Kraft ent­fal­ten kann. Wenn die Orga­ne in die­sen „Reso­nanz­räu­men“ inein­an­der­grei­fen, sich gegen­sei­tig beein­flus­sen, ent­ste­hen neue Rhyth­mus­struk­tu­ren, die den sym­pho­ni­schen Zusam­men­halt im „Orches­ter“ zu gewähr­leis­ten schei­nen. Die dar­in betei­lig­ten „Mit­spie­ler“ wei­sen nun ihrer­seits in ihrem Zeit­ge­sche­hen ein kom­ple­xes Ver­hal­ten auf, wel­ches sich nur durch die Ein­bet­tung in ein grös­se­res dyna­mi­sches Gefü­ge ver­ste­hen lässt.
Phy­si­ker den­ken bei so einer Beschrei­bung gern an „gekop­pel­te Sys­te­me“. Im ein­fachs­ten Fall sind das zwei mit­ein­an­der ver­bun­de­ne Schau­keln, die in einem ganz neu­en Rhyth­mus schwin­gen kön­nen. „Gekop­pel­te Sys­te­me“ schwin­gen ent­we­der syn­chron oder in kom­ple­xen Rhyth­men, oder sie ver­hal­ten sich chao­tisch. Je nach ein­mal fest­ge­leg­ten Bedin­gun­gen spielt sich das Sys­tem auf einen die­ser Zustän­de ein.

Attraktive dynamische Strukturen

Die Zeit­struk­tu­ren rhyth­mi­scher Zustän­de kön­nen viel­fäl­tig sein. Sie las­sen sich direkt oder auf Umwe­gen inein­an­der über­füh­ren. Sie wei­sen unter­schied­li­che Sta­bi­li­tä­ten und Tole­ran­zen gegen­über Stö­run­gen auf. Ver­än­de­run­gen der Kom­po­nen­ten kön­nen zur Fol­ge haben, dass sich Tole­ranz­be­rei­che ver­schie­ben, ein­engen oder erwei­tern, wodurch das Sys­tem „the­ra­pier­bar“ wird.
Sol­che Zeit­mus­ter nen­nen Phy­si­ker „Attrak­to­ren“, weil sie für das Gesamt­sys­tem attrak­ti­ve dyna­mi­sche Struk­tu­ren dar­stel­len, in wel­che es mehr oder weni­ger stark „hin­ein­ge­zo­gen“ wird. Attrak­to­ren reprä­sen­tie­ren die Dyna­mik oder Zeit­ge­stalt eines sich bewe­gen­den Sys­tems, meist in sehr ver­ein­fach­ter Abbil­dung.

Alles bewegt sich

Das Orches­ter der Orga­ne spielt nicht nach einer voll­stän­dig fest­ge­leg­ten Par­ti­tur. Das Bild von vie­len Par­ti­tu­ren, zwi­schen denen je nach Anfor­de­rung gewech­selt wer­den darf und die sich unter der Betei­li­gung von Impro­vi­sa­tio­nen ver­än­dern kön­nen, kommt dem Gesche­hen im Orga­nis­mus näher. In unse­rem Organ-Orches­ter spielt alles und immer – mal lau­ter, mal lei­ser, mal rhyth­mi­scher, mal chao­ti­scher, mal mit mehr oder weni­ger Bezug auf­ein­an­der. In jedem Fall bleibt alles in Bewe­gung. Aus Bewe­gung gehen wir her­vor, wir befin­den uns stän­dig in ihr und blei­ben durch sie erhal­ten.
Herz­schlag, Atmung und Puls­wel­le for­men wohl die offen­sicht­lichs­ten Rhyth­men im „Jetzt“. Sind wir erregt, kön­nen sie sich in den Vor­der­grund der bewuss­ten Wahr­neh­mung drän­gen. Das geschieht auch, wenn mit den Rhyth­men etwas „nicht stimmt“. Herz­ra­sen, Herz­stol­pern, Kurz­at­mig­keit, Beklem­mun­gen sind Syn­ony­me für wahr­ge­nom­me­ne Stö­run­gen und beun­ru­hi­gen uns min­des­tens genau­so wie den Diri­gen­ten, sobald eines der Instru­men­te „falsch“ spielt.

Verhältnis von Atmung und Herzschlag

Erin­nern wir uns an kör­per­li­che Anstren­gun­gen: einen Berg hoch lau­fen, Fahr­rad­fah­ren, schwe­re Sachen tra­gen. Machen wir eine Pau­se, kom­men wir aus der Anstren­gung in die Ruhe, aber in uns bewegt sich wei­ter­hin viel. Das Herz pocht stark und schnell, die Atmung ist viel­leicht tie­fer als sonst, aber sicher eben­falls schnel­ler, wir spü­ren den Puls in Kopf und Glie­dern.
Füh­len wir uns hin­ein in die­se inne­re Bewe­gung, dann kön­nen wir fest­stel­len, wie sich der Herz­schlag beim tie­fen Ein­at­men leicht beschleu­nigt und beim Aus­at­men ver­lang­samt – die atem­syn­chro­ne Schwan­kung der Herz­fre­quenz. Wir kön­nen beob­ach­ten, wie Puls, Atmung, Blut­druck­rhyth­mik ins­ge­samt zur Ruhe kom­men. Neh­men wir unse­re Tätig­keit wie­der auf, spre­chen Herz, Atmung und Blut­druck sofort an. Sind wir gesund, reagie­ren sie varia­bel, pas­sen sich an die phy­sio­lo­gi­schen Erfor­der­nis­se und somit letzt­lich an unse­re Bedürf­nis­se an. Wenn wir krank sind, erscheint die­se Varia­bi­li­tät dage­gen ein­ge­schränkt, die Schwin­gungs­fä­hig­keit in unse­rem Rhyth­mus­ge­fü­ge ist redu­ziert.
Wir ken­nen auch die men­ta­le Erre­gung: ein Auf­tritt, eine beson­de­re Begeg­nung, gros­se Freu­de, ein schwie­ri­ges Gespräch. Kör­per­lich bewe­gen wir uns gar nicht oder kaum, trotz­dem erfah­ren wir inne­re Erre­gung, ähn­lich wie bei der kör­per­li­chen Anstren­gung. Das Herz pocht, das Blut schiesst in den Kopf. Die Atmung kann anders sein als bei kör­per­li­chen Anstren­gun­gen. Viel­leicht stockt sie sogar.
Wir kön­nen an uns selbst fest­stel­len, wie unser Herz mit unse­ren phy­si­schen und psy­chi­schen Bewe­gun­gen mit­spielt und wie unter­schied­lich sich dabei das Zusam­men­wir­ken von Atmung und Puls gestal­tet. Hier wird deut­lich, wie das Herz die Vor­gän­ge in der Ner­ven-Sin­nes-Tätig­keit, im Rhyth­mi­schen Sys­tem und im Stoff­wech­sel-Glied­mas­sen-Sys­tem wahr­nimmt und auf Anfor­de­run­gen und Zustands­än­de­run­gen reagiert, um das Zusam­men­spiel aller Orga­ne wei­ter­hin zu garan­tie­ren. Kann in einem Teil unse­res Orga­nis­mus die Herz­tä­tig­keit län­ge­re Zeit nicht adäquat ein­grei­fen, kommt es zu ent­spre­chen­den Erkran­kun­gen der betrof­fe­nen Orga­ne und im schlimms­ten Fall zum Infarkt.

Die Ruhe des Atmens

Der Herz­rhyth­mus ist unab­hän­gig von einer direk­ten, bewuss­ten Beein­flus­sung. Aber es gibt Tricks, mit denen wir indi­rekt auf den Herz­rhyth­mus wir­ken kön­nen. Bei men­ta­ler Erre­gung funk­tio­nie­ren Prak­ti­ken wie „Gelas­sen­heit“, „Rela­ti­vie­ren“, „Per­spek­ti­ve ändern“ gut. Der oft gege­be­ne Hin­weis „jetzt erst ein­mal tief Luft holen“ weist uns in die Rich­tung einer leicht anwend­ba­ren Mög­lich­keit: unse­rer Atmung. Wir kön­nen sie bewusst ver­än­dern, wor­über wir auch ande­re Rhyth­men, ins­be­son­de­re die des Her­zens beein­flus­sen.
Thich Nhat Hanh, ein prak­ti­zie­ren­der Zen-Meis­ter, soll das so for­mu­liert haben: „Wo du auch bist, du kannst immer acht­sam atmen. Die Ruhe des Atmens bringt die Ruhe des Kör­pers und des Geis­tes mit sich.“
Die Eigen­wahr­neh­mung und die dar­aus erfol­gen­de Beur­tei­lung, was unse­rem Orga­nis­mus gut­tut und was­
nicht, ist ent­schei­dend für die Vor­beu­gung von Krank­hei­ten. Ansons­ten kön­nen sich anhal­ten­de Ver­schie­bun­gen im Rhyth­mus­ge­fü­ge eta­blie­ren. Damit gehen meist erhöh­te Into­le­ranz und gerin­ge­re Veränderungs­möglichkeiten (Varia­bi­li­tät) ein­her, sowohl hin­sicht­lich unse­res phy­si­schen als auch des geis­tig-see­li­­schen Tätig­keits­spek­trums, bevor ernst­zu­neh­men­de Beschwer­den auf­tre­ten.
Lei­der ent­wi­ckeln wir die not­wen­di­ge Acht­sam­keit oft erst dann, wenn uns ech­te Pro­ble­me pla­gen. Unse­re Ver­pflich­tun­gen und Ansprü­che im all­täg­li­chen Leben las­sen uns vor­aus­ei­len­de Signa­le und Hin­wei­se unse­res eige­nen Kör­pers oft über­hö­ren. Hier wird deut­lich, dass das Gan­ze auch gesell­schaft­li­che, beruf­li­che und sozia­le Kom­po­nen­ten hat, an denen sich über­aus nach­hal­ti­ge the­ra­peu­ti­sche Mass­nah­men ergrei­fen las­sen.

Den Herzrhythmus mit geeigneten Instrumenten erforschen

Die gros­sen Bemü­hun­gen in der Erfor­schung des Herz­rhyth­mus sowie in der Ent­wick­lung geeig­ne­ter Mess­in­stru­men­te und Ana­ly­se­ver­fah­ren sind getra­gen von der Über­zeu­gung, aus cha­rak­te­ris­ti­schen Kenn­grös­sen sowie deren Ände­run­gen eine Beur­tei­lung der auto­no­men Balan­ce vor­neh­men und ein Abbild des Gesund­heits­zu­stan­des eines Men­schen erzeu­gen zu kön­nen. Dadurch ergä­be sich auch eine exzel­len­te Metho­de für Wirk­sam­keits­nach­wei­se am indi­vi­du­el­len Pati­en­ten.
Die Resul­ta­te vie­ler hun­dert Publi­ka­tio­nen sowie umfang­rei­che Erfah­run­gen aus der Sport- und Arbeits­me­di­zin sind sehr erfolg­ver­spre­chend. Im kli­ni­schen All­tag wird die Beob­ach­tung der Herz­rhyth­mus­va­ria­bi­li­tät (HRV) bei der Unter­su­chung von feta­lem Stress rou­ti­ne­mäs­sig bei der Ent­bin­dung genutzt.
Bei der Aus­wer­tung der HRV wird zwi­schen einer sta­tis­ti­schen Ana­ly­se und einer Fre­quenz­ana­ly­se der Herz­ra­te unter­schie­den. Ers­te­re lie­fert Infor­ma­tio­nen über Schwan­kun­gen in der Herz­tä­tig­keit, letz­te­re über Reso­nan­zen und her­vor­ge­ho­be­ne Fre­quen­zen in ver­schie­de­nen Akti­vi­täts­be­rei­chen, denen unter­schied­li­che Bedeu­tung zukommt. Bei­de zusam­men ergän­zen und unter­stüt­zen sich in ihren Aus­sa­gen über Varia­bi­li­tät, Stress, auto­no­me Balan­ce sowie Schwin­gungs- und Ent­span­nungs­fä­hig­keit. Die fol­gen­de Abbil­dung (Bild 1) zeigt Ände­run­gen in die­sen Akti­vi­täts­be­rei­chen im Tages­gang.

Bei einer 24h-EKG-Mes­sung wur­de der zeit­li­che Ver­lauf der Herz­ra­te (HR – zwei­te Kur­ve von unten in Bild 1) bestimmt. Die­ser kann eine Zusam­men­set­zung vie­ler rhyth­mi­scher Ände­run­gen sein. Eine Fre­quenz­ana­ly­se zeigt, wel­che Ände­run­gen in ihr ent­hal­ten sind. Das Resul­tat sieht man in einem Spek­tro­gramm. In ihm wer­den rhyth­mi­sche Schwin­gun­gen in der HR durch Ein­fär­bung sicht­bar gemacht. Röt­lich bedeu­tet, die HR schwingt in die­ser Zeit mit der ange­ge­be­nen Fre­quenz sehr regel­mäs­sig und kräf­tig. Über gelb, grün und blau neh­men die Regel­mäs­sig­kei­ten und Aus­prä­gun­gen der Schwin­gun­gen immer wei­ter ab. In den dun­kel­blau­en Berei­chen schwingt die HR kaum oder gar nicht mehr. Je mehr ein Herz in einem stren­gen regel­mäs­si­gen Takt oder auch in einer chao­ti­schen Wei­se schlägt, des­to dun­kel­blau­er und weni­ger far­big wird das Spek­tro­gramm. Je stär­ker die Herz­ra­te durch Rhyth­men gestal­tet wird, des­to bun­ter wird das Abbild. Mit zuneh­men­dem Alter wird die Herz­ra­te immer regel­mäs­si­ger, die kom­ple­xen Rhyth­men neh­men ab, und das Spek­tro­gramm wird ein­far­bi­ger, blau­er. Ein bun­tes Spek­tro­gramm kann man somit als Aus­druck gestei­ger­ter Vita­li­tät ver­ste­hen.
Im Spek­tro­gramm sehen wir nicht, wie schnell das Herz schlägt, son­dern ob sich der Herz­schlag regel­mäs­sig ändert und wie schnell die­se Ände­run­gen sind. Schnel­le Rhyth­men im Bereich von Sekun­den wer­den im HF-Band abge­bil­det, HF steht für „High Fre­quen­cy“, hohe Fre­quen­zen, die dar­auf hin­deu­ten, dass sich Atmung und Herz­rhyth­mus syn­chro­ni­sie­ren. Das Rhyth­mi­sche Sys­tem schwingt dann kräf­tig und frei in sei­nem eige­nen Reso­nanz­raum.
Die­ser Zustand fin­det sei­ne deut­lichs­te Aus­prä­gung, wenn wir uns im tie­fen traum­lo­sen Schlaf befin­den, dar­ge­stellt durch die rot-gel­ben Berei­che nach Mit­ter­nacht um cir­ca 0,2 Hertz. Wäh­rend die­ser Zeit weist die Herz­ra­te auch kaum noch Schwin­gun­gen im mitt­le­ren (LF – „Low Fre­quen­cy) und lang­sa­men (VLF – „Very Low Fre­quen­cy“) Band, also im tie­fe­ren Fre­quenz­be­reich auf, die auf Regel­mäs­sig­kei­ten in der Durch­blu­tung bzw. im Blut­druck hin­wei­sen. In dem Spektro­gramm sind die­se drei Fre­quenz­be­rei­che oder -bän­der mit einer gestri­chel­ten Linie gekenn­zeich­net. Wenn wir die Akti­vi­tät des LF-Ban­des durch die Akti­vi­tät des HF-Ban­des tei­len, sehen wir schon, dass die­ser Quo­ti­ent wäh­rend der Tief­schlaf­pha­se klein und ansons­ten grös­ser sein wird. Der Loga­rith­mus die­ses Quo­ti­en­ten ergibt den Para­me­ter lnQ, dar­ge­stellt in der grü­nen Kur­ve unter dem Spek­tro­gramm.
Je klei­ner er wird, des­to bes­ser ist unse­re Erho­lungs­fä­hig­keit. In den Tief­schlaf­pha­sen, die für unse­re Erho­lung ent­schei­dend sind, kann er nega­tiv wer­den. In ihnen wird von allen gesun­den Men­schen ein Rhyth­mus von vier Herz­schlä­gen auf einen Atem­zy­klus ange­strebt, zwei Herz­schlä­ge ein­at­men, zwei Herz­schlä­ge aus­at­men. Dar­ge­stellt ist das in der unters­ten Kur­ve, dem Quo­ti­en­ten von Puls durch Atmung (QPA).
Pro­fes­sor Maxi­mi­li­an Moser von der Uni­ver­si­tät Graz ist mit sei­nen umfang­rei­chen Arbei­ten ein Pio­nier auf die­sem Gebiet. Er präg­te für das Spek­tro­gramm der Herz­ra­te auch den Begriff „Auto­chro­nes Bild“.

Herzrhythmik und Musik

Musik wird von vie­len Men­schen mehr oder weni­ger regel­mäs­sig erzeugt, auf jeden Fall aber von prak­tisch allen kon­su­miert. Sie kann uns viel­sei­tig „mit­neh­men“, in unter­schied­li­che Stim­mun­gen „ent­füh­ren“. Wir kön­nen sagen: Musik hat eine umfang­rei­che und star­ke Wir­kung auf unser Befind­lich­keits­spek­trum. Umge­kehrt ist Musi­zie­ren immer auch Aus­druck unse­rer inne­ren Rhyth­men und Melo­di­en von Wol­len und Füh­len.
Durch die Musik kön­nen wir uns auf „Rei­sen“ bege­ben, mit ihr haben wir die Mög­lich­keit, gestal­te­risch in Geist, Kör­per und See­le ein­zu­grei­fen und har­mo­ni­sie­rend auf unser Rhyth­mus­ge­fü­ge zu wir­ken. Es ist nahe­lie­gend, rezep­ti­ve und akti­ve musik­the­ra­peu­ti­sche Ansät­ze zu ent­wi­ckeln, mit denen der Pati­ent auf sei­ne indi­vi­du­el­le Pro­ble­ma­tik hin gezielt behan­delt wer­den kann.
Die hier vor­ge­stell­ten Bei­spiel­mes­sun­gen betref­fen ers­te Unter­su­chun­gen der Musik­the­ra­pie an gesun­den Pro­ban­den, in denen tief­schlaf­pha­sen­ähn­li­che Ent­span­nungs­zu­stän­de auf­tre­ten kön­nen, die hier­bei jedoch bewusst erlebt wer­den.

Bei der in Bild 2 abge­bil­de­ten Musik­the­ra­pie­mes­sung fal­len zwei Berei­che beson­ders auf. Der Zeit­raum, in dem der Pro­band auf dem Bauch liegt und die The­ra­peu­tin die TAO-Lei­er auf sei­nem Rücken spielt, erin­nert an eine Tief­schlaf­pha­se. Der lnQ wird in die­ser Zeit nega­tiv, der Puls-Atem-Quo­ti­ent geht auf vier. Eben­so wird bei der Chrot­ta (einem spe­zi­el­len Streich­in­stru­ment, ähn­lich einem Cel­lo) unter den Füs­sen ein Ent­span­nungs­zu­stand erreicht. Der Zeit­raum, in dem der Pro­band aktiv das Alp­horn spielt, weist kaum Atmungs­syn­chro­ni­sa­ti­on auf, dafür aber viel Durch­blu­tungs- und Blut­druck­rhyth­mik, die auch mit der kör­per­li­chen Anfor­de­rung zusam­men­hän­gen. Der lnQ-Para­me­ter weist in die­sem Zeit­raum hohe Wer­te auf. Der QPA von acht und die star­ken Schwan­kun­gen in der Herz­ra­te deu­ten auf eine tie­fe und ver­gleichs­wei­se lang­sa­me Atmung wäh­rend die­ser Übun­gen hin.

Ers­te Mes­sun­gen mit dem TAO-Klang­bett (Bild 3) erga­ben, dass sich wäh­rend des Spiels (B) die Erho­lungs­fä­hig­keit, auch im Ver­gleich zur Nach­ru­he, erhöht (grü­ne Kur­ve). In der Vor­ru­he ist die Erho­lungs­fä­hig­keit schlecht aus­ge­prägt. Wäh­rend der Klang­bett-Anwen­dung (B) und in der Nach­ru­he (D) ist die Herz­ra­te tie­fer, der QPA um 4, und die Atmung ist mit dem Herz­rhyth­mus syn­chro­ni­siert. Inter­es­sant dabei ist, in der Bauch­la­ge auf dem Klang­bett © fin­det wie­der ver­stärkt Blut­druck­rhyth­mik statt, die in der­sel­ben Lage mit der TAO-Lei­er auf dem Rücken oft ganz weg­fiel. Ob der Unter­schied durch die Emp­fin­dung über den Bauch oder über den Rücken zustan­de kommt, ist noch zu unter­su­chen. Nach der Nach­ru­he spiel­te der Pro­band selbst auf den Sai­ten des TAO-Klang­betts (E). Dabei zeigt sich kei­ne Syn­chro­ni­sa­ti­on mit der Atmung, wohl aber mit dem Durch­blu­tungs- und dem Blut­druck­ge­sche­hen, was sich wäh­rend des dar­an anschlies­sen­den Gesprächs noch ein­mal ver­stärkt (F).

Erforschung des Herzrhythmus unterstützt Wirksamkeitsnachweise

Die bis­he­ri­gen Unter­su­chun­gen und vor­läu­fi­gen Resul­ta­te deu­ten dar­auf hin, dass sich durch die Betrach­tung des Herz­rhyth­mus­ge­sche­hens wäh­rend der indi­vi­du­el­len Sit­zung sowie über den gesam­ten Zeit­raum der in unse­rem Umfeld ange­wand­ten The­ra­pi­en Effek­te beob­ach­ten las­sen, die als kli­nisch rele­van­te Wirk­sam­keits­nach­wei­se inter­pre­tiert wer­den kön­nen.
Grund­la­ge für die­se For­schungs­ar­bei­ten bil­den die Arbei­ten von Gun­ther Hil­de­brandt sowie vie­le der im Umfeld von Dirk Cys­arz, Peter van Lee­uwen, Maxi­mi­li­an Moser und Diet­rich von Bonin ent­stan­de­nen Arbei­ten, die sich unter ande­rem auch mit der Erfor­schung der the­ra­peu­ti­schen Sprach­ge­stal­tung und der Euryth­mie­t­he­ra­pie auf die­sem Gebiet befas­sen. In die­sem Zusam­men­hang ste­hen auch die Ergeb­nis­se der Herz­rhyth­mus­un­ter­su­chun­gen in einer pro­spek­ti­ven Kohor­ten­stu­die zur Rhyth­mi­schen Mas­sa­ge mit dem Para­cel­sus-Spi­tal Rich­ters­wil. Mit der Fil­der­kli­nik ist auf der Grund­la­ge der bis­her an den bei­den Kli­ni­ken durch­ge­führ­ten Vor­un­ter­su­chun­gen ein TAO-Klang­bett-Pro­jekt geplant. Die For­schung an der Ita Weg­man Kli­nik wird voll­stän­dig durch Dritt­mit­tel, ins­be­son­de­re durch die Wele­da und durch pri­va­te Spen­den, finan­ziert.

Autoren26

Fach­per­son Dr. rer. nat. Dani­el Krüer­ke
Arbeits­schwer­punk­te Phy­si­ko­che­mi­ker, vie­le Jah­re in der uni­ver­si­tä­ren For­schung (Ber­lin, Schwe­den, USA) und in der indus­tri­el­len For­schung (Schott­land) tätig, baut seit Herbst 2007 zusam­men mit dem Arzt
Dr. med. Chris­toph Kauf­mann
den Bereich For­schung an der
Ita Weg­man Kli­nik auf,
lei­tet seit 2010 den Bereich For­schung an der Ita Weg­man Kli­nik
Kon­takt daniel.krueerke@wegmanklinik.ch

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