Jugendliche im Praxisalltag

Die Jugend stellt eine Lebens­pha­se des Um- und Auf­bruchs dar. Sie ist geprägt durch spe­zi­fi­sche Erfah­run­gen und Ver­hal­tens­wei­sen sowie durch ent­spre­chen­de Fra­ge­stel­lun­gen, die viel­fach auch an die Ärz­tin oder den Arzt her­an­ge­tra­gen wer­den

Die Puber­tät ist eine Umbruch­pha­se, in der sich die Jugend­li­chen zuneh­mend von den Wert­vor­stel­lun­gen ihres Eltern­hau­ses und ande­rer Auto­ri­täts­per­so­nen lösen. Sie ent­wi­ckeln einen eige­nen Wil­len und ihre eige­nen Gedan­ken. Dia­lek­ti­sches Den­ken, ein sorg­fäl­ti­ges Abwä­gen des Für und Wider einer Mei­nung, ist nun erst­mals mög­lich.
In einem wei­te­ren Ent­wick­lungs­schritt folgt dann das ana­ly­tisch-syn­the­ti­sche Den­ken, bis die Jugend­li­chen das Erwach­se­nen­al­ter errei­chen. Sie möch­ten dis­ku­tie­ren und ihre eige­ne Mei­nung ver­tre­ten, ganz gleich, ob die­se für den Dis­kus­si­ons­part­ner rich­tig oder falsch erscheint. Steht ihre eige­ne Mei­nung im Gegen­satz zu den Vor­stel­lun­gen der Erwach­se­nen, so wider­spre­chen, rebel­lie­ren und argu­men­tie­ren sie. Dies kann zu vie­len Kon­flik­ten und Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten mit der älte­ren Genera­ti­on füh­ren.

Freiräume ausloten …

Eltern müs­sen ler­nen, die Jugend­li­chen schritt­wei­se los­zu­las­sen. Hier spielt bereits die Erzie­hung in der Kind­heit eine wich­ti­ge Rol­le. Wer­den Kin­der vor der Puber­tät in gewis­se Ent­schei­dungs­pro­zes­se mit ein­be­zo­gen, so ler­nen sie schon früh, mit Ver­ant­wor­tung umzu­ge­hen. Kin­der und vor allem Jugend­li­che wol­len Ver­ant­wor­tung über­neh­men, mit­den­ken und mit­ent­schei­den. Dies kann den Ver­lauf der Puber­tät wesent­lich beein­flus­sen.
Freun­de, Kame­ra­den und auch das ande­re Geschlecht wer­den nun wich­ti­ger. Geheim­nis­se, eige­ne Gedan­ken und Erfah­run­gen wer­den mit Freun­din­nen und Freun­den aus­ge­tauscht. Hier­bei geht heut­zu­ta­ge häu­fig die Gesprächs­kultur ver­lo­ren. Es wird über Medi­en wie Com­pu­ter und Han­dy kom­mu­ni­ziert. Die Jugend­li­chen sit­zen oft stun­den­lang vor die­sen, um mit ihren Kame­ra­den im Kon­takt zu ste­hen. Ein Gespräch von Ange­sicht zu Ange­sicht fällt ihnen daher zuneh­mend schwer.
Das Inter­net ist für die Jun­gend­li­chen eine wich­ti­ge Infor­ma­ti­ons­quel­le für The­men wie Sexua­li­tät, Gewalt, Alko­hol und Dro­gen. Durch Com­pu­ter­spie­le kön­nen sie Gewalt­er­leb­nis­se sel­ber nach­stel­len. Oft aber sind die­se Infor­ma­tio­nen und Erleb­nis­se für die Jugend­li­chen erschre­ckend, lücken­haft und rea­li­täts­fern. Dies kann zu Risi­ko­ver­hal­ten und kri­mi­nel­lem oder gewalt­tä­ti­gem Han­deln füh­ren.

… und provozieren

Das see­li­sche Durch­ein­an­der in die­ser Ent­wick­lungs­pha­se führt zu einem Ent­de­ckungs­drang, wel­cher sich in äus­ser­li­cher Pro­vo­ka­ti­on wie auf­fal­len­der Klei­dung, aus­ge­fal­le­nen Fri­su­ren, star­kem Schmin­ken, Pier­cing oder Täto­wie­run­gen äus­sert. Die Jugend­li­chen wol­len der Umwelt und den Kame­ra­den zei­gen, dass sie dazu­ge­hö­ren und mit­hal­ten kön­nen. Oft führt dies in der Freun­des­grup­pe zum Aus­pro­bie­ren oder gar zum regel­mäs­si­gen Kon­sum von Alko­hol und Dro­gen, vor allem dann, wenn der Mut zum Nüt­zen des eige­nen Ich-Poten­zi­als fehlt.
Durch die­se mög­li­che Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit – und oft auch durch einen gleich­zei­tig bestehen­den schu­li­schen oder fami­liä­ren Druck – kann es dane­ben zu psy­chi­schen Pro­blemen wie Ess­stö­run­gen (Über­ge­wicht, Buli­mie oder Mager­sucht) oder jugend­li­chen Depres­sio­nen kom­men.

Sexualität entdecken

Auch ers­te sexu­el­le Erfah­run­gen mit dem glei­chen oder dem ande­ren Geschlecht gehö­ren zu die­sem Alter dazu. Da die Jugend­li­chen oft Rat­schlä­ge und Gesprä­che mit ihren Eltern ableh­nen und die ver­meint­li­che Auf­klä­rung durch Freun­de und Medi­en meis­tens nur unge­nü­gend und unvoll­stän­dig ist, ist es wich­tig, dass es für die Jugend­li­chen neu­tra­le Anlauf­stel­len für die­se Fra­gen und Pro­ble­me gibt. An ers­ter Stel­le soll­ten hier die Schu­len mit Lehr­kräf­ten und Schul­ärz­ten ste­hen. Dane­ben sind Kin­der­ärz­te, Haus­ärz­te und Frau­en­ärz­te wich­ti­ge Ansprech­part­ner und Bera­ter. Auch Bera­tungs­stel­len von Gemein­den und Kan­to­nen sind wich­ti­ge neu­tra­le Anlauf­stel­len.
Oft kom­men die Jugend­li­chen unter dem Vor­wand diver­ser kör­per­li­cher Beschwer­den in die Pra­xen von Kin­der- und Jugend­ärz­ten oder Frau­en­ärz­ten. Erst im Lauf des Gesprächs kris­tal­li­sie­ren sich dann die eigent­li­chen Sor­gen und Fra­gen her­aus. Hier­für benö­tigt es ein gutes Gespür und Fein­ge­fühl, damit sich die Jugend­li­chen öff­nen und sich trau­en, ihre Fra­gen zu stel­len. Die Anwe­sen­heit der Eltern ist hier­bei meis­tens nicht sinn­voll.

Autoren17

Fach­per­son Dr. med J. Ste­pha­nie Gru­son
Arbeits­schwer­punk­te Fach­ärz­tin für Kin­der- und
Jugend­me­di­zin. Aus­bil­dung zur Fach­ärz­tin in der Kin­der­kli­nik Hei­den­heim, Deutsch­land. Seit 2009 als Kin­der­ärz­tin in der Ita Weg­man Kli­nik tätig,
ambu­lan­te Sprech­stun­den­tä­tig­keit für das gan­ze Gebiet der Kin­der­heil­kun­de.
Schul­ärz­tin in der Rudolf Stei­ner Schu­le Mün­chen­stein.
Kon­takt stephanie.gruson@wegmanklinik.ch

Autoren16

Fach­per­son Eve­li­ne Arnold
Arbeits­schwer­punk­te Fach­ärz­tin für Gynä­ko­lo­gie und Geburts­hil­fe FMH.
Kon­takt eveline.arnold@wegmanklinik.ch

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