Was ist das Besondere einer „anthroposophischen Psychosomatik“?

In der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin gel­ten grund­sätz­lich die oben skiz­zier­ten Aspek­te einer indi­vi­dua­li­sier­ten Psy­cho­so­ma­tik eben­so. Die Anthro­po­so­phie als Geistes­wissenschaft schafft jedoch zusätz­lich die erkenntnis­wissenschaftlichen Grund­la­gen, um dem so kom­pli­zier­ten Sys­tem „Mensch“ gerecht wer­den zu kön­nen.

Der Erkennt­nis­be­griff wird in der Anthro­po­so­phie so aus­ge­bil­det, dass ein wis­sen­schaft­li­ches Vor­ge­hen und Erken­nen sowohl im kör­per­lich-sin­nes­ge­mäs­sen wie auch im über­sinn­lich-geist­ge­mäs­sen Gebiet mög­lich wird. Dar­aus erge­ben sich kon­zep­tu­el­le Erwei­te­run­gen des Men­schen­bil­des, der Erkennt­nis des Men­schen.

So wird zum Bei­spiel die leib­li­che Ebe­ne des Men­schen dif­fe­ren­ziert in einen phy­si­schen Kör­per und einen soge­nann­ten „Lebens­leib“. Wäh­rend der phy­si­sche Kör­per die phy­si­ka­li­schen Gesetz­mäs­sig­kei­ten in sich trägt, ist der Lebens­leib eine nicht phy­sisch wahr­zu­neh­men­de Ganz­heit der bele­ben­den, das Wach­sen und Hei­len des Orga­nis­mus bewir­ken­den, gestal­ten­den Kräf­te. Auch die psy­chi­sche Ebe­ne wird dif­fe­ren­ziert: in See­le und Geist. Die See­le (oder der Astral­leib, wobei der Leib­be­griff nicht phy­sisch zu ver­ste­hen ist, son­dern wie beim Lebens­leib im Sin­ne einer Ganz­heit­lich­keit) ermög­licht einer­seits das Bewusst­sein des Men­schen, sei­ne Sin­nes­wahr­neh­mun­gen und (Leibes-)Empfindungen. Ande­rer­seits wirkt sie unbe­wusst im phy­si­schen Leib und Lebens­kräf­te­leib und impul­siert die dort auf­tre­ten­den Vor­gän­ge. Und schliess­lich wird das Geis­ti­ge des Men­schen als rea­le Wesen­heit ange­se­hen, die im Ich als selbst­be­wuss­tem Zen­trum des Men­schen in Erschei­nung tritt. Die­se vier Ebe­nen ste­hen in kom­ple­xen Bezie­hun­gen zuein­an­der, wobei eine Ebe­ne nicht reduk­tio­nis­tisch aus einer andern abge­lei­tet wer­den kann. Aus der geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Betrach­tungs­wei­se erge­ben sich noch wei­te­re Kon­zep­te (wie zum Bei­spiel die funk­tio­nel­le Drei­glie­de­rung des Men­schen oder die Sie­ben­glied­rig­keit der Organ­sys­te­me), die aber in die­sem Rah­men nicht wei­ter aus­ge­führt wer­den kön­nen.

Die­se Erwei­te­run­gen des Men­schen­bil­des bie­ten die Basis für eine Fül­le von the­ra­peu­ti­schen Optio­nen: für eine medi­ka­men­tö­se The­ra­pie mit Heil­mit­teln aus dem Mine­ral-, Pflan­zen- und Tier­reich, für äus­se­re Anwen­dun­gen und rhyth­mi­sche Mas­sa­gen, künst­le­ri­sche The­ra­pi­en, Heil­eurythmie sowie für das the­ra­peu­ti­sche Gespräch.

Eine anthro­po­so­phi­sche Psy­cho­so­ma­tik steht, wie auch die gesam­te Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin, jeder­mann offen, unab­hän­gig, ob er Anthro­po­so­phie kennt oder nicht. Erwar­tet wird höchs­tens eine gewis­se Offen­heit und Bereit­schaft, sich auf viel­leicht unge­wohn­te the­ra­peu­ti­sche Ansät­ze ein­zu­las­sen. An den Arzt/den The­ra­peu­ten stellt die­se Art der Medi­zin hin­ge­gen gros­se Anfor­de­run­gen: Ziel ist, Mensch und Welt und die gegen­sei­ti­gen Bezie­hun­gen immer bes­ser zu erken­nen, um eine indi­vi­du­ell-ganz­heit­li­che The­ra­pie zu initi­ie­ren.

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