Impulse aus der Praxis

Wich­tig für die Neu- und Wei­ter­ent­wick­lung von Heil­mit­teln am Heil­mit­tel­la­bor der Kli­nik Arle­sheim sowie die beglei­ten­de For­schung ist der Kon­takt mit den anthro­po­so­phisch täti­gen Ärz­tin­nen und -ärz­ten, die die­se Heil­mit­tel ver­wen­den. Sie kön­nen ihre the­ra­peu­ti­schen Erfah­run­gen mit den Prä­pa­ra­ten und auch neue Ide­en ein­brin­gen, wodurch der kli­nik­ei­ge­ne Heil­mit­tel­schatz erhal­ten und an die aktu­el­len Bedürf­nis­se ange­passt wer­den kann.

Regel­mäs­sig trifft sich eine Grup­pe von Ärz­tin­nen und Ärz­ten mit beson­de­rem Inter­es­se für die­ses The­ma. Eini­ge von ihnen sind an der Kli­nik ange­stellt, ande­re in eige­ner Pra­xis tätig. Was bei die­sen Tref­fen erar­bei­tet wur­de, wird dann bei den „Schnitt­stel­len­tref­fen“, bei denen ein Arzt und eine Ärz­tin, die Lei­tung des Heil­mit­tel­la­bors und die Apo­the­ken­lei­tung betei­ligt sind, auf sei­ne Umsetz­bar­keit geprüft. Ein Teil die­ser Schnitt­stel­le ist Dr. med. Robert Fit­ger; Quin­te hat ihm eini­ge Fra­gen gestellt:

Was bedeu­tet es für Sie als Kli­nik­arzt, gleich­sam ein Bin­de­glied zwi­schen der Pra­xis und der kli­nik­ei­ge­nen Heil­mit­tel­her­stel­lung zu sein?

Zunächst ein­mal wer­te ich es als eine beson­de­re Qua­li­tät unse­res Hau­ses, dass hier – ver­bun­den mit einer lan­gen Tra­di­ti­on – über­haupt eige­ne Heil­mit­tel her­ge­stellt wer­den kön­nen. Mit gros­ser Sach­kennt­nis und an die moder­nen Hygie­ne­an­for­de­run­gen ange­passt wer­den vie­le Medi­ka­men­te immer noch von Hand pro­du­ziert, auch in ver­gleichs­wei­se klei­nen Char­gen. Das erlaubt, fle­xi­bel Ände­run­gen oder auch ganz neue The­ra­piei­de­en ein­zu­brin­gen. Auch bis­her noch nicht ver­wen­de­te Heil­pflan­zen oder neue Kom­bi­na­tio­nen kön­nen hier vor­erst in Ver­suchs­men­gen her­ge­stellt und getes­tet wer­den.
An der Schnitt­stel­le zu sein, bedeu­tet vor allem, die Impul­se aus der Ärz­te­schaft, der Apo­the­ke und aus dem Heil­mit­tel­la­bor auf­zu­neh­men und im gemein­sa­men Gespräch auf Bedarf, Umsetz­bar­keit und Sinn­haf­tig­keit zu prü­fen. So macht es zum Bei­spiel wenig Sinn, eine Heil­pflan­ze neu ins Sor­ti­ment auf­zu­neh­men, von der es bereits gute Pro­duk­te vie­ler ande­rer Her­stel­ler gibt. Oder es ist nicht sinn­voll, Roh­stof­fe zu ver­wen­den, die zwar viel­ver­spre­chend schei­nen, aber sehr auf­wän­dig oder anfäl­lig in der Ver­ar­bei­tung sind. Aus­ser­dem müs­sen sie in aus­rei­chend guter Qua­li­tät ver­füg­bar sein, usw.

Wie gestal­tet sich die Zusam­men­ar­beit mit dem Heil­mit­tel­la­bor im All­tag?

Wenn ich für die Arbeit der soge­nann­ten „Schnitt­stel­le“ spre­chen soll, besteht die Haupt­auf­ga­be dar­in, gemein­sam mit mei­ner Kol­le­gin Dr. Sil­via Tor­ria­ni die erwähn­ten Impul­se aus der Ärz­te­schaft ein­zu­brin­gen. Nebst der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Apo­the­ke und Heil­mit­tel­la­bor haben wir aus­ser­dem die schö­ne Tra­di­ti­on, ein­mal wöchent­lich in Kurz­prä­sen­ta­tio­nen unse­re Heil­mit­tel vor­zu­stel­len, wobei zum Bei­spiel Inhalt­stof­fe, Wir­kung und Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen, Neu­ent­wick­lun­gen und manch­mal auch For­schungs­er­geb­nis­se im Kreis unse­rer Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen geschil­dert wer­den.
Beson­ders schön ist, dass dies ganz leben­dig und beweg­lich geschieht und immer wie­der auch von ande­ren Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen über­nom­men wird – vor allem, wenn die­se einen beson­de­ren Bezug zu bestimm­ten Heil­mit­teln haben oder über inter­es­san­te Erfah­run­gen mit ihnen berich­ten wol­len. Die­se Heil­mit­tel­prä­sen­ta­tio­nen, um die wir uns meist inhalt­lich, manch­mal aber auch nur orga­ni­sa­to­risch küm­mern, erhal­ten das Wis­sen um unse­ren klei­nen, aber wert­vol­len Heil­mit­tel­schatz in der Kol­le­gen­schaft auf­recht. Jeweils bis zu 20 Ärz­tin­nen und Ärz­te neh­men dar­an teil und gera­de die Assis­tenz­ärz­tin­nen und -ärz­te freu­en sich oft über die­se Art von beson­de­ren Fort­bil­dun­gen, vor allem wenn sie bis­her noch nicht so viel Erfah­rung mit Heil­mit­teln aus der Natur hat­ten.

Auch Ihnen selbst bedeu­tet die­se Zusatz­auf­ga­be im Rah­men Ihrer ärzt­li­chen Tätig­keit viel?

Das stimmt. Es ist für mich bereits eine gros­se Freu­de, unse­rer Prä­pa­ra­te mit ihrer in mei­ner Erfah­rung ver­läss­li­chen Heil­wir­kung zur Anwen­dung zu brin­gen. Es ist aber auch sehr wich­tig, sie in der All­tags­rea­li­tät bei der Pati­en­ten­ver­sor­gung prü­fend zu beob­ach­ten und die Erfah­run­gen aus der Kol­le­gen­schaft auf­zu­neh­men, um ste­ti­ge Ver­bes­se­run­gen und Kor­rek­tu­ren mög­lich zu machen. Für alle, die mit der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin ver­bun­den sind, ist es ohne­hin von gros­ser Bedeu­tung, ein Gefühl für die den Heil­mit­teln zugrun­de­lie­gen­den Stof­fe und Wirk­prin­zi­pi­en zu haben und die Ver­ar­bei­tungs­pro­zes­se in der anthro­po­so­phi­schen Heil­mit­tel­her­stel­lung zu ken­nen. Wenn man sich als Arzt dies­be­züg­lich beson­ders enga­giert, darf man als gröss­ten Lohn immer wie­der freu­dig und ehr­fürch­tig stau­nen über die der Natur inne­woh­nen­de Genia­li­tät und ihre Heil­wir­kun­gen.

Kön­nen Sie dies­be­züg­lich ein Bei­spiel geben?

Wo soll man da anfan­gen? Es gäbe so vie­le… Ich will hier ein etwas exo­ti­sches und hof­fent­lich inter­es­san­tes Bei­spiel unter den vie­len Mög­lich­kei­ten schil­dern. Ist es nicht fas­zi­nie­rend, dass vie­le in Pflan­zen ent­hal­te­ne Stof­fe – in teils sehr gerin­gen Dosen – auch im Men­schen zu fin­den sind? Wer hät­te zum Bei­spiel gedacht, dass die Neben­nie­re des Men­schen gerin­ge Men­gen an Stro­phant­hin her­stellt? Stro­phant­hin wird aus Pflan­zen gewon­nen, die in von uns aus gese­hen weit ent­fern­ten Wäl­dern in den heis­sen Tief­la­gen Ost­afri­kas wach­sen und dort tra­di­tio­nell als Pfeil­gift ver­wen­det wer­den. Noch bis 1992 wur­de es in den Lehr­bü­chern der Inne­ren Medi­zin bei aku­ter Herz­in­suf­fi­zi­enz (Herz­schwä­che) emp­foh­len, bevor es von ande­ren, moder­ne­ren Medi­ka­men­ten abge­löst wur­de. Es ist das am schnells­ten wirk­sa­me soge­nann­te «Herz­gly­ko­sid». In sehr gerin­ger Dosis ver­ab­reicht, kann die­ses Gift das Herz unter­stüt­zen und vor Über­be­las­tung schüt­zen. Vom Men­schen selbst wird es bei hoher, plötz­lich auf­tre­ten­der Kreis­lauf­be­las­tung in kleins­ten Men­gen aus­ge­schüt­tet. Hier zeigt sich mal wie­der die häu­fig ver­dräng­te, aber eigent­lich bana­le Wahr­heit, dass der Mensch Teil der gan­zen Natur ist und ihr nicht fremd gegen­über­steht.

Selbst Gif­te kön­nen also eine hei­len­de Wir­kung haben?

Ja, sogar Obst und Gemü­se ent­hal­ten häu­fig gerin­ge Men­gen toxi­scher Stof­fe, die sie im Lauf der Evo­lu­ti­on ver­mut­lich zum Schutz vor über­mäs­si­gem Insek­ten­frass ent­wi­ckelt haben. Bei Ver­zehr­men­gen in übli­chen Dosen sind die­se als klei­ner Ver­gif­tungs­sti­mu­lus aber durch­aus gesund­heits­för­der­lich und wer­den nur bei unna­tür­lich über­stei­ger­ten Dosen zuneh­mend schäd­lich. Die­sen Effekt nennt man Hor­me­sis. Nicht nur die berühm­ten Vit­ami­ne, Anti­oxi­dan­ti­en, usw. sind also gesund, son­dern auch die in fri­schen Nah­rungs­pflan­zen ent­hal­ten­den fei­nen Gif­te kön­nen uns zum Bei­spiel vor neu­ro­de­ge­ne­ra­ti­ven Erkran­kun­gen wie Demenz oder der Par­kin­so­n­er­kran­kung schüt­zen.

In der Anthro­po­so­phie haben ja vie­le sol­cher Erkennt­nis­se schon lan­ge eine prak­ti­sche Bedeu­tung. Wie sehen Sie das Ver­hält­nis zur moder­nen For­schung, die inzwi­schen man­ches davon bestä­tigt?

Grund­sätz­lich gibt es ver­schie­de­ne Erkennt­nis­we­ge, um zu nütz­li­chen Ein­sich­ten für die mensch­li­che Gesund­heit zu kom­men. Raf­fi­nier­te Nach­weis­me­tho­den wie die mitt­ler­wei­le weit­hin bekann­te PCR-Tech­nik, das Elek­tro­nen­mi­kro­skop oder auch nano­tech­ni­sche Ana­ly­se­me­tho­den sind als genia­le Hilfs­mit­tel All­tag der moder­nen For­schung gewor­den und eröff­nen uns fas­zi­nie­ren­de Ein­bli­cke in die Natur.
In der anthro­po­so­phi­schen For­schung ist es dage­gen üblich, zu Erkennt­nis­sen aus für den Men­schen direkt erfahr­ba­ren Phä­no­me­nen und Erleb­nis­sen an und in der Natur zu gelan­gen. Und gera­de bei den Heil­pflan­zen besteht dazu noch ein gros­ses über­lie­fer­tes Wis­sen aus teils jahr­hun­der­te­al­ter Erfah­rung. All dies in ein Ver­hält­nis zu set­zen, ist unge­mein span­nend. Und sehr häu­fig gelangt man inter­es­san­ter­wei­se auf den ver­schie­de­nen Wegen letzt­lich zu ganz ähn­li­chen Zie­len. Die Zusam­men­ar­beit mit dem Heil­mit­tel­la­bor der Kli­nik Arle­sheim ist für mich häu­fig ein will­kom­me­ner Anlass für die Beschäf­ti­gung mit die­sen wun­der­ba­ren Inhal­ten und für den, wie ich fin­de, immer loh­nen­den Ver­such, die ver­schie­de­nen Strän­ge in ein frucht­ba­res Mit­ein­an­der zu brin­gen.

Fach­per­son Dr. med. Robert Fit­ger
Fach­arzt für Neu­ro­lo­gie und prak­ti­scher
Arzt (A). Lei­ten­der Arzt, an der Kli­nik Arle­sheim seit 2017, aus­ser­dem in Teil­an­stel­lung seit 2021 als Ober­arzt am Insti­tut für kom­ple­men­tä­re und inte­gra­ti­ve Medi­zin, Uni­ver­si­tät Bern. Anthro­po­so­phi­scher Arzt. Vor­mals u.a. tätig in eige­ner Pra­xis und als Schul­arzt. Wei­te­re Zusatz­aus­bil­dun­gen in Elek­tro­phy­sio­lo­gie, Botu­li­num­to­xin­the­ra­pie und als Not­arzt. Mit­glied der Ärz­teaus­bil­dung Arle­sheim und Lehr­tä­tig­keit an ver­schie­de­nen ande­ren Insti­tu­tio­nen.
Kon­takt neurologie@klinik-arlesheim.ch

 

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