
Im Dezember 2013 wurde bekannt gegeben, dass die Ita Wegman Klinik und die Lukas Klinik vorhaben, sich zusammenzuschliessen. Mittlerweile ist der rechtliche Zusammenschluss erfolgt. Es gibt neu die „Klinik Arlesheim“. Was bedeutet das nun für die Zukunft? Was heisst das für die Patientinnen und Patienten, für Zuweisende und Mitarbeitende? Verena Jäschke war zu diesen Fragen mit der neuen Klinikleitung im Gespräch.
Was hat Sie zum Zusammenschluss der beiden Kliniken bewogen?
Andreas Jäschke: „Die Gründe dafür lagen auf der Hand: Zwei Kliniken waren in einem sehr ähnlichen Segment unterwegs, beide boten Anthroposophische Medizin an, beide im Bereich der Inneren Medizin. Beide Kliniken waren auf Dauer zu klein, deshalb war es nun an der Zeit zu diesem Schritt. Die Idee stand schon lange im Raum, es gab bereits einen Fusionsversuch vor sieben Jahren. Denn grundsätzlich ist es bei dieser räumlichen und geistigen Nähe bezüglich der Grundausrichtung sinnvoll, die Kräfte zu bündeln und Synergien zu nutzen.“
Bernd Himstedt: „Wir sehen am Standort Arlesheim die Aufgabe, die Anthroposophische Medizin weiter zu entwickeln. Gemeinsam, als Partner, können wir viel mehr Einsatz dafür leisten.“
Lukas Schöb: „Diese Zukunftsaufgabe für die Anthroposophische Medizin können wir vereint sehr viel besser erfüllen als durch zwei getrennte Kliniken. Wir führen die onkologischen Kompetenzen beider Kliniken zusammen, den Schwerpunkt auf Mistelbehandlungen der Lukas Klinik und das breitere Angebot der Ita Wegman Klinik. Wir können so zusammen eine breitere Palette an Therapiemöglichkeiten bieten.“
Ergibt das dann einen „Einheitsbrei“?
Lukas Schöb: „Obwohl die Frage grundsätzlich berechtigt ist, wenn zwei Angebote zusammengeführt werden, besteht die Gefahr in dieser Situation nicht. Zwar kann der Patient nun nicht mehr wählen, ob er in die eine oder andere Klinik geht. Es wird jetzt ein onkologisches Konzept entwickelt – innerhalb diesem gibt es jedoch mehr Möglichkeiten für Differenzierungen – wir denken da vor allem an ein noch durchgängigeres Konzept für die Patientinnen und Patienten.“
Bernd Himstedt: „Und dadurch, dass wir aus dem Nebeneinander ein Miteinander machen, werden wir Vieles aufrechterhalten können.“
Christoph von Dach: „Ausserdem entwickeln wir zusammen neue Konzepte und neue Angebote. Mit mehr Kraft aus zwei Quellen ist das möglich.“
Warum haben Sie sich gerade jetzt zu diesem Schritt des Zusammengehens entschlossen?
Isabella Herr: „Die Zeit ist jetzt reif dafür gewesen, die Veränderungen im Gesundheitswesen üben erheblichen Druck auf die Spitäler aus.“
Bernd Himstedt: „Vor allem durch die Strukturänderung des Gesundheitswesens mit der neuen Spitalfinanzierung und durch die Einführung des Systems der Fallpauschalen war das Geschäftsmodell der Lukas Klinik nicht mehr tragfähig.“
Andreas Jäschke: „Und auch die Ita Wegman Klinik war zu klein. Wir wollen uns die Handlungsfreiheit im gesundheitspolitischen Raum bewahren, in dem zu kleine und zu ähnliche Einheiten keine Zukunft haben.“
Warum haben Sie einen neuen Namen gewählt?
Bernd Himstedt: „Im Prinzip ist das ein alter Name, im Volksmund hiess die Ita Wegman Klinik bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts Klinik Arlesheim.“
Andreas Jäschke: „Wir knüpfen damit sozusagen an eine in Arlesheim bestehende Namenstradition vor Gründung der Lukas Klinik an. Auf dem Hut des Klinik-Chauffeurs aus den Anfangsjahren war bereits dieser Name in goldenen Lettern angebracht. Wir wollten vor allem einen gemeinsamen Namen in den Vordergrund stellen. Ausserdem wird der Name Arlesheim im gesundheitspolitischen Kontext seit langem mit der Anthroposophischen Medizin in Verbindung gebracht.“
Jede der beiden Kliniken hatte besondere Qualitäten – wie führen Sie diese zusammen?
Bernd Himstedt: „Mein Wunsch ist, das Beste aus beiden Kliniken zu erhalten. Ich möchte nicht darauf schauen, welche Tradition ist wo vorhanden, und diese weiterführen, sondern will auf die Qualitäten schauen. Es ist sicher nicht zielführend, alles möglichst schnell zu vereinheitlichen. Es lohnt sich, genau hinzuschauen und auch eine Vielfalt im Angebot zuzulassen.“
Lukas Schöb: „Mein Ideal ist, neugierig und offen aufeinander zuzugehen. Wir wollen schauen, was wir jeweils vom anderen lernen können. Wichtig ist, den Unterschied vom anderen als Bereicherung und nicht als Bedrohung zu erleben – dies ist im Konkreten eindeutig eine Herausforderung und führt auch ganz klar zu Schwierigkeiten. Diese sind jetzt mit dem rechtlichen Übergang vom Anfang April nicht abgeschlossen, sondern diese Arbeit beginnt erst jetzt. Es ist eine Kunst zu erkennen, wo wir das gewachsene Individuelle bewahren und wo wir Strukturen und Prozesse vereinheitlichen müssen. Auch wenn das Ganze anstrengend und für die Mitarbeitenden sehr fordernd ist, halte ich diesen Prozess per se als gesund, da vieles hinterfragt werden muss und neue Chancen erkannt werden können.“
Christoph von Dach: „Im Vordergrund darf nicht die Vereinheitlichung stehen, sondern eine Profilierung der Topqualitäten. Es gab in beiden Kliniken Sachen, die gut waren und die weiterhin Bestand haben sollten.“
In dieser Ausgabe der „Quinte“ stellen wir in verschiedenen Beiträgen Ita Wegman und Rita Leroi vor.
Wie gewährleisten Sie, dass deren damalige Absichten und Zielsetzungen für ihre Kliniken lebendig und wirksam bleiben?
Andreas Jäschke: „Sich die Gründungsintentionen vor Augen zu führen, kann immer nur die Basis sein sich weiterzuentwickeln. In ihrem Testament hat Ita Wegman vermerkt, dass die Klinik erhalten bleiben soll, wenn die Ideen, die für die Gründung der Klinik leitend waren, weiterhin befolgt werden. Wenn wir uns fragen, welches die Grundsätze waren, dann ging es neben der Versorgung des Patienten um die Überprüfung der geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse am Krankenbett. Es ging immer auch um Lehre und Forschung, die Klinik hatte stets einen Institutscharakter. Im Rahmen von Leitbildarbeit und strategischen Workshops ist es immer wieder geboten, sich ein Bild von den ursprünglichen Intentionen zu machen. Diese sind dann aber mutig vor dem Hintergrund der heutigen Bedürfnisse und Erfordernisse weiterzuentwickeln.“
Lukas Schöb: „Es geht nicht darum, Ita Wegman und Rita Leroi als Polaritäten aufzufassen. Sowohl Rita als auch Alexandre Leroi haben an den Impuls von Ita Wegman angeknüpft. Die Gründung der Lukas Klinik war damals eine Korrektur in Richtung Weltöffnung. Heute sind wir ganz offensichtlich wieder an einem Wendepunkt.“
Christoph von Dach: „Das Verbinden mit der modernen Medizin, das Forschen und die Ausbildung – das entspricht den Impulsen von Ita Wegman, sich zu vernetzen.“
Bernd Himstedt: „Beim Vernetzen geht es schliesslich nicht darum, so zu werden wie die anderen, sondern wir bringen uns in ein Netzwerk ein, wir bringen das ein, was kein anderer kann. Wir stellen uns modern in einen Austausch, wir machen nichts Rückwärtsgewandtes, sondern wir bringen etwas voran. Und wir setzen der Mechanisierung der Medizin etwas entgegen. Das haben auch die beiden Frauen damals getan.“
Isabella Herr: „Für mich steht Rita Leroi für die Weiterentwicklung der Möglichkeiten der Mistelbehandlungen und dafür, diese in die Welt zu bringen – wobei unbedingt vermerkt werden muss, dass das erste Mistelmedikament auf Ita Wegman zurückgeht! Ita Wegman steht für mich vor allem für die Weiterentwicklung der Anwendungen, sie entwickelte spezielle Einreibetechniken, Massagen und Bäder. Zusammen ergibt das für mich eine Art Sinfonie.“
Wo sehen Sie die Klinik in fünf Jahren?
Andreas Jäschke: „Ich habe das Bild einer Ausbildungsklinik für Ärzte, Therapeutinnen und Pflegende und das einer komplementärmedizinischen Referenzklinik in der Schweiz mit verschiedenen Schwerpunkten, das heisst sie wird beispielhaft sein in der Anwendung und Entwicklung anthroposophischer Therapien.“
Christoph von Dach: „So wird die Klinik Arlesheim ein wesentlicher Teil der medizinischen Versorgung in der Nordwestschweiz sein. Dazu gehören dann auch solche Angebote wie die Onko-Reha, die wir im Moment neu aufbauen.“
Isabella Herr: „Sie ist für Patientinnen und Patienten da, die mehr als nur medizinische Versorgung suchen. Die Klinik hat eine klare Qualitätsstrategie und eine exzellente Pflege und Therapie.“
Bernd Himstedt: „Ich habe die Vision eines kleinen soliden Spitals. Wachstum sehe ich mehr im Qualitativen und nicht in Bezug auf Quantität.“
Lukas Schöb: „Die Klinik Arlesheim ist ein attraktives Zentrum mit Ausstrahlung. Ich sehe noch viele grosse Aufgaben für eine erweiterte Medizin – insofern müssen wir uns den Fragen der heutigen Welt stellen und uns so einbringen, dass mehr Menschen Zugang zu dieser Medizin haben können – konkret in Bezug auf Grösse kann dies sehr unterschiedlich aussehen – dazu schon jetzt etwas zu sagen, erscheint mir schwierig.“
Was bedeutet für Sie persönlich der Schritt des Zusammengehens?
Fachperson | Isabella Herr, Pflegedienstleitung |
„Ich finde es überwältigend, dass ich gerade in dieser Zeit hier bin, die Zukunft mitgestalten kann.“ |
Fachperson | Dr. math. Andreas Jäschke, Geschäftsführer |
„Für mich ist es ein grosser Meilenstein auf einer langen Reise.“ |
Fachperson | Bernd Himstedt-Kämpfer, Leiter der Onkologie |
„Ich erlebe eine enorme Verantwortung, jetzt die Grundlage für das Zukünftige zu legen, Zukunft durch unser heutiges Tun zu ermöglichen.“ |
Fachperson | Dr. med. Lukas Schöb, Ärztlicher Leiter |
„Ich bin froh, dass die Kliniken nun gemeinsam in die Zukunft gehen können und dankbar, dass ich bei diesem Schritt aktiv dabei sein kann.“ |
Fachperson | Christoph von Dach, Pflegedienstleitung ambulant; Er wird sich ab Anfang Juni neuen Aufgaben ausserhalb der Klinik Arlesheim zuwenden. |
„Ich sehe das Potenzial des Zusammengehens für eine tragfähige Zukunft und die Notwendigkeit von Veränderungen. Das fordert von jedem von uns sehr viel und dient der Sache als Ganzes.“ |