Frauen im Management

Nach einem Gespräch mit Dr. med. Sei­ja Zim­mer­mann und Danie­la Bert­s­chy

Kli­nik­lei­tung und Ver­wal­tungs­rat der Kli­nik Arle­sheim haben ins­ge­samt zehn Mit­glie­der, dar­un­ter jeweils eine Frau. Mit den bei­den Frau­en die­ser Lei­tungs­or­ga­ne, Danie­la Bert­s­chy und Dr. med. Sei­ja Zim­mer­mann, hat „Quinte“-Redaktorin Vere­na Jäsch­ke über Frau­en mit Füh­rungs­auf­ga­ben gespro­chen.

Wer­fen wir zuerst einen Blick zurück. Nach der Grün­dung durch Ita Weg­man wur­de die Kli­nik in den ers­ten Jahr­zehn­ten haupt­säch­lich von Frau­en gelei­tet, in der Lukas Kli­nik gab es das glei­che Bild. Ent­ge­gen den Ursprungs­jah­ren der Kli­nik sind heu­te die obers­ten Lei­tungs­po­si­tio­nen vor­nehm­lich mit Män­nern besetzt. Lässt sich dafür eine Erklä­rung fin­den?

Von der Geschich­te pro­fi­tie­ren

Vor 100 Jah­ren hat­te die Frau­en­be­we­gung bereits eini­ge Erfol­ge erreicht, in Deutsch­land wur­de das Frau­en­wahl­recht 1918 ein­ge­führt, in Öster­reich 1920. Zu die­ser Zeit gab es auch in der Schweiz ers­te kan­to­na­le Abstim­mun­gen zum Frau­en­stimm­recht. Es soll­te aber noch fünf Jahr­zehn­te dau­ern, bis die­ses schweiz­weit ange­nom­men wur­de und wei­te­re Jah­re und Jahr­zehn­te bis zur tat­säch­li­chen Umset­zung. Hin­ge­gen war das Frau­en­stu­di­um im deutsch­spra­chi­gen Raum zuerst in der Schweiz mög­lich. Spä­tes­tens mit dem Ers­ten Welt­krieg nahm der Anteil der berufs­tä­ti­gen Frau­en stark zu. Doch war dies weder mit Gleich­be­rech­ti­gung noch mit der Gleich­stel­lung von Frau­en und Män­nern ver­bun­den, son­dern mit dem kriegs­be­ding­ten Feh­len der männ­li­chen Arbeits­kräf­te. Bereits im 19. Jahr­hun­dert setz­ten sich Per­sön­lich­kei­ten wie Hen­ry Dun­ant in der Schweiz oder Rudolf Virchow in Deutsch­land – bei­de beein­flusst durch Flo­rence Nigh­tin­ga­le – für die Ein­rich­tung von Kran­ken­pfle­ge­schu­len aus­ser­halb kirch­li­cher Insti­tu­tio­nen ein. Denn es gab vor 100 Jah­ren noch in vie­len Kli­ni­ken und Pfle­ge­in­sti­tu­tio­nen Ordens­schwes­tern, die die Pfle­ge der Kran­ken über­nah­men. In der Arle­shei­mer Kli­nik haben die Frau­en von Anfang an ihren Beruf in einer sehr moder­nen Art ergrif­fen und gelebt. Den Frau­en wur­de als Pfle­gen­de Ver­ant­wor­tung über­tra­gen und es wur­de viel Wert auf Aus­bil­dung gelegt – so sorg­te Ita Weg­man schon bald nach der Kli­nik­grün­dung für soge­nann­te „Schwes­tern­kur­se“ an der Kli­nik. Unter Ita Weg­mans Lei­tung wur­den an der Kli­nik ver­schie­de­ne The­ra­pie­rich­tun­gen ent­wi­ckelt, wie Hei­leu­ryth­mie, Rhyth­mi­sche Mas­sa­ge, Wickel und Auf­la­gen. An die­ser Ent­wick­lung waren vie­le Men­schen betei­ligt. Viel­leicht ist es die­se Selbst­ver­ständ­lich­keit des Ein­be­zugs von vie­len – Män­nern und Frau­en –, die man heu­te noch spürt. „Die Men­schen heu­te pro­fi­tie­ren von der Geschich­te, von der Ent­wick­lung und haben gleich­zei­tig einen Gestal­tungs­frei­raum, wobei das defi­ni­tiv geschlech­ter­un­ab­hän­gig ist. Es geht immer um den indi­vi­du­el­len Men­schen, um sei­ne Auf­ga­ben, sei­ne Ver­ant­wor­tung, sei­nen Weg“, fasst Sei­ja Zim­mer­mann zusam­men.

Frau? Mann? Mensch!

In den bei­den obers­ten Füh­rungs­gre­mi­en arbei­ten der­zeit zwei Frau­en und acht Män­ner. Die­se Ver­tei­lung ent­spricht in etwa dem gene­rel­len Ungleich­ge­wicht von Frau­en und Män­nern in höhe­ren Kader­po­si­tio­nen in Schwei­zer Unter­neh­men. Anders ist die Situa­ti­on im mitt­le­ren Manage­ment der Kli­nik. Hier ist das Ver­hält­nis von Frau­en und Män­nern in einer Vor­ge­setz­ten­funk­ti­on aus­ge­gli­chen. Bei den Sta­ti­ons­lei­tun­gen (ärzt­lich und pfle­ge­risch) über­wie­gen dage­gen ein­deu­tig die Frau­en. Es ist deut­lich: Trotz hohem Frau­en­an­teil des Kli­nik­per­so­nals und trotz Chan­cen­gleich­heit konn­te nicht erreicht wer­den, mehr Frau­en für das Top-Manage­ment zu gewin­nen.
Dabei gab es zur Zeit der Umwand­lung der Kli­nik in eine Akti­en­ge­sell­schaft im Jahr 2008 deut­lich mehr Frau­en als heu­te im Ver­wal­tungs­rat. Im Lauf der Jah­re hat sich dies gewan­delt. Doch die zunächst als ver­meint­li­ches „Miss­ver­hält­nis“ erkenn­ba­re unglei­che Ver­tei­lung der Geschlech­ter im obers­ten Manage­ment muss nicht unbe­dingt pro­ble­ma­tisch sein. Die Art der Zusam­men­ar­beit sowohl im Ver­wal­tungs­rat als auch in der Kli­nik­lei­tung lässt das Gen­der­be­wusst­sein in den Hin­ter­grund tre­ten, bestä­ti­gen die bei­den Gesprächs­part­ne­rin­nen. „Es sind Men­schen, die sich ihrer Ver­ant­wor­tung stel­len. Man nimmt sich gegen­sei­tig in der Funk­ti­on und mit den Fähig­kei­ten wahr. Es geht nicht dar­um, ob Frau oder Mann“, berich­tet Sei­ja Zim­mer­mann. Danie­la Bert­s­chy erläu­tert: „Ein wesent­li­cher Grund dafür liegt im wert­schät­zen­den Umgang mit­ein­an­der und in einer Acht­sam­keit, die in der anthro­po­so­phi­schen Kli­nik stark ver­an­kert und klar gen­de­r­un­ab­hän­gig ist.“

Star­ke Frau­en und Män­ner

Inwie­weit die­se Hal­tung in der Kli­nik mit dem hier vor­herr­schen­den Men­schen­bild zu tun hat oder auch mit dem schon von Ita Weg­man gepfleg­ten Ansatz, die Men­schen – egal ob Mann oder Frau – ent­spre­chend ihren Fähig­kei­ten ein­zu­set­zen, lässt sich nicht mit Bestimmt­heit sagen.

Sei­ja Zim­mer­mann erzählt: „Wenn ich ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­te­rin­nen erle­be, die mitt­ler­wei­le in hohem Alter sind, strah­len die­se ein Selbst­be­wusst­sein aus – durch ihre Arbeit, ihr Lebens­werk. Das hat für mich etwas Hoch­mo­der­nes. Sie ste­cken nicht in Mus­tern von Geschlech­ter­wett­streit.“ Damit kein Miss­ver­ständ­nis auf­kommt: Auch in der Kli­nik Arle­sheim gab und gibt es unter­schied­li­che Ansich­ten, Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten, Kon­flik­te. Wie über­all, wo vie­le ver­schie­de­ne Men­schen zusam­men­ar­bei­ten, muss um best­mög­li­che Lösun­gen durch­aus auch gerun­gen wer­den. Doch dies ist unab­hän­gig von der Geschlech­ter­fra­ge.
Viel­leicht hängt das mit dem Geist Ita Weg­mans zusam­men und der Tat­sa­che, dass von Anfang an die Frau­en eine min­des­tens gleich star­ke Posi­ti­on hat­ten. In der Pfle­ge gibt es nach wie vor über­wie­gend Frau­en in der Kli­nik, der all­mäh­li­che Zuwachs an männ­li­chen Pfle­gen­den wird sehr begrüsst. Im ärzt­li­chen Bereich konn­ten in letz­ter Zeit vie­le top aus­ge­bil­de­te Frau­en ange­stellt wer­den, was Danie­la Bert­s­chy sehr freut.
Wie sieht das bei Stel­len mit Füh­rungs­ver­ant­wor­tung aus? „Es kann nicht dar­um gehen, unbe­dingt eine Frau anzu­stel­len, son­dern es muss dar­auf geschaut wer­den, wel­che Kom­pe­ten­zen und Qua­li­tä­ten not­wen­dig sind“, ist Danie­la Bert­s­chy über­zeugt und for­mu­liert zugleich: „Die Kli­nik war immer mutig genug, den geeig­ne­ten Men­schen zu wäh­len und kei­ne Quo­ten­frau.“
War­um sich nur weni­ge Frau­en auf Füh­rungs­po­si­tio­nen bewer­ben, bleibt ein Stück weit Spe­ku­la­ti­on. Dass Frau­en grund­sätz­lich die glei­chen Chan­cen haben in der Kli­nik, davon sind bei­de über­zeugt und dafür wer­den sie sich auch wei­ter ein­set­zen.

 

Fach­per­son

Dr. med. Sei­ja Zim­mer­mann

Arbeits­schwer­punk­te Kin­der­ärz­tin in Finn­land
vie­le Jah­re Vor­stands­tä­tig­keit All­ge­mei­ne
Anthro­po­so­phi­sche Gesell­schaft
seit 2008 Mit­glied im Ver­wal­tungs­rat
der Kli­nik Arle­sheim AG
Kon­takt seija.zimmermann@fimnet.fi

 

Fach­per­son

Danie­la Bert­s­chy

Arbeits­schwer­punk­te Mit­glied Kli­nik­lei­tung
Lei­te­rin Pfle­ge
PDL Psych­ia­trie
Kon­takt daniela.bertschy@klinik-arlesheim.ch

 

 

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