
Ein Überwärmungsbad, auch Hyperthermiebad genannt, wirkt tiefgreifend ein in die Vorgänge von Durchblutung, Stoffwechsel und Wärmeregulation des Menschen. Die kurzzeitige passive Überwärmung des Organismus gehört zu den ältesten Therapieformen der Naturheilkunde überhaupt.
Die Autorin sprach mit Jörg Pfleumer, als medizinischer Masseur an der Ita Wegman Klinik tätig, über seine Erfahrungen mit Überwärmungsbädern. An einem Beispiel werden die Besonderheiten dieser Therapieform deutlich.
Frau BORN (Name von der Redaktion geändert), 44-jährig, kommt am frühen Vormittag in die Physiotherapieabteilung. Ihr Arzt hat ihr Überwärmungsbäder verordnet. Immer wieder schmerzen ihre Gelenke, an manchen Tagen kann sie nichts fest in die Hand nehmen. Seit dem letzten Winter, als sie eine langwierige Erkältung nicht richtig auskurieren konnte, leidet sie zudem unter wiederkehrenden Nasennebenhöhleninfekten. Ihre Füsse sind meist kalt. Eine unbestimmte niedergeschlagene Stimmung befällt sie häufig in letzter Zeit. In dieser Woche nun geht es ihr eigentlich besser. Das ist der richtige Zeitpunkt, um mit den Bädern zu beginnen, wie ihr der Arzt versichert.
Er hat ihr auch bereits beschrieben, wie ein Überwärmungsbad durchgeführt wird. Dennoch ist sie etwas aufgeregt. Ein Bad nehmen, um Fieber zu bekommen? Es liegt schon länger zurück, dass sie Fieber hatte. Sie weiss noch, dass es sie sehr angestrengt hatte. Von ihrem Arzt weiss sie, dass auch ein solches Bad viel Kraft beansprucht. Auf seinen Rat hin hat sie sich den heutigen Tag von allem frei genommen. Sie kann sich also ganz auf das Bad konzentrieren.
Alles ist gut vorbereitet
Herr Pfleumer, ihr Therapeut, erwartet sie. Die grosse Holzbadewanne ist bereits zur Hälfte mit 37° warmem Wasser gefüllt. Ein leichter Duft nach Heu erfüllt den Raum. Heublumen fördern Entspannung und Schmerzlinderung, einen Absud dieser Pflanzen hat Herr Pfleumer soeben dem Badewasser beigegeben. Daneben steht die Liege mit vorgewärmten Tüchern für die Nachruhe. Alles strahlt soviel Ruhe aus. Die Aufregung von Frau Born legt sich. Bevor sie ihre Kleider ablegt, bespricht Herr Pfleumer nochmals den Ablauf mit ihr. Dann misst er Puls, Blutdruck und Körpertemperatur. Da Frau Born zu einem eher niedrigen Blutdruck neigt, erhält sie kreislaufunterstützende homöopathische Tropfen. Wie versprochen kommt ihr Arzt dazu und fragt sie nach ihrem Befinden. Sie merkt, wie sie das beruhigt.
Weit weg von allem
Nun steigt Frau Born ins Bad. Die Wanne kommt ihr riesengross vor. Ganz klein fühlt sie sich. Herr Pfleumer gibt ihr eine Fussstütze. So ist ihr wohler. Ihr Kopf liegt in einer kleinen Trage, wie in einer Hängematte, denkt sie. Ganz taucht sie ein ins körperwarme Wasser. Nur das Gesicht schaut noch heraus. Auch die Ohren sind unter Wasser, so dass die Geräusche um sie nur noch gedämpft an sie herandringen. Sie ist weit weg von allem, ganz bei sich. So muss es einmal im Mutterleib gewesen sein.
Die Kopftrage hält sie sicher, und sie kann sich mehr und mehr entspannen. Nun lässt Herr Pfleumer mit dem Duschschlauch langsam heisses Wasser zulaufen. Auf dem Thermometer, das in der Wanne schwimmt, prüft er den allmählichen Anstieg der Wassertemperatur. Seine Frage nach ihrem Wohlbefinden beantwortet sie mit einem kurzen Kopfnicken. Falls nötig besteht immer die Möglichkeit zu Blickkontakt. Doch zieht sie es jetzt vor, sich mit geschlossenen Augen zu entspannen.
Wärme von aussen und innen
Nach etwa zehn Minuten ist die Wassertemperatur um 1° gestiegen, und Herr Pfleumer misst wiederum Puls, Blutdruck und gibt ihr ein Fieberthermometer unter die Zunge. Die Blutdruckmanschette bleibt jetzt gleich am Arm. Frau Born weiss, warum. In regelmässigen Abständen wird ihr Therapeut diese Werte messen und protokollieren. Ihre Körpertemperatur soll der Temperatur des Wassers folgen.
Da Frau Born die zugeführte Wärme nicht durch Schwitzen ausgleichen kann, versuchen sich zunächst die feinen Blutgefässe der Haut eng zu machen, um möglichst wenig an zusätzlicher Wärme heranzulassen. Deshalb greift Herr Pfleumer nun zu den bereitliegenden Sisalhandschuhen und reibt in zügigem Rhythmus Beine und Füsse, was die Hautdurchblutung anregt. Ein leichter Kopfdruck, den Frau Born zuvor verspürt hatte, lässt nach. Die zunehmende Wärme des Wassers ist jetzt deutlich wahrnehmbar. Aus einer Tasse mit Strohhalm nimmt sie gern einen Schluck warmen Lindenblütentee mit Honig, der ihr von ihrem Therapeuten angeboten wird. So kommt der Wärme von aussen noch innere Wärme entgegen.
Die Wärme steigt und bedrängt
Langsam wird es Frau Born eng in der Wanne. Eigentlich badet sie immer gern warm. Aber jetzt merkt sie, wie die zunehmende Wärme sie bedrängt. Für einen Moment steigt Angst in ihr auf. Am liebsten würde sie jetzt aussteigen. Die Rücksprache mit ihrem Therapeuten beruhigt sie wieder. Während der Puls jetzt zwar deutlich schneller pocht, verhält sich der Blutdruck in der Messung erstaunlich stabil. Keine Angst, sagt sie sich, hier passt jemand sehr gut auf dich auf. Herr Pfleumer verlangsamt trotzdem die Zufuhr des heissen Wassers etwas und bürstet nochmals Beine und Füsse, was belebend wirkt. Die Schweisstropfen, die sich auf ihrem geröteten Gesicht immer mehr sammeln, wischt er mit einem weichen Tuch fort. Die Berührung tut ihr gut. Ihr Arzt kommt noch einmal und schaut nach ihr. Auch er strahlt Ruhe aus. Alles in Ordnung, weiss Frau Born.
Wie im Fieber
Nach einer guten dreiviertel Stunde hat sich ihre Körpertemperatur auf 38,5° erhöht. Es fühlt sich für sie an, als würde bei einer Grippe das Fieber spürbar steigen. Sie möchte jetzt raus aus dem Wasser. Endlich gibt Herr Pfleumer ihr dazu das Zeichen. Er hilft ihr, sich langsam aufzurichten. Das ist tatsächlich wie Fieber, denkt sie, und setzt sich leicht schwindelig einen Moment auf den Wannenrand. Wie gut, dass die Liege gleich daneben steht. Endlich wieder Abkühlung, hofft Frau Born. Doch Herr Pfleumer hüllt sie jetzt von Kopf bis Fuss so in die vorgewärmten Tücher ein, dass nirgends nasse Haut aufeinander zu liegen kommt. Wie ein Wickelkind kommt sie sich vor. Es ist nicht wirklich eng unter den Tüchern, aber durch die anhaltende Wärme bildet sich jetzt mächtig Schweiss.
Gut eingepackt fährt Herr Pfleumer sie mit der Liege in den Ruheraum nebenan. Durch die Packung sinkt die erhöhte Temperatur nur allmählich Das ist erwünscht, aber Frau Born kommt damit nochmals an ihre Grenzen. Wie gut, dass Herr Pfleumer immer wieder nach ihr schaut. Er tupft ihr den Schweiss vom Gesicht und gibt ihr auf Verlangen lauwarmen Tee gegen den Durst.
Die Abkühlung erleichtert
Nach einer Stunde Schwitzen wird Frau Born aus der Packung heraus mit Zitronenwasser abgewaschen und in frische Tücher locker eingehüllt. Das bringt willkommene Erleichterung. Frau Born muss nun nochmals ruhen, bis ihre Körpertemperatur wieder 37° erreicht hat. Aber sie spürt bereits, wie ihr leichter wird. Der grösste Druck ist weg, und sie sinkt in einen kurzen aber erholsamen Schlaf.
Nach einer weiteren halben Stunde und einer letzten Kontrolle ihrer Werte darf sich Frau Born ankleiden. Jetzt versteht sie, warum sie sich den Tag frei nehmen sollte. Sie hat den Eindruck, soeben sehr viel erlebt zu haben. Sie fühlt sich an „wie neu geboren“, ist von Kopf bis Fuss wohlig durchwärmt und hat nur einen grossen Wunsch nach Ruhe und Erholung. Bevor Frau Born geht, versichert sie Herrn Pfleumer, am nächsten Tag ihren Arzt anzurufen, um ihm von ihrem Befinden zu berichten.
Fachperson | Verena Jäschke |
Arbeitsschwerpunkte | seit 1996 an der Ita Wegman Klinik tätig, seit 2001 Redaktion „Quinte“, seit 2003 Beauftragte für Kommunikation der Ita Wegman Klinik, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing |
Kontakt | verena.jaeschke@wegmanklinik.ch |