
Liebe Leserin, lieber Leser
Um die Zeit bis zu meinem Studium zu überbrücken, habe ich einige Monate in einem Altersheim gearbeitet. Einige Male kam ich zu meiner Schicht und erfuhr, dass einer der Bewohner verstorben ist. Es war ein merkwürdiges Gefühl, hatte ich ihn doch am Vortag gerade noch versorgt, mit ihm gesprochen. Und plötzlich war er weg. Ohne Abschied. Das war wie in einem Film, wenn der Verstorbene so rasch wie möglich aus seinem Zimmer in einen Kühlraum gebracht wird.
Wie anders war dann das Erlebnis, als ich vor mittlerweile über zwanzig Jahren an die Klinik kam. Vor einem Raum, ganz in der Nähe des Empfangs, stand ab und zu ein kleines Schild mit der Aufschrift «Bitte Ruhe». Es handelte sich um den Aufbahrungsraum der Klinik, wie ich bald darauf feststellte. Mir wurde erklärt, dass die in der Klinik verstorbenen Patienten in diesem Raum bis zu drei Tagen aufgebahrt werden können. Das war eine für mich erstaunliche Entdeckung und hat mich sehr begeistert: Ein Raum – mitten im Spital, mitten im Leben, in dem man sich von den Verstorbenen verabschieden kann.
Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, mussten wir in der Familie erleben, als mein Schwiegervater verstarb. Er lebte mehrere Hundert Kilometer entfernt, wir konnten nicht bei ihm sein, als er über die Schwelle des Todes ging. Aber noch am selben Abend kamen wir in der dortigen Klinik an. Auf die Frage, ob wir ihn denn noch einmal sehen können, ernteten wir nur verständnislose Blicke.
Um so mehr bin ich froh, dass in unserer Klinik ein anderer Umgang mit dem Sterben, mit dem Tod, mit den Verstorbenen erlebbar ist und ein würdiger Abschied möglich ist – für die Angehörigen ebenso wie für die Mitarbeitenden.
Für das Redaktionsteam | Verena Jäschke
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