Ernährung im Alter

Ab der zwei­ten Lebens­hälf­te wird es immer wich­ti­ger, die eige­ne Fit­ness durch ein gesund­heits­be­wuss­tes Ver­hal­ten zu för­dern. Dazu gehört auch die Ernäh­rung, weil unse­re Gesund­heit und unser Wohl­be­fin­den sehr davon abhän­gen, was und wie wir essen. Mit den Jah­ren nimmt das natür­li­che Hun­ger- und Durst­ge­fühl ab, das Essen schmeckt wen­gier inten­siv. Sinn­li­che Rei­ze die den Appe­tit stei­gern, kön­nen schlech­ter wahr­ge­nom­men wer­den. Kau-, Schluck- oder Ver­dau­ungs­pro­ble­me kön­nen dazu füh­ren, dass die nöti­gen Nähr­stof­fe schlech­ter auf­ge­nom­men wer­den. Die Fol­gen einer ein­sei­ti­gen Lebens­mit­tel­aus­wahl von Über- oder Unter­ernäh­rung machen sich in die­ser Lebens­pha­se deut­li­cher bemerk­bar.

Essgewohnheiten sanft anpassen

Gera­de im Alter ist es nicht nur wich­tig, dem Kör­per alle Lebens­mit­tel der ver­schie­de­nen Nah­rungs­mit­tel­grup­pen bezie­hungs­wei­se die not­wen­di­ge Ener­gie und alle essen­zi­el­len Nähr­stof­fe im rich­ti­gen Ver­hält­nis zuzu­füh­ren, son­dern das Essen auch mit Lust und Freu­de zu genies­sen.
Aus­ser im Krank­heits­fall ist nie eine stren­ge Diät not­wen­dig. Es braucht im Senio­ren­al­ter auch kei­ne beson­de­re Schon­kost, son­dern eine alters­ge­rech­te Ernäh­rung. Sinn­voll ist es, die per­sön­li­chen Ess­ge­wohn­hei­ten früh­zei­tig den sich ändern­den Umstän­den anzu­pas­sen. Sol­che Ände­run­gen führt man am bes­ten all­mäh­lich und behut­sam ein. Unser Kör­per ist ein ein­ge­spiel­ter Orga­nis­mus und braucht Zeit, um sich Neu­em hin­wen­den zu kön­nen. Eine dras­ti­sche, schnel­le Umstel­lung kann eher zu Unver­träg­lich­kei­ten und Ver­dau­ungs­pro­ble­men füh­ren.

Vielfältig und ausgewogen essen

Im Alter sinkt der Ener­gie­be­darf – Män­ner benö­ti­gen cir­ca 1900 kcal, Frau­en cir­ca 1700 kcal –, der Bedarf an Mikro­nähr­stof­fen wie Vit­ami­nen, Mine­ra­li­en, Spu­ren­ele­men­ten und essen­zi­el­len Fett­säu­ren aber bleibt gleich oder steigt sogar an. Auch Bal­last­stof­fe und die Eiweiss­ver­sor­gung, auch in Form von Fleisch, sind im Alter sehr wich­tig. Des­halb ist es rat­sam, Lebens­mit­tel zu bevor­zu­gen, die wenig Kalo­ri­en und vie­le Nähr­stof­fe lie­fern, wie zum Bei­spiel Obst und Gemü­se, Sala­te, Voll­korn­pro­duk­te, fett­ar­me Milch und Milch­pro­duk­te.
Älte­re Men­schen sind anfäl­li­ger für gewis­se Ver­dau­ungs­stö­run­gen wie Ver­stop­fung, Durch­fall, Blä­hun­gen oder Völ­le­ge­fühl, da die Leis­tungs­fä­hig­keit der Ver­dau­ungs­or­ga­ne im Alter abnimmt. Ande­re Ursa­chen lie­gen bei der indi­vi­du­el­len Ernäh­rungs­wei­se: zu wenig nah­rungs­fa­ser­rei­che Lebens­mit­tel, Flüs­sig­keits­man­gel respek­ti­ve zu gerin­ge Flüs­sig­keits­zu­fuhr, zu fett­rei­che oder zu gros­se Mahl­zei­ten, aber auch feh­len­de Zwi­schen­mahl­zei­ten, zu schnel­les Essen und unge­nü­gen­des Kau­en. Ursa­che kön­nen zudem Medi­ka­men­te oder Krank­hei­ten sein, des Wei­te­ren die per­sön­li­che Lebens­si­tua­ti­on mit Stress, see­li­scher Span­nung oder Depres­si­on.

Bewegung und Grundumsatz

Ich esse so wie frü­her, aber ich neh­me von Jahr zu Jahr zu!“ Wie oft ist die­se Kla­ge zu hören, nicht nur, aber beson­ders von Frau­en im mitt­le­ren bis höhe­ren Alter. „Schuld“ dar­an sind ganz natür­li­che Vor­gän­ge. Mit zuneh­men­dem Alter ver­rin­gert sich der Grund­um­satz, das heisst der Kör­per braucht weni­ger Ener­gie für die Arbeit sei­ner Orga­ne. Zusätz­lich bewe­gen sich älte­re Men­schen weni­ger als in jun­gen Jah­ren.
Wer sich dem­ge­gen­über regel­mäs­sig viel bewegt, kann auch mehr essen. Dies macht es ein­fa­cher, den täg­li­chen Bedarf an Vit­ami­nen, Mine­ral­stof­fen und Spu­ren­ele­men­ten zu decken, zumal Bewe­gung den Appe­tit anregt. Damit fällt es im umge­kehr­ten Sinn auch leich­ter, ein gesun­des Gewicht zu hal­ten und nicht über­mäs­sig abzu­neh­men.
Regel­mäs­si­ge Bewe­gung hat zudem den Vor­teil, dass die Mus­keln nicht abge­baut wer­den, ein psy­chi­sches Gleich­ge­wicht erlangt wird und Zivi­li­sa­ti­ons­krank­hei­ten vor­ge­beugt wer­den kann. Des Wei­te­ren för­dert kör­per­li­che Akti­vi­tät an der fri­schen Luft durch die Son­nen­ein­strah­lung die Bil­dung von Vit­amin D, wel­ches zusam­men mit dem Kal­zi­um für die Kno­chen­dich­te ver­ant­wort­lich ist.

Ausreichend trinken

Unser täg­li­cher Bedarf an Was­ser liegt bei ca. 2,5 Litern, an heis­sen Tagen noch mehr. Davon neh­men wir gut 30% mit der fes­ten Nah­rung auf. Für den Rest­be­darf müs­sen wir trin­ken. Bei älte­ren Men­schen lässt das Durst­ge­fühl nach, sie trin­ken des­halb ten­den­zi­ell zu wenig. Da kann es hilf­reich sein, eine Was­ser­fla­sche an eine gut sicht­ba­re Stel­le im Haus zu stel­len.

Die Emp­feh­lung, ein­ein­halb Liter Flüs­sig­keit pro Tag zu sich zu neh­men, gilt für alle Alters­grup­pen. Reich­lich Was­ser trin­ken hilft gegen Müdig­keit, Kopf­schmer­zen und nied­ri­gen Blut­druck und kann unse­re Leis­tungs­fä­hig­keit erhö­hen. Durch sei­ne Spül­wir­kung in Nie­ren und Bla­sé ver­hü­tet es Stein­bil­dung und Infek­tio­nen.

Bewusste Nahrungszubereitung

Wenn wir uns dem Pro­zess der Essens­zu­be­rei­tung mit ein wenig mehr Acht­sam­keit hin­wen­den, dann kann sich uns ein Tor zu unse­ren Sin­nen eröff­nen und auch eine „inne­re Ernäh­rung“ ermög­li­chen.

Die Pflan­zen, die sich unter unse­ren Hän­den in eine uns näh­ren­de und Kraft schen­ken­de Spei­se ver­wan­deln, bie­ten eine brei­te Facet­te von Far­ben und Gerü­chen. Dun­kel­blaue Früch­te wie Holun­der, Zwetsch­gen, Aro­nia-, Hei­del- oder Brom­bee­ren, gel­be Papri­ka, grü­ne Zuc­chi­ni oder oran­ge Apri­ko­sen, Möh­ren, Kür­bis­se erfreu­en nicht nur das Auge. Ihre Far­be beruht auf sekun­dä­ren Pflan­zen­stof­fen wie Antho­cya­nen oder Caro­ti­noi­den, und die­sen wer­den gesund­heits­för­der­li­che Eigen­schaf­ten zuge­ord­net. So schüt­zen sie Zel­len vor Alte­rung, stär­ken das Immun­sys­tem oder wir­ken ent­zün­dungs­hem­mend.

Auch die Anre­gung für die See­le durch ein far­ben­fro­hes Essen trägt zum Wohl­be­fin­den bei. Far­ben wir­ken anre­gend, den Appe­tit stei­gernd. Daher wird emp­foh­len, bei der Zusam­men­stel­lung sei­nes Essens auch auf die Far­ben zu ach­ten.

Gute Atmosphäre und Gemeinschaft pflegen

Leich­tig­keit und Freu­de sind ange­sagt, wäh­rend die Spei­sen den Weg in unse­ren Kör­per fin­den. Die Art und Wei­se und der Inhalt der Gesprä­che wäh­rend der Mahl­zeit spie­len eine gros­se Rol­le. Tisch­ge­be­te und -sprü­che sind ein wun­der­ba­res Mit­tel, um die gewünsch­te Stim­mung am Tisch ein­zu­lei­ten.

Nut­zen wir die sozia­le Kom­po­nen­te des täg­li­chen Essens, wird es regel­recht zu einem Quell in unse­rem Leben. Mahl­zei­ten in Gemein­schaft ein­ge­nom­men näh­ren viel­fäl­tigs­te Sei­ten unse­res Seins. Wir alle brau­chen Wär­me, Nähe, Zuwen­dung. Ein gemein­sa­mes Mahl kann mit der rich­ti­gen inne­ren Hal­tung genau dies den Men­schen an unse­rem Tisch ver­mit­teln.
Es brau­chen gar kei­ne Semi­na­re in der Fer­ne gebucht zu wer­den, die uns zu mehr Acht­sam­keit füh­ren sol­len. Die Mög­lich­keit dazu bie­tet sich uns jeden Tag, wir brau­chen sie nur bewusst zu ergrei­fen.

Wer kein sozia­les Umfeld hat und beim Ein­kau­fen oder Kochen ein­ge­schränkt ist, kann ver­schie­de­ne Ange­bo­te nut­zen, Ein­kau­fen per Tele­fon oder Inter­net, Spitex- und Mahl­zei­ten­diens­te und vor allem Mit­tags­ti­sche, wo man gemein­sam mit ande­ren Senio­ren isst.

Wir und das grosse Ganze

Schau­en wir dann nicht nur auf uns selbst, son­dern sehen uns als einen Teil des Gan­zen, ist es wie selbst­ver­ständ­lich, dass auch die Her­kunft, die Ver­ar­bei­tung und die Ver­kaufs­we­ge unse­rer Nah­rung wich­tig sind und wir damit Ein­fluss auf das Welt­ge­sche­hen neh­men kön­nen.
Bio­lo­gisch ange­bau­te Lebens­mit­tel aus über­wie­gend regio­na­lem Anbau bie­ten sich dann förm­lich an. So wird nicht nur uns gedient, son­dern dem gan­zen Erd­ball. Jeder Schritt von jedem ein­zel­nen Men­schen hin­ter­lässt sei­ne Spu­ren. Wir haben es in der Hand, ob sich die Zukunft auf unse­rem Pla­ne­ten auf posi­ti­ve oder nega­ti­ve Wei­se mani­fes­tiert.

Eigenverantwortung wahrnehmen

In guter Kom­bi­na­ti­on mit einem Grund­wis­sen über gesun­de Ernäh­rung eröff­net uns die Ernäh­rung auch den Weg in ein selbst­be­stimm­tes Leben. Dies ist ganz im Sinn des Begrün­ders der Anthro­po­so­phie, Rudolf Stei­ner, der immer wie­der beton­te, dass jeder Mensch sel­ber her­aus­fin­den muss, was für ihn die ange­mes­se­ne Ernäh­rung zu einem bestimm­ten Zeit­punkt ist. Eigen­ver­ant­wor­tung ist hier also gefragt, fes­te Regeln und enge Vor­schrif­ten haben kei­nen Platz. Dies stellt für uns eine Her­aus­for­de­rung dar. Stei­ner beton­te schon Anfang des letz­ten Jahr­hun­derts, dass wir in der heu­ti­gen Zeit mehr und mehr das Gespür dafür ver­lo­ren haben, was uns beim Essen bekommt oder was nicht.

Ach­ten Sie des­halb auf die Signa­le Ihres Kör­pers und geben Sie ihm, was er braucht. Wir kön­nen zum Bei­spiel schau­en, ob wir eher der Mor­gen- oder der Abend­typ sind. Benö­tigt mein Kör­per gleich nach dem Auf­ste­hen Nah­rung? Dann bin ich eher der Mor­gen­typ und soll­te dem­entspre­chend abends nicht so viel und schwe­res Essen zu mir neh­men. Anders ist es beim Abend­typ. Bei ihm ist es so, dass der Stoff­wech­sel erst spä­ter am Tag anspringt und er somit auch erst spä­ter Nah­rung benö­tigt.

Sinnorientierte Ernährung

Ein bis­her viel zu sehr ver­nach­läs­sig­ter Aspekt in der Ernäh­rungs­fra­ge ist die Sinn-Fra­ge. Mein Essen kann mich zwar woh­lig fül­len, doch gleich­zei­tig auch trä­ge und matt machen. Auf der ande­ren Sei­te kann ich mich auch in einer Wei­se ernäh­ren, dass eine Grund­la­ge für inne­re Wach­heit, Wahr­neh­mung im Selbst und im Aus­sen ver­mehrt statt­fin­den kann. Sehe ich im Sinn des Lebens ein stän­di­ges eige­nes inne­res Wach­sen, dann brau­che ich die rich­ti­ge Ernäh­rung zur rich­ti­gen Zeit in der rich­ti­gen Gestalt und mit einer gesun­den dank­ba­ren Gesin­nung ihr gegen­über als Basis, als Grund­la­ge für mein stän­di­ges Wach­sen.

Rudolf Stei­ner hat hier­zu gesagt: „Kann es eine Mög­lich­keit geben, die­sen Leib so zu gestal­ten, dass er ein immer geeig­ne­te­res Werk­zeug wird für die Impul­se unse­res geis­ti­gen Lebens, und wer­den wir nicht dann auf einem Umweg, dadurch, dass wir ihn in der rich­ti­gen Wei­se ernäh­ren, dadurch gera­de frei und unab­hän­gig von unse­rem Lei­be?“*

Fazit

Eine akti­ve und gesun­de Lebens­ge­stal­tung mit vie­len sozia­len Kon­tak­ten und Erleb­nis­sen, regel­mäs­si­ger kör­per­li­cher Bewe­gung sowie einer aus­ge­wo­ge­nen und viel­sei­ti­gen Ernäh­rung, die mit Genuss, lie­be­vol­ler Hin­wen­dung und freu­di­ger Dank­bar­keit den Weg in unse­re Innen­welt fin­det, ist die bes­te Grund­la­ge für ein gesun­des Alter.

In die­sem Sinn machen wir uns doch eine Not­wen­dig­keit zu einer ange­neh­men Tugend. Ich wün­sche von Her­zen viel Genuss und Freu­de beim Essen!

*Quel­le: „Ernäh­rung im Lich­te der Geis­tes­wis­sen­schaft“ in „Vom Geheim­nis der Ernäh­rung“ von Rudolf Stei­ner, Sei­te 11, 1. Auf­la­ge 2010

Autoren3

Fach­per­son Sabi­ne Hur­witz
Arbeits­schwer­punk­te Dipl. Öko­thro­po­lo­gin
(Ernäh­rungs­wis­sen­schaft­le­rin)
Lang­jäh­ri­ge Semi­nar­tä­tig­keit im Gesund­heits­we­sen,
sowie Pro­dukt­ent­wick­lung im Natur­wa­ren-,
Kräu­ter­be­reich. Der­zeit tätig im Diät­bü­ro der Ita Weg­man Kli­nik.
Kon­takt sabine.hurwitz@wegmanklinik.ch

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