Die Mitte beleben: Drei Heilpflanzen bei Herzklappenerkrankungen

Im Herz grei­fen fort­wäh­rend gestal­te­te Bewe­gung und beweg­te Gestalt im rhyth­mi­schen Wech­sel inein­an­der. Bei Herz­klap­pen­er­kran­kun­gen fin­det eine Stö­rung der gestal­ten­den Form­kräf­te statt. Zur beglei­ten­den Behand­lung wer­den in der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin unter ande­rem pflanz­li­che Heil­mit­tel ein­ge­setzt.

Zur ergän­zen­den The­ra­pie von Herz­klap­pen­er­kran­kun­gen wer­den vor allem ver­wen­det der Weiss­dorn (Cra­ta­e­gus), der Berg­lor­beer (Kal­mia lati­fo­lia) und die Früh­lings­schlüs­sel­blu­me – hier ins­be­son­de­re in Ver­bin­dung mit Gold (Pri­mu­la auro cul­ta). Sie kön­nen har­mo­ni­sie­rend, gestalt­bil­dend und -ord­nend sowie vita­li­sie­rend auf die ver­fes­ti­gen­den oder auf­lö­sen­den Pro­zes­se wir­ken.

Cha­rak­te­ris­tisch für die drei Herz­heil­pflan­zen ist ihr leben­di­ger Umgang mit pola­ren Kräf­ten: dem Irdi­schen und Kos­mi­schen, der Schwe­re und Leich­te, den gestau­ten und über­schies­sen­den Wachs­tums­kräf­ten. Ver­gleich­ba­re Pro­zes­se fin­den im Herz­or­gan statt, das zwi­schen «obe­rem» und «unte­rem» Men­schen, das heisst zwi­schen bewusst­seins­tra­gen­dem Ner­ven-Sin­nes­be­reich und unbe­wusst ver­lau­fen­der Stoff­wech­sel-Glied­mas­sen­or­ga­ni­sa­ti­on, sowie zwi­schen Zusam­men­zie­hen und Aus­deh­nung ein dyna­mi­sches Gleich­ge­wicht schafft.

Gestaute Vitalität: der Weissdorn

Der dor­nen­rei­che, hart­hol­zi­ge Strauch mit sei­nem dich­ten, undurch­dring­li­chen Ast- und Zweig­werk sowie sei­nen stark geform­ten, drei­gel­app­ten Blät­tern zeigt gros­se Vita­li­tät in den Wachs­tums­pro­zes­sen einer­seits und deren Stau­ung von der Peri­phe­rie her ande­rer­seits. Die­se Stau­ung führt zur Ver­här­tung im Holz bis hin zur Dor­nen­bil­dung; die inten­si­ven Vita­li­täts­kräf­te ver­hel­fen dage­gen zu einem explo­die­ren­den Auf­blü­hen. Im Spät­früh­ling ver­wan­delt sich der Strauch in eine nach aus­sen drän­gen­de, weis­se Blü­ten­pracht, die jedoch von einem unan­ge­neh­men, schwe­ren, fau­lig-fisch­ar­ti­gen Geruch beglei­tet wird. Im Herbst erleuch­tet der Weiss­dorn zum zwei­ten Mal, wenn sich die klei­nen, rund­li­chen, vor Kraft strot­zen­den Früch­te blut­rot fär­ben. Ihre Far­be lässt die Heil­wir­kung erah­nen: Die Früch­te wir­ken beson­ders auf das Blut­sys­tem.

Im Zusam­men­wir­ken von form­bil­den­den, gestau­ten, nach Über­win­dung suchen­den Lebens­kräf­ten zeigt sich das Wesens­prin­zip die­ser Kar­di­nal­pflan­ze bei Herz­be­schwer­den. Zum Heil­mit­tel ver­ar­bei­tet, för­dert Cra­ta­e­gus die Durch­blu­tung des Her­zens und hilft, Erlah­mungs- und Sklero­ti­sie­rungs­ten­den­zen zu über­win­den. Auch wirkt er den Ver­här­tungs­ten­den­zen ent­ge­gen, die vom «obe­ren» Men­schen, vom Ner­ven­sin­nes­pol her das rhyth­mi­sche Sys­tem mit Erstar­rung bedro­hen. Er stärkt, belebt und ent­krampft das Herz.

Cra­ta­e­gus wird für zahl­rei­che anthro­po­so­phi­sche Heil­mit­tel ver­wen­det. Das Heil­mit­tel­la­bor der Kli­nik Arle­sheim stellt aus ihm ein Mit­tel her, bei dem sowohl die Blü­ten und Blät­ter als auch die Früch­te in zwei unter­schied­li­chen Ver­fah­ren ver­ar­bei­tet wer­den. Im Früh­jahr wer­den die sich gera­de im Auf­blü­hen befind­li­chen Blü­ten zusam­men mit den Blät­tern in Alko­hol kalt aus­ge­zo­gen (Mazera­ti­on). Im Herbst wer­den die Früch­te zu einem alko­ho­li­schen Warm­aus­zug (Diges­tio) ver­wer­tet. Bei Bedarf wer­den bei­de Ver­fah­ren gemischt und dem Pati­en­ten als Trop­fen (Dilu­tio) ver­ab­reicht.

Durch die Zusam­men­füh­rung die­ser bei­den Heil­mit­tel­ver­fah­ren wird die Heil­wir­kung ver­stärkt: Der Blatt-Blü­ten-Kalt­aus­zug spricht das Stoff­wech­sel­sys­tem und den Ner­ven­sin­nes­pol an. Mit der Erwär­mung des Früch­teaus­zugs auf 37° C, das heisst auf Kör­per­tem­pe­ra­tur, wird ein Gleich­ge­wichts­zu­stand zwi­schen den in Lösung hal­ten­den und den ver­flüch­ti­gen­den Ten­den­zen ange­strebt. Er wen­det sich ins­be­son­de­re an die mitt­le­re, rhyth­misch aus­glei­chen­de Orga­ni­sa­ti­on des Men­schen im Herz­be­reich.

Geformte Blütenkraft: Der Berglorbeer

Bei der zwei­ten, weni­ger bekann­ten Heil­pflan­ze han­delt es sich um den Breit­blätt­ri­gen Berg­lor­beer (Kal­mia lati­fo­lia L.), auch Ame­ri­ka­ni­scher Lor­beer oder Lor­beer­ro­se genannt. Der zwei bis acht Meter hohe, immer­grü­ne, robus­te Strauch aus der Fami­lie der Hei­de­kraut­ge­wäch­se ist in Nord­ame­ri­ka, vor allem in den öst­li­chen Ver­ei­nig­ten Staa­ten bis Kana­da behei­ma­tet, wo er beson­ders auf stei­ni­gen Berg­hän­gen und als dich­ter Unter­wuchs in Wäl­dern vor­kommt. Im 18. Jahr­hun­dert kam der Berg­lor­beer als Zier­pflan­ze nach Euro­pa, wo er meist in bota­ni­schen Gär­ten zu fin­den ist.

Der Berg­lor­beer bevor­zugt nähr­stoff­ar­me, sau­re, moo­ri­ge Böden. Die glatt-glän­zen­den, etwas led­ri­gen, eiför­mi­gen, gif­ti­gen Blät­ter erin­nern an Lor­beer oder Rho­do­den­dron. Sei­ne tüten­för­mig gefal­te­ten Knos­pen öff­nen sich zwi­schen April und Juni zu trau­ben­för­mi­gen, weiss-rosa­far­be­nen bis röt­li­chen Blü­ten, die in ihrem Inne­ren dun­kel­ro­te Punk­te auf­wei­sen. Auf­fal­lend ist die gestau­te und geformt wir­ken­de Blü­ten­fül­le, die sich an den Blatt- und Stän­gel­be­reich anzu­schmie­gen scheint. Die Pflan­ze lebt vor allem im Blatt­pro­zess, sich zwi­schen Leich­te und Schwe­re hal­tend. Star­ke Lebens- und Gestalt­kräf­te zeigt sie jedoch im Blü­ten­be­reich.

Kal­mia lati­fo­lia wur­de bereits im 19. Jahr­hun­dert in die Homöo­pa­thie ein­ge­führt, wo sie als wich­ti­ges Mit­tel bei Herz­er­kran­kun­gen in Ver­bin­dung mit Rheu­ma und Neur­al­gi­en, aber auch bei Herz­klap­pen­feh­lern, Herz­mus­kel­ent­zün­dun­gen oder Herz­in­suf­fi­zi­enz Ver­wen­dung fin­det.

In der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin wird Kal­mia lati­fo­lia dann ein­ge­setzt, wenn sich ent­zünd­lich-rheu­ma­ti­sche Pro­zes­se mehr zum rhyth­mi­schen Sys­tem ver­scho­ben haben, ins­be­son­de­re in Ver­bin­dung mit ver­schie­de­nen Herz­er­kran­kun­gen, bei denen sich die Gestalt­kräf­te ver­ein­sei­tigt haben wie zum Bei­spiel bei Herz­klap­pen­er­kran­kun­gen. Hier kann sie die Ver­ein­sei­ti­gung der Form- und Gestalt­kräf­te regu­lie­ren hel­fen und erlah­men­de Pro­zes­se wie­der­be­le­ben.

Mit Gold gedüngt: die Schlüsselblume

Wer kennt sie nicht, die leuch­ten­de, gold­gel­be Schlüs­sel­blu­me (Pri­mu­la veris), die als Botin des Lichts den Früh­ling ein­läu­tet? Die im Wind wie­gen­den, fröh­lich wir­ken­den Blü­ten­köpf­chen leuch­ten einem von Wei­tem ent­ge­gen. Mit kräf­ti­gen Wur­zeln und der boden­na­hen Blatt­ro­set­te im Boden fest ver­an­kert, strebt die­se Früh­lings­pflan­ze mit ihrem fili­gra­nen, blatt­lo­sen Stän­gel und ihren luf­tig, locke­ren Blü­ten­dol­den zur Son­ne – boden­stän­di­ge, vita­le Wachs­tums­kräf­te und beseel­te, geform­te Licht­kräf­te ver­ei­ni­gend. Die Licht­kün­de­rin lässt das Gold der Son­ne durch­schei­nen.

Pflan­zen haben eine Ver­wandt­schaft mit bestimm­ten Metal­len, die in der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin genutzt wer­den. Dabei wer­den die Pflan­zen bei der Wele­da Schwä­bisch Gmünd (Deutsch­land) einem auf­wän­di­gen Ver­fah­ren unter­zo­gen, um eine stär­ke­re Metall­wir­kung und eine grös­se­re Heil­wir­kung der Pflan­ze zu errei­chen.

So wird die Schlüs­sel­blu­me mit ihrer engen Bezie­hung zu den Son­nen­kräf­ten mit Gold zu einem spe­zi­el­len Herz­mit­tel ver­ar­bei­tet. Dabei wer­den Schlüs­sel­blu­men auf einem Boden ange­baut, der mit fein auf­ge­lös­tem, poten­zier­tem Gold gedüngt wur­de. Die­se Pflan­zen wer­den kom­pos­tiert und im nächs­ten Jahr als Dün­ger für die nächs­te Pflan­zen­ge­nera­ti­on ver­wen­det. Erst die drit­te, mit Gold­schlüs­sel­blu­men­kom­post gedüng­te Pflan­zen­ge­nera­ti­on wird zum Arz­nei­mit­tel ver­ar­bei­tet. Durch die drei­ma­li­ge Dün­gung und Kom­pos­tie­rung wird die Pflan­zen­wir­kung durch das wesens­ver­wand­te Metall ver­stärkt und eine Poten­zie­rung und Ver­le­ben­di­gung des Metalls bewirkt. Das Metall wird auf die Stu­fe des Pflanz­li­chen, Leben­di­gen geführt, es wird zu »vege­ta­bi­li­sier­tem Gold».

Das aus der gold­ver­bun­de­nen Schlüs­sel­blu­me gewon­ne­ne Heil­mit­tel – phar­ma­zeu­tisch «Pri­mu­la auro cul­ta» genannt – belebt, ener­ge­ti­siert und rhyth­mi­siert Herz und Kreis­lauf. Es führt in die Durch­lich­tung des Mit­te­be­reichs im Men­schen und zur gesun­den­den Gestalt­bil­dung des Her­zens, wo Ver­ein­sei­ti­gun­gen durch ver­här­ten­de oder auf­lö­sen­de Ten­den­zen ent­stan­den sind. Das Herz als phy­si­sches Aus­gleichs­or­gan und als see­lisch-geis­ti­ges Son­nen­or­gan, in dem sich die Ich-Orga­ni­sa­ti­on des Men­schen offen­bart, wird durch die Gold­pro­zes­se gestärkt. Denn das Gold ist laut Para­cel­sus das «mäch­tigs­te Lebens­eli­xier und Stär­kungs­mit­tel».

Wert­vol­le Hin­wei­se ver­dan­ke ich Esther Gru­ber, Chris­toph Kauf­mann und René Schwarz.

 

Fach­per­son

Michae­la Spaar

Arbeits­schwer­punk­te Kul­tur­his­to­ri­ke­rin, Kräu­ter­fach­frau, Kurs­lei­te­rin; Autorin von «Odi­lia. Lebens­spu­ren und Heil­im­pul­se» (2. Auf­la­ge 2014); Exkur­sio­nen auf den Spu­ren der hei­li­gen Odi­lia (Arle­shei­mer Ermi­ta­ge, St. Otti­li­en bei Frei­burg, Odi­li­en­berg); Auf­bau eines öffent­lich zugäng­li­chen Heil­pflan­zen­gar­tens in der Fran­che-Com­té (Frank­reich)
Kon­takt  info@odilienzeit.ch, www.odilienzeit.ch

 

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