Die interventionelle Therapie von Klappenerkrankungen: Der Beginn einer neuen Ära

Die gute Nach­richt: Wir wer­den immer älter! Wäh­rend die mitt­le­re Lebens­er­war­tung in der Schweiz zur­zeit bei rund 83 Jah­ren liegt, ist bis zum Ende des Jahr­hun­derts mit einem Anstieg auf fast 90 Jah­re zu rech­nen. Die­se Zunah­me der Lebens­er­war­tung wird aller­dings mit vie­len Her­aus­for­de­run­gen ein­her­ge­hen, unter ande­rem mit einem Anstieg von gewis­sen Erkran­kun­gen, die im Alter häu­fi­ger auf­tre­ten. Dar­un­ter sind auch Erkran­kun­gen der Herz­klap­pen.

Das mensch­li­che Herz besitzt vier Klap­pen, die als Ven­ti­le die­nen – jeweils zwei auf der lin­ken und zwei auf der rech­ten Sei­te im Sin­ne eines Ein­gangs- und eines Aus­gangs­ven­tils. Erkran­kun­gen die­ser Herz­klap­pen betref­fen eher die lin­ke Herz­sei­te, also die Aor­ten- und die Mitral­klap­pe.

Altersbedingte Zunahme der Störungen 
und Komplikationsrisiken

Das Vor­kom­men von Klap­pen­er­kran­kun­gen steigt nach dem Alter von 65 Jah­ren an und beträgt bei Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten über 75 Jah­ren unge­fähr 15 Pro­zent, wovon unge­fähr zwei Drit­tel die Mitral- und ein Drit­tel die Aor­ten­klap­pe betref­fen. Zu den häu­figs­ten Klap­pen­er­kran­kun­gen gehört zum einen die Mitral­in­suf­fi­zi­enz, also die Undich­tig­keit der Mitral­klap­pe auf­grund einer Erwei­te­rung des Klap­pen­rings respek­ti­ve einer Ver­schie­bung des Klap­pen­hal­teap­pa­rats oder auch auf­grund eines Defekts der Klap­pe selbst. Zum ande­ren tritt die Aor­ten­steno­se häu­fig auf, also die Ver­en­gung der Aor­ten­klap­pe auf­grund einer Ver­kal­kung bezie­hungs­wei­se Ver­di­ckung der Klap­pen­ta­schen.

Bei vie­len Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit Herz­klap­pen­er­kran­kun­gen ist eine The­ra­pie nötig. Als Faust­re­gel gilt, dass zum Zeit­punkt des Auf­tre­tens von Beschwer­den wie zum Bei­spiel Schwä­che, Atem­not oder Brust­schmer­zen ein Ein­griff not­wen­dig wird. Dabei wird in den meis­ten Fäl­len eine offe­ne, kon­ven­tio­nel­le Ope­ra­ti­on wie bei­spiels­wei­se eine Klap­pen­re­kon­struk­ti­on oder ein Klap­pen­er­satz emp­foh­len.

Lei­der ist aber das periope­ra­ti­ve, das heisst das mit der Ope­ra­ti­on ver­bun­de­ne Risi­ko beim älte­ren Men­schen erhöht. Des­halb wur­de schon früh nach einer Alter­na­ti­ve mit nied­ri­ge­rem Risi­ko gesucht. Dies ist daher wich­tig, da man aus gros­sen Regis­ter­stu­di­en aus der Zeit vor dem Ent­ste­hen der inter­ven­tio­nel­len Klap­pen­the­ra­pie weiss, dass nur zwei Drit­tel aller Pati­en­ten über 75 Jah­ren mit einer Aor­ten­steno­se sowie nur die Hälf­te der­je­ni­gen mit einer Mitral­in­suf­fi­zi­enz über­haupt ope­riert wer­den.

Die heu­ti­gen Herz­zen­tren beschlies­sen jeweils indi­vi­du­ell, wel­che The­ra­pie für wel­chen Pati­en­ten die bes­te ist. Ein „Herz­team“, bestehend aus den Spe­zia­lis­tin­nen und Spe­zia­lis­ten jeder Fach­rich­tung, ent­schei­det bei jedem Pati­en­ten ein­zeln, wel­che Metho­de bevor­zugt wer­den soll­te. Die­ses indi­vi­du­el­le Abwä­gen von Vor- und Nach­tei­len jeder Behand­lungs­op­ti­on hat sich bewährt und garan­tiert dem Pati­en­ten eine opti­ma­le Behand­lung.

Interventionelle Behandlung der symptomatischen schweren Aortenstenose

Die Ära die­ser neu­en inter­ven­tio­nel­len Klap­pen­the­ra­pi­en mit nied­ri­ge­rem Risi­ko begann kurz nach der Jahr­tau­send­wen­de. Im Jah­re 2002 wur­de in Frank­reich zum ers­ten Mal eine bio­lo­gi­sche Aor­ten­klap­pen­pro­the­se mit Kathe­ter­tech­nik implan­tiert. Dabei wur­den nur die gros­sen Blut­ge­fäs­se punk­tiert, ohne den Brust­korb zu eröff­nen.

Seit­her hat sich die­se Metho­de, die soge­nann­te „trans­ca­the­ter aor­tic val­ve implan­ta­ti­on (TAVI)“, bei der Behand­lung der schwe­ren sym­pto­ma­ti­schen Aor­ten­steno­se beim Pati­en­ten mit erhöh­tem Risi­ko als Alter­na­ti­ve weit­ge­hend eta­bliert. Aus kli­ni­schen Stu­di­en weiss man, dass Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit einer sym­pto­ma­ti­schen schwe­ren Aor­ten­steno­se, die ein höhe­res periope­ra­ti­ves Risi­ko auf­wei­sen, mit die­ser The­ra­pie eine der kon­ven­tio­nel­len Ope­ra­ti­on min­des­tens eben­bür­ti­ge Behand­lung erhal­ten.

Zuerst erfolgt eine genaue Abklä­rung des Pati­en­ten mit einem Ultra­schall, einem Links­herz­ka­the­ter und einer Com­pu­ter­to­mo­gra­phie, um die Ana­to­mie der Herz­klap­pe und der Zugangs­we­ge genau zu unter­su­chen und die Indi­ka­ti­on für den Herz­klap­pen­er­satz noch­mals zu prü­fen. Danach wird unter Rönt­gen­kon­trol­le meis­tens von der Leis­ten­ar­te­rie aus ein Kathe­ter in den Kör­per vor­ge­scho­ben und dar­über eine Aor­ten­klap­pen­pro­the­se im Bereich der alten, ver­kalk­ten Herz­klap­pe ver­an­kert, wel­che schon weni­ge Augen­bli­cke nach Implan­ta­ti­on deren Auf­ga­be über­nimmt.

Bei die­ser Art des Ein­griffs ist kei­ne Voll­nar­ko­se not­wen­dig, son­dern nur die Gabe von leich­ten Beru­hi­gungs- und Schmerz­mit­teln unter Anäs­the­sie­be­glei­tung, wobei der Pati­ent wach bleibt. Unmit­tel­bar nach der Inter­ven­ti­on wird der Pati­ent für eine Nacht auf die Inten­siv­sta­ti­on und danach meist am ers­ten post­in­ter­ven­tio­nel­len Tag auf die Nor­mal­ab­tei­lung ver­legt.

Die häu­figs­ten Risi­ken die­ser Behand­lungs­art stel­len die Not­wen­dig­keit, einen Schritt­ma­cher implan­tie­ren zu müs­sen, sowie eine grös­se­re Blu­tung im Bereich der Punk­ti­ons­stel­le dar, wobei schwer­wie­gen­de­re Kom­pli­ka­tio­nen wie Hirn­schlag oder Tod im Bereich von cir­ca 2 respek­ti­ve 1 Pro­zent lie­gen. Die Ergeb­nis­se der Inter­ven­ti­on sind aber meist sehr gut, indem die Pati­en­ten danach viel weni­ger Beschwer­den auf­wei­sen und damit funk­tio­nell sehr pro­fi­tie­ren.

Bei einer stark ver­kalk­ten oder ver­eng­ten Schlag­ader kann häu­fig die Klap­pe nicht über die Leis­ten­ar­te­ri­en vor­ge­scho­ben wer­den, wes­halb in die­sem Fall ein ande­rer Zugangs­weg gesucht wer­den muss. Die am häu­figs­ten ver­wen­de­te Alter­na­ti­ve stellt der transa­pi­ka­le Zugang dar, bei dem die Aor­ten­klap­pe direkt über die Herz­spit­ze ein­ge­setzt wird. Da hier ein klei­ner Schnitt in den Brust­korb gemacht wer­den muss, ist bei die­ser Art des Ein­griffs eine Voll­nar­ko­se not­wen­dig.

Interventionelle Behandlung der schweren Mitralinsuffizienz

Die Behand­lung der Mitral­klap­pe ist auf­grund der höhe­ren ana­to­mi­schen Kom­ple­xi­tät viel schwie­ri­ger als bei der Aor­ten­klap­pe, wes­halb die Ursa­che der Stö­rung einer genau­en Ana­ly­se bedarf. Je nach Grund­pro­blem ste­hen ver­schie­de­ne inter­ven­tio­nel­le Behand­lungs­mög­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung.
Die bewähr­tes­te Metho­de mit der welt­weit gröss­ten Erfah­rung ist der soge­nann­te „Mitra­Clip“, wo die bei­den Tei­le der Klap­pe, das heisst die Mitral­se­gel, in der Mit­te anein­an­der befes­tigt wer­den. Als Zugangs­weg dient die Leis­ten­ve­ne, von wo aus ein Kathe­ter in den rech­ten und dann über die Schei­de­wand zwi­schen den bei­den Vor­hö­fen in den lin­ken Vor­hof vor­ge­scho­ben wird. Danach wird der Clip selbst in den Bereich der Mitral­klap­pe vor­ge­bracht und abge­setzt. Die gan­ze Inter­ven­ti­on wird unter funk­tio­nel­ler Kon­trol­le mit einer trans­ö­so­pha­gea­len Echo­kar­dio­gra­phie durch­ge­führt, bei der eine fle­xi­ble Son­de mit einem inte­grier­ten klei­nen Schall­kopf durch die Spei­se­röh­re ein­ge­führt wird. Dabei ist eine Voll­nar­ko­se not­wen­dig, aber es wird kein Kon­trast­mit­tel benö­tigt.

Die inter­ven­tio­nel­le Mitral­klap­pen­re­kon­struk­ti­on mit­tels Mitra­Clip ist ein rela­tiv kom­pli­ka­ti­ons­ar­mer Ein­griff, der meist zu einer deut­li­chen Ver­rin­ge­rung der Beschwer­den führt. Im Ver­gleich zur kon­ven­tio­nel­len Ope­ra­ti­on bleibt aber häu­fi­ger eine Restun­dich­tig­keit zurück, was jedoch dem deut­lich gerin­ge­ren Ope­ra­ti­ons­ri­si­ko gegen­über­ge­stellt wer­den muss.

Neueste Verfahren zur Verbesserung 
der Mitralklappenfunktion

Ganz neu sind zuletzt die Metho­den der „direk­ten und indi­rek­ten Mitral­klap­penanulo­plas­tie“ in den kli­ni­schen Gebrauch gekom­men. Mit die­sen bei­den Metho­den wird ver­sucht, den Mitral­klap­penanu­lus enger zu machen, die Klap­pen­flä­che zu ver­klei­nern und so eine bes­se­re Abdich­tung durch die schon bestehen­de Klap­pe zu ermög­li­chen.

Die ein­fa­che­re der bei­den Metho­den ist die indi­rek­te Mitral­klap­penanulo­plas­tie mit­tels „Carillon“-System, wobei eine elas­ti­sche Metall­klam­mer in die Herz­ve­ne gelegt wird, die im Bereich des Mitral­klap­penanu­lus um das Herz her­um­greift. Der Ein­griff ist ein­fach und kann in Lokal­an­äs­the­sie via eine Vene am Hals durch­ge­führt wer­den. Aller­dings ist das Ergeb­nis nicht immer opti­mal, so dass die­se Metho­de bis­wei­len nicht die The­ra­pie der Wahl dar­stellt.

Die direk­te Mitral­klap­penanulo­plas­tie kann zur­zeit nur mit dem soge­nann­ten „Car­dio­band“ durch­ge­führt wer­den, wobei auch ande­re Sys­te­me in kli­ni­schen Ver­su­chen geprüft wer­den. Dabei wird im Bereich des lin­ken Vor­hofs direkt auf dem Mitral­klap­penanu­lus ein Ring implan­tiert, der den lin­ken Ven­tri­kel sta­bi­li­siert und die Insuf­fi­zi­enz der Mitral­klap­pe weit­ge­hend besei­tigt. Die Inter­ven­ti­on erfolgt ähn­lich wie beim Mitra­clip, also mit trans­ö­so­pha­gealer Echo­kar­dio­gra­phie und unter Voll­nar­ko­se.

Im Gegen­satz zur indi­rek­ten zeigt die direk­te Mitral­klap­penanulo­plas­tie bes­se­re Ergeb­nis­se, ist aber auch viel auf­wän­di­ger. Bei­de Metho­den der inter­ven­tio­nel­len Mitral­klap­pen­re­kon­struk­ti­on, also Mitra­Clip und Mitral­klap­penanulo­plas­tie, kön­nen auch kom­bi­niert wer­den und imi­tie­ren damit die chir­ur­gi­sche Behand­lung mit inter­ven­tio­nel­len Metho­den.

Neben den rekon­struk­ti­ven Ver­fah­ren wird bei der The­ra­pie der Mitral­klap­pe letzt­lich auch die Mög­lich­keit eines voll­stän­di­gen Klap­pen­er­sat­zes ange­strebt. Lei­der gibt es zur­zeit noch kei­ne aus­ge­reif­te Metho­de für den inter­ven­tio­nel­len Mitral­klap­pen­er­satz, das heisst für die „trans­ca­the­ter mitral val­ve implan­ta­ti­on (TMVI)“. Sie könn­te aber in ein paar Jah­ren zu einem Stan­dard­ein­griff wer­den. Bis­he­ri­ge Ver­su­che mit vie­len ver­schie­de­nen Sys­te­men zei­gen jeden­falls ermu­ti­gen­de Ergeb­nis­se – aller­dings ist es noch zu früh, um defi­ni­ti­ve Schlüs­se zu zie­hen.

Zusammenfassung und Ausblick

Dank der Ent­wick­lung neu­er Metho­den ist es in den letz­ten Jah­ren gelun­gen, Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit einem hohen Risi­ko für kon­ven­tio­nel­le ope­ra­ti­ve Klap­pen­er­satz­ver­fah­ren, die bis­her nicht behan­delt wer­den konn­ten, einer wirk­sa­men Behand­lung zuzu­füh­ren. Die­se Tech­ni­ken wur­den wei­ter­ent­wi­ckelt und haben bei gewis­sen Pati­en­ten nun schon bes­se­re Daten als die her­kömm­li­che Ope­ra­ti­on. Wäh­rend der inter­ven­tio­nel­le Aor­ten­klap­pen­er­satz (TAVI) jetzt schon einen Stan­dard­ein­griff dar­stellt, sind die Metho­den der Mitral­klap­pen­the­ra­pie neu­er und weni­ger aus­ge­reift, zei­gen aber bereits ein gutes Poten­zi­al für die Zukunft – vor allem Mitra­Clip und die Mitral­klap­penanulo­plas­tie. In abseh­ba­rer Zeit wird auch der inter­ven­tio­nel­le Mitral­klap­pen­er­satz Rea­li­tät wer­den.

 

 

Fach­per­son

Prof. Dr. med. Raban Jeger

Arbeits­schwer­punk­te Kader­arzt Inter­ven­tio­nel­le Kar­dio­lo­gie am Uni­ver­si­täts­spi­tal Basel. Medi­zin­stu­di­um Uni­ver­si­tät Zürich, Habi­li­ta­ti­on Kar­dio­lo­gie Uni­ver­si­tät Basel. For­schungs­auf­ent­halt in New York (USA). Inter­ven­tio­nel­le Aus­bil­dung am Herz­zen­trum Leip­zig.
Seit 2008 Ober­arzt Kar­dio­lo­gie am Uni­ver­si­täts­spi­tal Basel. Lei­ter inter­ven­tio­nel­le The­ra­pie von struk­tu­rel­len Herz­er­kran­kun­gen.
Kon­takt  raban.jeger@usb.ch

 

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