
Wenn wir uns schlafen legen, schützen wir normalerweise den Körper mit einem Zimmer, einem Bett und Decken.
Es soll möglichst dunkel, still und angenehm warm sein, damit er ungestört seine verborgenen Aufbautätigkeiten ausführen kann und wir am Morgen frisch und erholt erwachen.
In ähnlicher Weise trägt unsere Verdauung auch am Tag unsere Aktivitäten, meist ohne dass wir ein Bewusstsein haben von den hochkomplexen, weisheitsvollen Vorgängen, die im Dunkel der Bauchhöhle harmonisch ineinanderwirken. Das vielleicht einfachste Beispiel sind die weichen rhythmischen Bewegungen in der Darmwand, die die Nahrung im richtigen Tempo vorwärtsbewegen.
Stimmungen beeinflussen unseren Bauch
Wer schon bewusst den Atem eines schlafenden Menschen oder Tieres erlebt hat, kann sich wohl auch einfühlen in die vertrauensvolle Entspanntheit dieser Darmbewegung. Und vielleicht haben Sie vor einer Prüfung oder in einem Konflikt auch schon Unruhe und Krämpfe im Bauch erlebt, ja sogar Durchfall. Nachher hat sich alles wieder beruhigt, ist in wohlige massvolle Aktivität zurückgekehrt.
Oder auch nicht: Wenn die Störungen lange und tief genug geschehen, können sie die Verdauung allmählich beeinträchtigenund zu einem Reizdarmsyndrom führen oder schliesslich gar zu einer chronischen Darmentzündung.
Ein schädliches Ineinanderwirken von Verkrampfung und Entzündung, von Verhärtung und Auflösung bewirkt nun, dass das aktive Tagleben nicht mehr nur getragen und gefördert, sondern auch eingeengt und behindert wird.
Bilder können mehr als tausend Worte sagen
Ein Patient mit Morbus Crohn, einer chronischen Darmentzündung, hat seine Krankheitssituation beispielhaft auf dem obigen Bild in Farben und Formbewegungen herausgesetzt: oben innen eine verdichtete Dunkelheit, die auf dem Unteren lastet, unten aussen das Feuer einer Entzündung, die Gesamtstimmung stark abbauend, herbstlich, abendlich, sich verzehrend.
Aus diesem Bild, wie auch aus dem vorher Geschilderten lassen sich folgende Ziele für eine Therapie ableiten:
1. Beruhigen des entzündlichen Feuers (im Körper), durch wiederholtes Malen mit den Farben Grün und Blau, mit weichen, träumenden, rhythmischen Hügelwellen, die später auch von warmen Erdfarben (Siena) getragen werden. Pastellkreiden helfen hier, die Farbprozesse ans Mineralische zu binden, zu verlangsamen, zu erden. Auch der massvolle Umgang mit Ton bindet die aufflammenden Kräfte in ruhige Gestaltungen ein.
2. Auflockern und Rhythmisieren der violett-blauen Verhärtung oben, hinausatmen in den Umkreis in leichten Farben: Gelb, Blau, später auch Rosa. Allmähliches Finden einer Frühlings- oder Morgenstimmung, in der uns die natürliche Umgebung liebevoll, lichtvoll, Hoffnung spendend entgegenkommt.
Hier können, wenn die akute Entzündung abgeklungen ist, auch wässerige Farben helfen, um die Leichte und Beweglichkeit zu unterstützen. Man könnte auch sagen: das angstverfärbte, zusammengezogene Tagesbewusstsein wird eingeladen, sich wieder vermehrt dem Vertrauen in die Güte der göttlich-irdischen Welt zuzuwenden, die uns in der Nacht und in den Verdauungsvorgängen pflegt und aufbaut, ohne dass wir es wahrnehmen müssen.
3. Im Verlauf dieses Weges kann es auch sein, dass sich biografische Einflüsse zeigen, die zur Anspannung im Bauch geführt haben, und dass diese für eine bewusste Umwandlungsarbeit an den inneren Werten und Ängsten fruchtbar gemacht werden können.
Malend und gestaltend das eigene Befinden verbessern
In ähnlicher Weise kann auch die Colitis ulcerosa, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, behandelt werden.
Dabei kann hier das Bewusstsein mehr nach innen eingeladen werden, um in das eigene Denken vertrauen zu lernen als lebendigen, aktiven Ruhepol in einer angstgetönten, oft überwältigenden Welt der Sinneswahrnehmungen. Gründliche dialogische Werkbetrachtungen vertiefen in dieser Art die Sinnesreize und den künstlerischen Prozess.
Beim Reizdarm können je nach Art der Beschwerden unterschiedliche Techniken und Übungen helfen: bei Verstopfung, Blähungen, krampfenden Schmerzen oder nervlicher Überempfindlichkeit im Bauch eher wässerige, lösende, nach unten führende Techniken – eventuell bis hin zum blinden Plastizieren mit den Füssen – also warmes, reiches, weiches Malen oder Plastizieren; bei Entzündlichkeiten und bei Durchfall hingegen eher sammelnde, strukturierende Übungen.
Auch in der Divertikulose ist es eine Überanspannung, messbar am Innendruck des Darms, die zur Ausstülpung von kleinen Darmsäckchen (Divertikeln) führt, in denen dann Entzündungen Platz greifen können, weil jene von der Vorwärtsbewegung im Darm abgeschnitten sind. Im entzündlichen Stadium (Divertikulitis) ist wieder eher eine bindende, erdende Tätigkeit nötig, während vorher oder nachher eine stresslösende, den Druck auf die Verdauung vermindernde, das Gleichgewicht zwischen Seele und sozialer Umwelt fördernde Tätigkeit weiterhelfen kann.
Fachperson |
Georg Hegglin |
Arbeitsschwerpunkte | Mal- und Gestaltungstherapeut. Seit 1985 Ausbildung und Berufstätigkeit in anthroposophischer Kunsttherapie. Seit 1990 an der Klinik Arlesheim. |
Kontakt | georg.hegglin@klinik-arlesheim.ch |