Dem Husten einheizen

In der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin wer­den die Äus­se­ren Anwen­dun­gen zur Behand­lung vie­ler aku­ter und chro­ni­scher Erkran­kun­gen ein­ge­setzt. So kön­nen Wickel und Auf­la­gen auch bei Lun­gen­ent­zün­dun­gen die Gene­sung stark unter­stüt­zen. Rebek­ka Lang, diplo­mier­te Pfle­ge­fach­frau, beschreibt, wie sie eine Pati­en­tin mit Lungenentzündung pfle­ge­risch beglei­tet.

Hus­tend und mit erschöpf­tem Gesichts­aus­druck sitzt Frau Tho­mas* im Bett, als ich am Vor­mit­tag in ihr Zim­mer kom­me. Sie hat auch in der letz­ten Nacht wie­der wenig geschla­fen, da sie oft durch den Hus­ten­reiz geweckt wur­de. Ihre Wan­gen sind gerö­tet, ihr Blick wirkt gla­sig. Als ich ihr ankündige, dass ich gleich den Senf­wi­ckel brin­ge, freut sie sich: Sie kön­ne danach viel bes­ser Luft holen und fühle sich gestärkt.

Eine gute Vorbereitung

Den Senf­wi­ckel habe ich schon im Wickel­raum vor­be­rei­tet: Wir nut­zen dafür ein drei­la­gig genäh­tes Baum­woll­tuch, das soge­nann­te Senf­tuch, das spä­ter um den gan­zen Ober­kör­per gelegt wird. Die­ses Senf­tuch lege ich zunächst mit Zell­stoff aus, damit das nas­se Senf­pul­ver nach dem Wickel nicht am Tuch kle­ben bleibt. Auf den Zell­stoff ver­tei­le ich eine etwa 5 mm dicke Schicht Senf­pul­ver und decke die­se mit einer wei­te­ren Lage Zell­stoff ab. Dann lege ich die bei­den ande­ren Lagen des Tuchs auf den Zell­stoff, ich packe so den Senfin­halt ein und rol­le danach das gan­ze Paket vor­sich­tig locker von den schma­len Sei­ten her auf. Sobald ich alle ande­ren not­wen­di­gen Uten­si­li­en zusam­men habe, mache ich mich auf den Weg zu Frau Tho­mas. Mir ist bewusst, wie viel die­ser Wickel und die damit ver­bun­de­ne Ruhe für sie bedeu­ten. Vor allem aber ist es wich­tig, dass ich mit den pfle­ge­ri­schen Anwen­dun­gen Raum schaf­fen kann für sie. Dar­auf kon­zen­trie­re ich mich nun, bevor ich ihr Zim­mer betre­te.

Senf wirkt stark

Ich lege eine was­ser­fes­te Unter­la­ge unter den Rücken von Frau Tho­mas sowie ein gros­ses, der Län­ge nach gefal­te­tes Frot­tée­tuch. Anschlies­send gies­se ich das war­me Was­ser aus der Ther­mos­kan­ne in die Schüssel, in der der auf­ge­roll­te Senf­wi­ckel liegt. Sofort steigt mir ein leicht beis­sen­der Duft in die Nase und in die Augen. Das ist ein gutes Zei­chen, denn es zeigt, dass das Senf­mehl frisch ist und sei­ne wun­der­ba­ren Senfal­lyl­öle frei­gibt. Vor­sich­tig drücke ich die Wickel­rol­le aus, damit sie nicht mehr trie­fend nass ist. Ein Aus­wrin­gen ist nicht mög­lich, da das Papier innen sonst reisst.
Nun muss ich schnell arbei­ten, damit der Wickel nicht aus­kühlt: Ich lege ihn auf das Tuch hin­ter ihrem Rücken und rol­le es aus, dann legt sie sich dar­auf. Ach­sel­höh­len und Brust­war­zen decke ich mit Tup­fern ab, damit die­se emp­find­li­chen Stel­len nicht gereizt wer­den. Schnell lege ich das Tuch von bei­den Sei­ten her über die Brust und schlies­se es mit dem Frot­tée­tuch gut luft­dicht ab. Ich bie­te Frau Tho­mas ein Spi­tal­hemd an, damit die Schul­tern wäh­rend dem Wickel gut zuge­deckt sind, und decke sie dann mit dem Duvet woh­lig zu. Ich fra­ge sie, ob ich bei ihr blei­ben soll. Doch sie meint, sie mel­de sich, wenn es nicht mehr zum Aus­hal­ten sei, aber es gehe nun sicher schon eini­ge Minu­ten län­ger als beim ers­ten Mal. Sie lässt sich erwar­tungs­voll­an­ge­spannt in die Kis­sen sin­ken.

Auch ausserhalb des Zimmers ganz bei der Patientin sein

Ich gebe Frau Tho­mas die Klin­gel und ver­las­se das Zim­mer. Dabei schaue ich auf die Uhr und mer­ke mir die Zeit: In spä­tes­tens sie­ben Minu­ten will ich wie­der bei ihr sein, denn im Ver­laufs­be­richt habe ich gele­sen, dass sie ges­tern den Wickel genau­so lan­ge auf der Haut hat­te. Ich räu­me mei­ne Wicke­lu­ten­si­li­en auf und gehe ins Sta­ti­ons­zim­mer, um mein bis­he­ri­ges Tun zu doku­men­tie­ren. Ich kom­me gera­de noch dazu, die Fra­ge einer Kol­le­gin zu beant­wor­ten, schon klin­gelt Frau Tho­mas. Ich beei­le mich, da ich weiss, wie schnell das Bren­nen zu viel wer­den kann.

Nachruhen gehört mit dazu

Beim Betre­ten des Zim­mers neh­me ich wahr, dass der Blick von Frau Tho­mas sehr viel kla­rer ist als vor­her. Die Gesichts­far­be wirkt bereits etwas nor­ma­ler, ihre Atem­fre­quenz hat sich ver­lang­samt. Ich befreie sie vom Wickel und wasche die Haut mit einem war­men Wasch­lap­pen ab. Die Haut ist dort, wo der Wickel auf­ge­le­gen hat, stark gerö­tet, ähn­lich wie bei einem Son­nen­brand. Das ist so gewollt und wird in den nächs­ten Stun­den wie­der abklin­gen. Um das Bren­nen etwas zu mil­dern und eine nach­hal­ti­ge Wär­me­ent­wick­lung zu för­dern, tra­ge ich Man­del­öl auf die Haut auf und lege ein vor­ge­wärm­tes Fla­nell­tuch um ihre Brust. Ich decke sie wie­der zu und las­se sie nach­ru­hen. Sie sagt, dass sie nie gedacht hät­te, dass sie Bren­nen ein­mal als etwas Ange­neh­mes emp­fin­den würde, und schliesst ent­spannt die Augen.

Raum schaffen für sich

Als ich mit­tags zu Frau Tho­mas kom­me, berich­tet sie mir, dass sie nach dem Senf­wi­ckel immer sehr viel Wei­te in der Brust ver­spü­re, was sie als sehr ange­nehm emp­fin­det. Der Hus­ten­reiz sei aber nach wie vor da. In der Doku­men­ta­ti­on ist ver­merkt, dass sie zur Nacht eine Thy­mian­öl­auf­la­ge erhal­ten soll. Ich fra­ge sie, ob sie die­se viel­leicht schon ger­ne nach dem Mit­tag­essen haben möch­te; dem stimmt sie gern zu. Dann kön­ne sie sich noch etwas aus­ru­hen, bevor ihre bei­den Kin­der zu Besuch kom­men wer­den.
Auf mei­ne Fra­ge, ob sie zu Hau­se auch ab und zu etwas für sich machen kön­ne, schüttelt sie nur den Kopf. Umso mehr füh­le ich mich bestä­tigt in der Ges­te des Raum­schaf­fens, mit der wir Frau Tho­mas unterstützen wol­len, die Enge zu über­win­den, die sie bei der Lun­gen­ent­zün­dung ganz stark spürt.

Weitere Hilfen nutzen

In der Doku­men­ta­ti­on über­prü­fe ich die Pfle­ge­zie­le und mache mir noch ein­mal inner­lich die pfle­ge­ri­schen Ges­ten «Raum schaf­fen» und «Bestä­ti­gen» bewusst, wel­che wir für Frau Tho­mas aus­ge­wählt hat­ten. Die­se will ich noch ein­mal mit mei­nen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dis­ku­tie­ren. Die Wir­kung von Senf­wi­ckel und Thy­mian­öl­auf­la­ge hat uns Frau Tho­mas bereits bestä­tigt, doch soll­te sie für die Nacht noch mehr Unter­stüt­zung bekom­men. In der Bespre­chung mit dem Sta­ti­ons­arzt ver­ab­re­den wir, dass sie vor dem Ein­schla­fen
einen Asth­ma-Abstrich mit Laven­del­öl bekom­men kann, um den Hus­ten­reiz soweit zu mil­dern, dass ihr der Nacht­schlaf wei­te­re Erho­lung brin­gen kann.
*Name von der Redak­ti­on geän­dert

 

Fach­per­son

Rebek­ka Lang

Arbeits­schwer­punk­te Seit 2008 an der Kli­nik Arle­sheim tätig
als dipl. Pfle­ge­fach­frau, seit 2012 ver­mehrt
Auf­ga­ben in der Aus­bil­dung, heu­te Aus­bil­dungs­ver­ant­wort­li­che
Pfle­ge.
Grund­kurs Anthro­po­so­phi­sche Pfle­ge.
Exper­tin Rhyth­mi­sche Ein­rei­bun­gen IFAN.
Kon­takt rebekka.lang@klinik-arlesheim.ch

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