Bewegen und Empfinden — eine physiologische Skizze

Unser Leben ist Bewe­gung. Wir sind als Men­schen unauf­hör­lich damit beschäf­tigt,
sie mit etwas zu bega­ben: mit Sinn! Mein Tun soll sinn­voll sein in sei­ner Umge­bung.
Das ist das Güte­sie­gel mei­nes Bewe­gens.

Bewe­gung als magi­sches Phä­no­men

Was geschieht eigent­lich im Kör­per, wenn ich mei­ne Hand zum Gruss hebe ? Selt­sam – ich weiss doch, dass ich es tue und auch wes­halb ich es tue und doch hat die­se, und jede ande­re Bewe­gung etwas Geheim­nis­vol­les an sich. Wenn ich genau hin­se­he, bemer­ke ich etwas Magi­sches: Wie will ich erklä­ren, dass allein auf mein Wol­len hin, ein etwa 5 kg schwe­rer Gegen­stand – näm­lich mein Arm – sich hebt? So gese­hen gehorcht die Bewe­gung zwei­fel­los den Kri­te­ri­en einer magi­schen Wir­kung. Nun – bei jeder Bewe­gung hängt es von der Absicht des Han­deln­den ab, ob etwas Gutes oder etwas Kri­mi­nel­les ent­steht.

Die Wir­kung auf das Umfeld

Die Taten des Men­schen ent­sprin­gen im bes­ten Fal­le einem Her­zens­an­lie­gen. Sie hän­gen damit unmit­tel­bar mit sei­nem geis­ti­gen Wesen zusam­men und haben einen spi­ri­tu­el­len Cha­rak­ter. Es ist uns doch klar, dass jede Bewe­gung zu einer Tat führt. Eben­so frag­los ist es, dass jede Tat von mir auf mei­ne Umge­bung ein­wirkt und damit in einer kon­kre­ten sozia­len Land­schaft drin­nen steht, pas­send oder unpas­send. Ja – mein han­deln­des Bewe­gen kann grund­sätz­lich nicht ohne Wir­kung sein auf das, was um mich ist, sowe­nig ich einen Stein ins Was­ser wer­fen kann, ohne Wir­kung auf die Ober­flä­che des gan­zen Gewäs­sers. Durch die­sen ein­fa­chen und eher­nen Umstand erhebt sich gleich­sam die Gret­chen­fra­ge für jedes Bewe­gen: Ist mei­ne Bewe­gung in ihrem Umfeld sinn­voll ? Das Heben mei­ner Hand ? Ja, sie dient dem freund­li­chen Gruss mei­nes Nach­barn.

Die Sinn­fra­ge und das Sozia­le

Mit der Sinn­fra­ge des Bewe­gens, des Han­delns, ste­he ich mit­ten im sozia­len Leben, denn es fragt sich letzt­lich immer, ob mein Tun das Gute för­dert, ob sei­ne Wir­kung mei­nem Mit­men­schen, der Mensch­heit, der Umwelt, der Erde zum Woh­le gereicht – und nach­hal­tig ist. Wie steht es mit dem Sinn und den Fol­gen der klei­nen Bewe­gung mei­nes Zei­ge­fin­gers am Abzug des Gewehrs ? Ein kras­ses und pla­ka­ti­ves Bei­spiel, das kei­ner Erklä­rung bedarf. Ich erken­ne hier deut­lich, dass Bewe­gen untrenn­bar mit Ver­ant­wor­tung, mit Moral und mit Wer­ten ver­bun­den ist. Bewe­gung ist nicht iso­lier­bar, sie ist nie abs­trakt – sie ist sogar auch nicht wirk­lich ana­ly­sier­bar. Jede Bewe­gung ist immer etwas Gan­zes.

Bio­che­mie, Kome­ten und Frei­heit

Wenn ich mich bewe­ge, gehen in den unbe­wuss­ten Tie­fen mei­nes Kör­pers geheim­nis­vol­le Vor­gän­ge vor sich. Der Koh­len­stoff, ein Wesen, das sich in sei­ner edels­ten Form als Dia­mant zeigt, und das durch sei­ne genia­len Eigen­schaf­ten eine Haupt­rol­le spielt im Eiweiss-, Fett- und Zucker­haus­halt, er geht zur Ermög­li­chung der Bewe­gung gefah­ren­vol­le Bezie­hun­gen ein mit dem gross­ar­ti­gen und gleich­zei­tig pro­ble­ma­ti­schen Bru­der, dem Stick­stoff. Bei­na­he kommt es zur Zyan­ver­bin­dung, zu einer der gif­tigs­ten und grau­sams­ten che­mi­schen Ver­bin­dun­gen, die wir ken­nen. Die­ser gefähr­li­chen Ten­denz steht gleich­sam das Schwert des Eisens, wel­ches im Gal­le­pro­zess befreit wird, heil­sam gegen­über. Die­ses poin­tier­te und heik­le, per­ma­nent im Stoff­wech­sel vor­han­de­ne Gleich­ge­wicht zwi­schen Krank­heit und Hei­lung bil­det die not­wen­di­ge bio­che­mi­sche Vor­aus­set­zung für unser Bewe­gen, auch dafür, dass es in eine sinn­vol­le Rich­tung führt. Das bewe­gen­de Wol­len des Men­schen ist auf die­ses selt­sa­me phy­sio­lo­gi­sche Arran­ge­ment im Stoff­wech­sel ange­wie­sen. Rudolf Stei­ner schil­dert uns, dass auch im Schweif der Kome­ten, den kos­mi­schen Frei­heits­hel­den des Uni­ver­sums, sich Zyan und Eisen, genau wie im mensch­li­chen Orga­nis­mus, gegen­über­ste­hen, und dass in die­sem Bereich die leib­li­chen Grund­la­gen des frei­en Wol­lens lie­gen, und das heisst: Die Absich­ten des bewe­gen­den Men­schen füh­ren zu Taten, die dem ande­ren Men­schen und der Welt zu Gute kom­men kön­nen.

Gesund­heit ist nicht ein Kapi­tal,
das man auf­brau­chen kann,
son­dern sie ist nur dort vor­han­den,
wo sie in jedem Augen­blick des Lebens erzeugt wird.
Vik­tor von Weiz­sä­cker

Autoren96

Fach­per­son Dr. med.
Chris­toph Schult­hess
Arbeits­schwer­punk­te Im Zür­cher-Ober­land auf­ge­wach­sen lernt Chris­toph Schult­hess 1972 in Schwe­den die Anthropo­sophie ken­nen. Sie wird ihm für das Medi­zin­stu­di­um, wel­ches er 1979 in Bern abschliesst, und spä­ter für sei­nen Beruf als Arzt und Mensch ein unver­zicht­ba­rer Leit­fa­den auf der Suche nach der Wirk­lich­keit.
1984 eröff­net er in der Stadt Bern inner­halb des „Medi­zi­nisch-künst­le­ri­schen The­ra­peu­ti­kums“ eine Gemein­schafts­pra­xis für Allgemein­medizin und betreut als Schul­arzt die Ber­ner Rudolf Stei­ner Schu­le. Nach sechs Jah­ren zieht es ihn wie­der in die kli­ni­sche Medi­zin, in die Ita Weg­man Kli­nik nach Arle­sheim, wo er seit 1990 als All­ge­mein­arzt auf der Sta­ti­on und in der Pra­xis arbei­tet. Er lei­tet das berufs­be­glei­ten­de Ärz­te­se­mi­nar für Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin in der Schweiz (VAOAS). Als Vor­stands­mit­glied ist er für das von Ita Weg­man 1936 gegrün­de­te Kur­haus in Asco­na, die Casa di Cura Andrea Cris­to­fo­ro, mit­ver­ant­wort­lich.
Im wis­sen­schaft­li­chen Bereich beschäf­tigt sich Chris­toph Schult­hess mit dem Ver­ständ­nis der sicht­ba­ren wie der unsicht­ba­ren Sei­te der Sub­stanz.
Kon­takt 061 705 72 81

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