Begegnung in der Pflege schafft vertrauen

Die Lie­be, die Sorg­falt muss das Kind umge­ben wie ein ange­neh­mes,
gleich­mäs­si­ges, war­mes Bad.
Emmi Pik­ler

Emmi Pik­ler, eine unga­ri­sche Kin­der­ärz­tin, hat der Kin­der­gärt­ne­rin Elvi­ra Dani­el wie auch ande­ren Eltern und Päd­ago­gen vie­le wert­vol­le Impul­se und prak­ti­sches Hand­werks­zeug zur Beglei­tung klei­ner Kin­der mit­ge­ge­ben. Im Fol­gen­den erhal­ten wir Ein­bli­cke in ihren gros­sen Erfah­rungs­schatz.

Ein Kind wird gebo­ren. Nach­dem es im Mut­ter­leib woh­lig behü­tet war, ist es nun plötz­lich einer Viel­falt von Unbe­kann­tem, ja auch Unan­ge­neh­mem aus­ge­lie­fert. Es braucht Zeit, Ruhe und die lie­be­vol­le Beglei­tung der Erwach­se­nen, um sich mit all die­sem zurecht­zu­fin­den.
Mut­ter- und Vater­sein ist für die meis­ten eine neue Her­aus­for­de­rung in ihrem Leben. Und natür­lich möch­ten alle mit bes­tem Wis­sen und Gewis­sen die­se neue Ver­ant­wor­tung wahr­neh­men. Doch ist dies leich­ter gesagt als getan. Oft stel­len wir hohe Ansprü­che an uns und ent­de­cken bald die Schwie­rig­keit, mit unse­ren Kräf­ten und den „ande­ren Bezie­hun­gen“ neben den Kin­dern har­mo­nisch umzu­ge­hen!

Ver­trau­en schaf­fen

Eine der wich­tigs­ten Auf­ga­ben der Eltern ist es, eine gesun­de Bezie­hung zum Kind zu schaf­fen und über die­se eine ver­trau­ens­vol­le Bezie­hung des Kin­des zum Erwach­se­nen zu ermög­li­chen. Die Momen­te der Pfle­ge des Kin­des – das Wickeln, Baden, Ernäh­ren – sind von Beginn an die idea­len Zei­ten, die­ses Ver­trau­en auf­zu­bau­en und zu ver­tie­fen.
Lei­der wer­den die Pfle­ge­zei­ten oft als läs­ti­ge Pflicht ein­ge­stuft und so schnell wie mög­lich erle­digt, damit anschlies­send „etwas Schö­nes“ mit dem Kind gemacht wer­den kann. Wie scha­de! Nut­zen wir doch die Mög­lich­keit, die uns die Pfle­ge des Kin­des bie­tet – näm­lich die, dem Kind beson­ders innig zu begeg­nen.
Schon auf dem Wickel­tisch legen wir Grund­stei­ne für ein lebens­lan­ges Wohl- oder Unwohl­ge­fühl des Kin­des. Wir wer­den alles dar­an set­zen, dass sich das Kind erst ein­mal in sei­nen Kör­per ein­woh­nen kann, dass es sich wohl­fühlt. Dafür braucht es Ruhe und Regel­mäs­sig­keit. Je ruhi­ger und kon­zen­trier­ter wir wäh­rend den Pfle­ge­zei­ten mit dem Kind zusam­men sein kön­nen, des­to ein­fa­cher ist es für bei­de. Bei der Pfle­ge sind wir ganz für das Kind da. Schnell gewinnt der Säug­ling Ver­trau­en und bekommt die Sicher­heit, dass der Erwach­se­ne die Zeit der Pfle­ge nur ihm wid­met und nicht mit hun­dert ande­ren Sachen tei­len muss. Das ist zugleich die schwie­rigs­te Vor­aus­set­zung in unse­rer hek­ti­schen Zeit. Wir soll­ten uns die­se Zei­ten wie Inseln für unser Kind aus­spa­ren.

Mit dem Kind zusam­men arbei­ten

Unse­re Auf­merk­sam­keit rich­tet sich nur auf das Kind. So kön­nen wir sofort auf jede Situa­ti­ons­ver­än­de­rung ein­ge­hen, kön­nen sei­ne Reak­tio­nen bewusst wahr­neh­men.
Ver­su­chen wir, alles griff­be­reit zu haben – sei es für das Bad, fürs Wickeln oder fürs Essen. Wir müs­sen dann den Pfle­ge­ab­lauf nicht unter­bre­chen, und es ver­brei­tet sich mehr Ruhe mit dem Wis­sen, dass alles da ist.
Ach­ten wir auf die Sorg­falt unse­rer Ges­ten, damit wir das Kind nicht mit brüs­ken Bewe­gun­gen erschre­cken. Suchen wir den Blick­kon­takt mit unse­rem Baby, wäh­rend wir mit ihm spre­chen und mit ihm zusam­men „arbei­ten“. Auch das Kind ist bei der Sache, des­halb geben wir ihm kein ablen­ken­des Spiel­zeug in die Hand, son­dern sagen ihm, was wir mit ihm tun, regen sei­ne Mit­ar­beit an.

Es ist doch etwas Wun­der­ba­res, schon ganz früh über den Augen­kon­takt kom­mu­ni­zie­ren zu kön­nen. Schon nach eini­gen Wochen geht die­ses Kom­mu­ni­zie­ren über in ein Lächeln und in ein zuerst fei­nes, aber bald schon viel kla­re­res Ges­ten­spiel – eine Art Gespräch ent­steht, und schon kann eine zar­te, aber erfreu­li­che Koope­ra­ti­on zwi­schen Kind und Erwach­se­nem begin­nen. Das Kind wird uns den Arm hin­hal­ten, das Füss­chen hoch­he­ben. Sei­en wir auf­merk­sam genug, die­se fei­nen Zei­chen zu bemer­ken, um sie dann mit Geduld zu unter­stüt­zen.

Gute Pfle­ge ist Nah­rung für die See­le

Ein Säug­ling, der so behut­sam sei­ne Bezie­hung zum Erwach­se­nen auf­bau­en und ver­tie­fen kann, gewinnt Ver­trau­en, Sicher­heit und erfährt schon früh im Leben, was Respekt ist!
Er ist nicht nur kör­per­lich und hygie­nisch gut gepflegt, er ist auch see­lisch gut ernährt und kann sich rund­um gesät­tigt nach den Pfle­ge­zei­ten zufrie­den selbst beschäf­ti­gen.

Ein Kind lebt im Hier und Jetzt. Es gibt sich Zeit. Auch wenn etwas nicht sofort gelingt, ver­sucht es das immer wie­der. Geben wir uns Erwach­se­nen auch Zeit! Wir kön­nen viel vom Kind ler­nen. Ent­de­cken wir wie­der die Freu­de an den all­täg­li­chen Situa­tio­nen. Das ist das Beson­de­re !

Autoren100

Fach­per­son Elvi­ra Dani­el
Arbeits­schwer­punk­te Mut­ter von zwei Töch­tern,
Rudolf Stei­ner-Kin­der­gärt­ne­rin und Heil­päd­ago­gin, lei­tet die von ihr gegrün­dete Kinder­stätte „Jar­din des Petits“ an der Rudolf Stei­ner Schu­le Lau­sanne. Kur­se an anthro­posophischen Aus­bil­dungs­stät­ten in Dor­n­ach
und Avi­gnon.
Mit­glied der Pik­ler-Ver­ei­ni­gung in Lau­sanne.
Kon­takt Asso­cia­ti­on Emmi Pik­ler
rue des Jardins 12
Case pos­ta­le 2
1018 Lau­sanne

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