Auch im Notfall individuell behandeln

Eine Not­fall­sta­ti­on in der Kli­nik Arle­sheim? Was kann ich als Pati­ent oder als Pati­en­tin davon erwar­ten? Wann soll­te dies mei­ne Anlauf­stel­le sein? Das erfragt „Quinte“-Redaktorin Vere­na Jäsch­ke bei der Lei­te­rin der Not­fall­sta­ti­on der Kli­nik Arle­sheim.

Was ist das Beson­de­re am Not­fall in der Kli­nik Arle­sheim?

Die Kli­nik Arle­sheim ist zugleich ein Regio­nal­spi­tal im Kan­ton Basel­land und ein Zen­trums­spi­tal für Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin in der Schweiz und im nahen Aus­land. Die­se dop­pel­te Kom­pe­tenz der Kli­nik spie­gelt sich natür­lich auch bei uns auf der Not­fall­sta­ti­on und führt dazu, dass wir ein sehr brei­tes Spek­trum an medi­zi­ni­schen Fäl­len sehen: Da kommt der jun­ge Mann, der mit dem Motor­rad umge­fal­len ist und nun sei­nen schmer­zen­den Knö­chel rönt­gen und die Schürf­wun­den ver­sor­gen las­sen will. Das Spi­tal Dor­n­ach schickt uns eine Pati­en­tin mit Atem­not, die Coro­na-posi­tiv ist – die Kli­nik Arle­sheim ist ein kan­to­na­les Coro­na-Refe­renz­spi­tal, das heisst eines der aus­ge­wähl­ten Spi­tä­ler, in denen in der aktu­el­len Pha­se Coro­na-Pati­en­tin­nen und -Pati­en­ten behan­delt wer­den. Aus dem Kan­ton Thur­gau brin­gen die Ange­hö­ri­gen eine alte Dame mit Herz­schwä­che, die unbe­dingt mit natür­li­cher Medi­zin behan­delt wer­den will und des­halb nur in die Kli­nik Arle­sheim kom­men möch­te. Genau die­se sehr unter­schied­li­chen Bedürf­nis­se zu erfas­sen, ist unser Anspruch und macht unse­re Arbeit auf der Not­fall­sta­ti­on jeden Tag anders und span­nend.

Auch die Abklä­run­gen und The­ra­pi­en sind beson­ders?

Um es auf den Punkt zu brin­gen: Wir bie­ten Hei­leu­ryth­mie und den Leber­wi­ckel mit Schaf­gar­be an und gleich­zei­tig eine Inter­me­dia­te-care-unit (Über­wa­chungs­sta­ti­on) in Zusam­men­ar­beit mit dem Uni­ver­si­täts­spi­tal Basel oder dem Bru­der­holz­spi­tal – mit allem, was von Sei­ten der kon­ven­tio­nel­len Medi­zin für eine siche­re Über­wa­chung im Krank­heits­fall nötig ist. Dies bedeu­tet sowohl das kon­ti­nu­ier­li­che Moni­to­ring zum Lang­zeit­er­fas­sen der Vital­wer­te, die Laborana­ly­tik und Radio­lo­gie im Haus als auch einen raschen Zugang zu Spe­zi­al­un­ter­su­chun­gen durch unse­re Fach­ärz­tin­nen und -ärz­te – sei es für einen Her­zultra­schall, eine Magen- oder Darm­spie­ge­lung oder eine Unter­su­chung der Hirn­strö­me mit­tels eines EEG (Elek­tro-Enze­pha­logramms), um nur eini­ge Bei­spie­le zu nen­nen.
Wir gehen mit einem ganz­heit­li­chen Men­schen­bild auf den Hil­fe suchen­den Men­schen ein. Dazu schöp­fen wir aus dem gros­sen Fun­dus der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin mit diver­sen Pfle­ge­an­wen­dun­gen wie Wickel und Ein­rei­bun­gen, Hei­leu­ryth­mie, Rhyth­mi­sche Mas­sa­ge, Phy­to­the­ra­pie, Sprach­ge­stal­tung, Kunst­the­ra­pie. Auch aus dem brei­ten kon­ven­tio­nel­len medi­zi­ni­schen Bereich nut­zen wir Fach­ärz­tin­nen und Fach­ärz­te der Kli­nik Arle­sheim alles, was zur Dia­gno­se­stel­lung oder Hei­lung not­wen­dig ist.

War­um soll­te ich in die Kli­nik Arle­sheim kom­men?

Wie jede Not­fall­sta­ti­on in der Schweiz ver­su­chen wir, den kran­ken Men­schen rasch zu behan­deln, sei­ne Sym­pto­me zu erfas­sen, auf ihn ein­zu­ge­hen, ihn wahr­zu­neh­men und Zeit für ihn zu haben. Ich den­ke, beson­ders macht uns, dass hier vie­le Per­so­nen arbei­ten, die ein ganz­heit­li­ches Men­schen­bild haben, das nicht nur die phy­si­sche und see­li­sche Kom­po­nen­te, son­dern auch die Lebens­kräf­te und eine spi­ri­tu­el­le Dimen­si­on umfasst. Dies fliesst in unser Sein und damit auch in unser Han­deln hin­ein.
Des Wei­te­ren kom­men die The­ra­pi­en der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin dazu, die sehr wohl­tu­end sind. In einer Zeit der sozia­len und phy­si­schen Distanz wer­den bei uns Men­schen berührt: Die Pfle­ge­fach­frau kommt am Abend und macht eine rhyth­mi­sche Fuss­ein­rei­bung mit Laven­del­öl. Der Phy­sio­the­ra­peut wen­det eine fei­ne rhyth­mi­sche Mas­sa­ge an, um die Lebens­kräf­te anzu­re­gen. Der Musik­the­ra­peut spielt auf der Lei­er nach einer für die Pati­en­tin anstren­gen­den Behand­lung. All die­se The­ra­pi­en wen­den wir auch auf unse­rer Not­fall­sta­ti­on an, wenn der Pati­ent es wünscht und es medi­zi­nisch sinn­voll ist. Ich bin sicher, dass es die­se Mischung aus schul­me­di­zi­ni­scher Kom­pe­tenz, ganz­heit­li­chem Men­schen­bild und den viel­fäl­ti­gen the­ra­peu­ti­schen Mög­lich­kei­ten ist, die unser Ange­bot ein­zig­ar­tig in der Schweiz sein lässt.

Wel­che Situa­tio­nen soll­ten mich ver­an­las­sen, einen Not­fall auf­zu­su­chen?

Es gibt Situa­tio­nen, in denen ganz klar ist: Dies ist ein Not­fall, ich muss für mich oder mei­ne Liebs­ten die Sani­tät rufen. Dort kann ich bestim­men, in wel­ches Spi­tal ich gebracht wer­den will. Wir in der Kli­nik Arle­sheim ste­hen für alle und ins­be­son­de­re inter­nis­ti­sche Not­fäl­le zur Ver­fü­gung. Wir freu­en uns, dass wir neu für chir­ur­gi­sche Not­fäl­le durch die Koope­ra­ti­on mit der Chir­ur­gie des Spi­tals Dor­n­ach die Mög­lich­keit haben, rund um die Uhr einen Fach­arzt für Chir­ur­gie und Ortho­pä­die zu kon­sul­tie­ren. Wie auf jeder Not­fall­sta­ti­on eines Regio­nal­spi­tals gibt es auch bei uns Situa­tio­nen, in denen wir unse­re Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten ver­le­gen müs­sen. Dies wird jeweils ein­ge­hend mit ihnen bespro­chen. Wir gehen auf ihre dies­be­züg­li­chen Wün­sche ein und bera­ten sie, wie man am bes­ten vor­ge­hen soll.
Dann gibt es noch die Fäl­le, in denen es sich zwar um weni­ger dra­ma­ti­sche Ereig­nis­se han­delt, die aber doch rasch abge­klärt wer­den sol­len, weil zum Bei­spiel die star­ken Schmer­zen kei­nen Schlaf mehr zulas­sen oder ein Druck auf der Brust oder hohes Fie­ber Unsi­cher­hei­ten aus­lö­sen. Das sind die Situa­tio­nen, die einen ver­an­las­sen, den Haus­arzt respek­ti­ve die Haus­ärz­tin auf­zu­su­chen. Doch an Wochen­en­den, in den Feri­en oder nachts, falls auch eine Stell­ver­tre­tung nicht erreich­bar ist, wer­den Sie froh sein, eine Not­fall­sta­ti­on in der Nähe zu wis­sen.

Wor­in besteht der Unter­schied zwi­schen Not­fall und Walk-in?

n der gan­zen Schweiz haben Kli­ni­ken damit begon­nen, den Not­fall und eine Per­ma­nence oder neu­deutsch: „Walk-in“ von­ein­an­der zu tren­nen. Die­se räum­li­che und pro­zes­sua­le Tren­nung ist sinn­voll. Mit einem eta­blier­ten und stan­dar­di­sier­ten Tria­ge­sys­tem kann im Walk-in unver­züg­lich ein­ge­schätzt wer­den, ob die Hil­fe­su­chen­den direkt auf die Not­fall­sta­ti­on gebracht wer­den müs­sen oder ob sie rasch und abschlies­send im Walk-in behan­delt wer­den kön­nen. Dadurch kön­nen leich­te­re Erkran­kun­gen schnel­ler behan­delt wer­den, was für die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten deut­lich weni­ger War­te­zeit bedeu­tet.
Auf die Not­fall­sta­ti­on kom­men Pati­en­ten und Pati­en­tin­nen, von denen man aus­ge­hen muss, dass sie wei­ter­ge­hen­de Unter­su­chun­gen brau­chen oder viel­leicht auch sta­tio­när auf­ge­nom­men wer­den müs­sen. Das kann zum Bei­spiel ein älte­rer Mann mit einer Lun­gen­er­kran­kung sein, der nicht mehr gut atmen kann, oder ein jun­ger Mensch mit star­ken Bauch­schmer­zen, der eine aku­te Schmerz­the­ra­pie und einen Ultra­schall braucht, um die Ursa­che der Schmer­zen her­aus­zu­fin­den. Zu unse­rer Not­fall­sta­ti­on gehört auch eine Über­wa­chungs­sta­ti­on. Dort wer­den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten, die schwe­rer erkrankt sind, inten­siv betreut, über­wacht und gepflegt. Dabei han­delt es sich um das­sel­be ärzt­li­che und pfle­ge­ri­sche Team, das den kran­ken Men­schen auf dem Not­fall betreut und wäh­rend der dar­auf­fol­gen­den Tage auf der Über­wa­chungs­sta­ti­on behan­delt.

Die Kli­nik Arle­sheim ist für Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin bekannt. Wie kommt die­se im Not­fall zum Ein­satz?

Um die­se Fra­ge zu beant­wor­ten, will ich kon­kre­te Bei­spie­le schil­dern. Eine Dame kommt mit einer Blut­druck­ent­glei­sung und star­kem Druck auf der Brust auf unse­ren Not­fall. Sie wird befragt, unter­sucht; es wird sofort ein EKG gemacht und Blut abge­nom­men – alles, was auf einer ande­ren Not­fall­sta­ti­on auch gesche­hen wür­de. Bei uns erhält sie dann aber zusätz­lich eine Sal­ben­auf­la­ge mit Aurum (Gold) und Laven­del sowie eine Infu­si­on mit Bryo­phyl­lum (Brut­blatt) und Con­chae (Aus­tern­scha­le) zur Beru­hi­gung und see­li­schen Sta­bi­li­sie­rung.

Oder las­sen Sie mich von einem Pati­en­ten mit einer chro­ni­schen Lun­gen­er­kran­kung erzäh­len. Er erhält sei­ne anti­ob­struk­ti­ve schul­me­di­zi­ni­sche The­ra­pie. Zudem las­sen wir ihn mit Gen­tia­na (Enzi­an) inha­lie­ren, und die Pfle­ge führt einen beru­hi­gen­den Rücken­ab­strich mit Rosen­öl durch. Dies sind nur zwei Bei­spie­le von vie­len. Denn so indi­vi­du­ell wie der Mensch, der bei uns Hil­fe sucht, und sei­ne Beschwer­den sind, so indi­vi­du­ell sind die The­ra­pie­mög­lich­kei­ten, die wir ihm auch schon auf der Not­fall­sta­ti­on durch die Mög­lich­kei­ten der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin geben kön­nen.

Nun noch etwas Per­sön­li­ches: War­um sind Sie Not­fall­ärz­tin gewor­den?

Ich habe eine lang­jäh­ri­ge, schul­me­di­zi­ni­sche Aus- und Wei­ter­bil­dung hin­ter mir, war tätig in klei­nen Regio­nal­spi­tä­lern bis hin zu drei gros­sen, uni­ver­si­tä­ren Spi­tä­lern der Schweiz. Dort habe ich den Fach­arzt-Titel für Inne­re Medi­zin und den Fach­arzt-Titel für Inten­siv­me­di­zin erwor­ben. Par­al­lel dazu habe ich eine drei­jäh­ri­ge berufs­be­glei­ten­de Aus­bil­dung in anthro­po­so­phisch erwei­ter­ter Medi­zin abge­schlos­sen. Die­se Wel­ten zu ver­bin­den ist mir also schon seit vie­len Jah­ren selbst­ver­ständ­lich.
Aus­schlag­ge­bend für mei­nen Wunsch, noch einen zwei­ten Fach­arzt­ti­tel in Inten­siv­me­di­zin zu erwer­ben, war ein mehr­mo­na­ti­ger Auf­ent­halt in Sam­bia, Afri­ka. Dort habe ich erlebt, was geschieht, wenn den Men­schen kein oder nur ein sehr rudi­men­tä­res Gesund­heits­we­sen zur Ver­fü­gung steht. Die­se Erleb­nis­se haben sich tief in mei­ne See­le ein­ge­prägt und zum Ent­scheid geführt, mich in der Schweiz auf einem schul­me­di­zi­nisch exzel­len­ten Niveau aus­zu­bil­den. Die­se inten­siv­me­di­zi­ni­sche Zeit habe ich am Uni­ver­si­täts­spi­tal Zürich – auf der Anäs­the­sie, auf der chir­ur­gi­schen, Ver­bren­nungs- und medi­zi­ni­schen Inten­siv­sta­ti­on ver­bracht. Das war eine auf­re­gen­de Zeit mit den Heli­ko­ptern der Rega auf dem Dach und Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten in medi­zi­ni­schen Extrem­si­tua­tio­nen am Ran­de zwi­schen Leben und Tod. Es brauch­te eine exzel­len­te Team­leis­tung von Logis­tik, her­vor­ra­gen­der Pfle­ge und Spe­zi­al­ärz­ten. Ich habe viel gelernt und kann nun auch in hek­ti­schen Lagen ruhig die Situa­ti­on erfas­sen und bestimmt han­deln.
Die Zeit im Uni­spi­tal Zürich war eine har­te Zeit mit vie­len ein­sa­men Nacht­diens­ten und schwie­ri­gen Erleb­nis­sen. Doch ich habe unglaub­lich an Erfah­rung gewon­nen. Dafür bin ich sehr dank­bar. Auch in der Inten­siv­me­di­zin gibt es wie in der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin kei­ne vor­ge­spur­ten Tram­pel­pfa­de. Da und dort ist alles nur indi­vi­du­ell mög­lich, und man muss geis­tes­ge­gen­wär­tig Lösun­gen fin­den. So gese­hen sind sich die bei­den äus­ser­lich betrach­tet so ver­schie­de­nen Gebie­te ähn­li­cher als man denkt.

Und was führ­te Sie als Not­fall­ärz­tin an die Kli­nik Arle­sheim?

Die Not­fall­me­di­zin hat mich ange­zo­gen mit einer Stel­le an der Hirs­lan­den Zürich und einem klu­gen Chef­arzt und sei­nem Team aus gross­ar­ti­gen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen. Es war eine gute Zeit, in der ich hart gear­bei­tet habe und wie­der viel ler­nen durf­te. Dann kam mein jet­zi­ger Chef­arzt Phil­ipp Busche und hat mir eine Stel­le als Lei­te­rin der Not­fall­sta­ti­on und der IMC an der Kli­nik Arle­sheim ange­bo­ten – eine Traum­stel­le. Ich konn­te nun alles, was ich in den vor­an­ge­gan­ge­nen vie­len Jah­ren gelernt hat­te, zusam­men­fü­gen und die­ser Kli­nik hier, die mir so am Her­zen liegt, zur Ver­fü­gung stel­len. Es ist schön, wie­der in mei­ner “alten” Hei­mat Basel­land zu sein, und es macht mir jeden Tag Freu­de, auf „mei­ner“ Not­fall­sta­ti­on zu ste­hen, mit mei­nen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen zusam­men­zu­ar­bei­ten und die Men­schen, die als Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zu uns kom­men, ken­nen­zu­ler­nen und ihnen bei­zu­ste­hen.

Aus einer aktu­el­len Rück­mel­dung: „Vie­len herz­li­chen Dank für Ihre lie­be­vol­le Auf­nah­me und Wär­me und Geduld bei der Auf­nah­me mei­nes Man­nes nach dem Unfall auf der “Kunsti”. Vor allem
Ihre lie­be Schwes­ter an die­sem Tag war wirk­lich so warm­her­zig, ver­ständ­nis­voll und zuhö­rend. Ihr Arzt in Aus­bil­dung macht Lust auf mehr Not­fäl­le (ein klei­ner Scherz!). Aber jun­ge Ärz­tin­nen und Ärz­te sind immer so span­nend und inter­es­sant“

Dr. med. Jana Siroka

Fach­per­son

Dr. med. Jana Siro­ka

Arbeits­schwer­punk­te Fach­ärz­tin Inne­re Medi­zin und Inten­siv­me­di­zin
Lei­te­rin Not­fall­sta­ti­on und IMC an der
Kli­nik Arle­sheim seit 2020
Mit­glied im Zen­tral­vor­stand der FMH.
Kon­takt jana.siroka@klinik-arlesheim.ch

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