
Die Chemotherapie zählt heute zu den geläufigen Standardtherapien in der klassischen Onkologie. Sowohl für die betroffenen Patienten als auch für ihr Umfeld kann die Durchführung dieser Therapie seelisch, körperlich und sozial belastend sein. Sie fordert von ihnen oft viel Kraft. In bestimmten Situationen kann sie den Verlauf der Tumorerkrankung positiv beeinflussen.
In unserer Tagesklinik setzen wir die Chemotherapie sehr gezielt ein. Ganz entscheidend ist für uns, was der Patient will. Damit er dies äussern kann, wird er durch den behandelnden Arzt umfassend über die Diagnose und die Möglichkeiten der verschiedenen Therapieformen, aber auch über die Risiken und Nebenwirkungen zum Beispiel einer eventuell in Frage kommenden Chemotherapie informiert.
Der Patient braucht Zeit, um sich für seinen Weg zu entscheiden, denn viel stürmt mit der Diagnose Krebs auf ihn ein. Oft ist sein Lebensgrundgefühl zutiefst erschüttert, und gleichzeitig werden existenzielle Entscheidungen von ihm gefordert. In der Regel können die meisten Patienten in dieser Situation die Fülle an Informationen aus dem Erstgespräch mit dem Arzt nicht auf einmal verarbeiten. In diesem Bewusstsein ist den behandelnden Ärzten, aber auch uns Pflegenden immer wieder das Gespräch mit dem Patienten wichtig. Es ist uns ein Anliegen, dass sie ihre Fragen offen stellen, ihre Ängste äussern können.
Selbstverständlich werden auch die Bezugspersonen des Patienten mit einbezogen, wenn dieser es wünscht. Das Gespräch mit den Angehörigen zeigt immer wieder, wie sehr auch sie von der Situation betroffen sind. Ausreichende Informationen oder auch die Tatsache, dass sie ihre Sorgen aussprechen können, gibt ihnen häufig Sicherheit, um den Weg des erkrankten Menschen besser begleiten zu können.
Zum bekannten Nebenwirkungsspektrum einer Chemotherapie können je nach Medikament, Dosis u.a. Übelkeit, ein erhöhtes Infektionsrisiko, Haarausfall, Störungen der Haut- und Schleimhäute oder auch Beeinträchtigungen des Geschmacks gehören. Häufig habe ich erlebt, dass sich ein Patient durch die Chemotherapie entfremdet fühlt. „Ich bin nicht mehr Herr in meinem Leib!“ Die Patienten reagieren sehr individuell auf die Medikamente, auch gewichten sie die Symptome unterschiedlich.
Bei jedem Gespräch versuchen wir, an das anzuknüpfen, wie es dem Patienten geht, welche Nebenwirkungen der Therapie sich bei ihm zeigen, wie er sie erlebt und was ihn in seiner jeweiligen Lebenssituation bewegt. So können viele Ängste genommen werden. Ein besonderes Augenmerk wird dem gewidmet, wie der Patient mit den Veränderungen durch die Erkrankung und Therapie umgehen kann, was ihn seelisch aufrecht hält. Was macht ihm trotz der Belastung durch die Chemotherapie Freude? Wie kann er sich etwas Gutes tun? Wie ist die Therapie eingebettet in seinen Lebensplan?
Die Chemotherapie allein heilt nicht, sondern es braucht ein ganzheitliches Therapiekonzept, um nicht nur auf physischer Ebene den Tumor zu bekämpfen. Es geht darum, den Menschen auf verschiedenen Ebenen in seinem Gesundwerden zu stärken, ihn zu unterstützen, dass er seinen „roten Faden“ im Leben finden kann.
Kristine Bornemann, Pflegefachfrau HöFa Onkologie