Ärztenetzwerke sind das Modell der Zukunft — Das anthroposophische Gesundheitsnetz setzt neue Akzente

Es ist ein eigent­li­ches Pio­nier­pro­jekt im schwei­ze­ri­schen Gesund­heits­we­sen: Der Ver­ein für ein anthro­po­so­phi­sches Gesund­heits­netz (VAGN) bil­det schweiz­weit das ers­te Ärz­te- und Behand­lungs­netz auf ­kom­ple­men­tär­me­di­zi­ni­scher Grund­la­ge.

Ab Früh­jahr 2010 haben zunächst Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten im Gross­raum Basel die Mög­lich­keit, sich inner­halb des anthro­po­so­phi­schen Gesund­heits­net­zes behan­deln zu las­sen.

Hans-Peter Stu­der befrag­te zwei Vor­stands­mit­glie­der des VAGN: Andre­as Bind­ler (AB) ist als Haus­arzt in Basel tätig, Lukas Schöb (LS) ist Ärzt­li­cher Lei­ter der Ita Weg­man Kli­nik.

Was ist das Beson­de­re an einem Ärz­te­netz?

AB: Zunächst ist das Ärz­te­netz­werk ver­gleich­bar mit dem bekann­ten Haus­arzt­mo­dell: Hat ein Pati­ent Krank­heits- und auch Gesund­heits­fra­gen, tritt er zuerst mit sei­nem Haus­arzt oder sei­ner Haus­ärz­tin in Kon­takt. Aus­nah­men sind Not­fäl­le sowie augen- und frau­en­ärzt­li­che Unter­su­chun­gen. Ent­we­der über­nimmt der Haus­arzt sel­ber die Behand­lung, oder wenn nötig über­weist er den Pati­en­ten an einen Fach­kol­le­gen und mel­det gleich­zei­tig die Über­wei­sung der Kran­ken­kas­se des Pati­en­ten. Die­se über­nimmt dann die Behand­lungs­kos­ten auch beim Arzt, an den der Haus­arzt sei­nen Pati­en­ten über­wie­sen hat.

Ist das auch beim anthro­po­so­phi­schen Gesund­heits­netz so?

LS: Jetzt am Anfang haben wir ein nor­ma­les Haus­arzt­mo­dell, bei dem wir mit ver­schie­de­nen Kran­ken­kas­sen Ver­trä­ge abschlies­sen.

AB: Mit unse­rem Gesund­heits­netz wol­len wir aber künf­tig die­ses Modell deut­lich aus­wei­ten: Wir wol­len aus­ser Ärz­ten und Kran­ken­kas­sen auch die anthro­po­so­phi­schen Spi­tä­ler, The­ra­peu­tin­nen und The­ra­peu­ten sowie Apo­the­ken ein­bin­den. Zudem sol­len künf­tig auch Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten aktiv ein sol­ches Netz­werk mit­ge­stal­ten kön­nen. Wir stel­len uns eine Pati­en­ten­ver­tre­tung als Bera­tungs­gre­mi­um vor, einen so genann­ten Pati­en­ten­bei­rat. Das Haus­arzt­mo­dell, mit dem wir im Jahr 2010 star­ten, ist nur ein ers­ter Schritt.

Wes­halb haben Sie die Bezeich­nung Gesund­heits­netz gewählt?

LS: Der Name Gesund­heits­netz zeigt, dass es bei uns nicht nur um Krank­heit, deren Behand­lung und Ver­si­che­rung geht. In der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin ist es genau­so wich­tig, die gesun­den Kräf­te und Ent­wick­lun­gen anzu­re­gen, wel­che bei jedem leben­den Men­schen vor­han­den sind, sei er noch so krank. Das Haupt­an­lie­gen ist, den ein­zel­nen Men­schen in sei­ner Ent­wick­lung zu ver­ste­hen, in Gesund­heit und Krank­heit. Die­ser Ansatz ver­än­dert den Blick auf Krank­heit und Gesund­heit. Es stel­len sich sofort Fra­gen in Bezug auf indi­vi­du­el­les und sozia­les Gleich­ge­wicht, nach Sinn und akti­ver Aus­ein­an­der­set­zung.

Was bie­tet das anthro­po­so­phi­sche Gesund­heits­netz den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zunächst?

AB: Als einen ers­ten Schritt haben wir ein Haus­arzt­mo­dell geschaf­fen, wel­ches vor­erst den gan­zen Bereich der Grund­ver­si­che­rung umschliesst. Für Leis­tun­gen aus­ser­halb der Grund­ver­si­che­rung – zum Bei­spiel Hei­leu­ryth­mie oder ande­re künst­le­ri­sche The­ra­pi­en – ist aller­dings zur­zeit wei­ter­hin eine Zusatz­ver­si­che­rung not­wen­dig.

Wor­in liegt für mich als Pati­ent der Vor­teil im Haus­arzt­mo­dell?

AB: Der Grund­ge­dan­ke des Haus­arzt­mo­dells ist der beson­ders gute und inten­si­ve Aus­tausch des Pati­en­ten mit sei­nem Arzt. Bei­de ken­nen sich gut; dadurch ist der Haus­arzt die idea­le fach­kun­di­ge Erst­an­lauf­stel­le im Gesund­heits­we­sen. Das Ver­trau­en, das der Pati­ent in sei­nen Haus­arzt hat, ist das eigent­li­che Fun­da­ment eines sol­chen Haus­arzt­mo­dells.

LS: Nur für Leis­tun­gen, die nicht inner­halb des Gesund­heits­net­zes ange­bo­ten wer­den, wird der Pati­ent über­wie­sen. Das schränkt den „Tou­ris­mus“ von Arzt zu Arzt ein, wodurch sich die Gesund­heits­kos­ten ein­däm­men las­sen. Der Pati­ent pro­fi­tiert davon durch eine Prämienreduk­tion, zunächst wie in einem nor­ma­len Haus­arzt­mo­dell, also im Umfang von 10 bis 15 Pro­zent. Wir hof­fen aber, dass die Prä­mi­en in Zukunft noch wei­ter redu­ziert wer­den kön­nen.

Und der Vor­teil des Gesund­heits­net­zes?

LS: Unser anthro­po­so­phi­sches Gesund­heits­netz baut auf die­sem engen Ver­hält­nis von Arzt und Pati­ent auf und erwei­tert in den nächs­ten Jah­ren das Netz um den Patien­ten her­um. Die künf­ti­gen Betei­lig­ten, also Ärz­te, Kran­ken­kas­sen, Pati­en­ten, Spi­tä­ler, The­ra­peu­ten und ­Apo­the­ken, schaf­fen ein dich­tes anthro­po­so­phi­sches Ver­sor­gungs­netz. Es wird ein enge­res Koope­ra­ti­ons­ver­hält­nis unter allen Betei­lig­ten sein. Alle zie­hen am glei­chen Strick im Hin­blick auf die Gesund­heit des Men­schen.

Ste­hen die Ärz­tin­nen und Ärz­te Ihres Netz­wer­kes mit­ein­an­der in einem beson­de­ren Aus­tausch?

AB: Es ist ein Teil der Ver­pflich­tun­gen, wel­che die Ärz­te ein­ge­hen, dass sie regel­mäs­sig in so genann­ten Qua­li­täts­zir­keln zusam­men­kom­men. Dort wer­den medi­zi­ni­sche und dia­gnos­ti­sche Fra­gen, Behand­lungs­fra­gen, aber auch wirt­schaft­li­che Fra­gen unter­ein­an­der aus­ge­tauscht.

Kann ich mir aus Ihrem Netz­werk einen Arzt als Haus­arzt wäh­len?

AB: In unse­rem Gesund­heits­netz sind jetzt 26 Ärz­tin­nen und Ärz­te, die sich in die­ser Rich­tung enga­gie­ren wer­den; 19 davon sind im Haus­arzt­mo­dell zusam­men­ge­schlos­sen. Es sind Ärz­te aus der Stadt Basel und Umge­bung sowie eine gan­ze Rei­he von Ärz­tin­nen und Ärz­ten in und an der Ita Weg­man Kli­nik.

LS: Wir möch­ten gern alle Pati­en­ten, die sich anmel­den, inner­halb unse­res Net­zes ver­sor­gen kön­nen. Es gibt aber in unse­rem Netz­werk Haus­ärz­te, die aus Kapa­zi­täts­grün­den kei­ne neu­en Pati­en­ten auf­neh­men kön­nen. Dort kön­nen nur die Pati­en­ten, die er schon hat, ins Haus­arzt­mo­dell wech­seln. Zudem haben wir uns mit dem Gesund­heits­netz­werk vor­erst auf den Raum Nord­west­schweiz beschränkt. Spä­ter ist eine Aus­deh­nung auch auf ande­re Gebie­te der Schweiz denk­bar.

Autoren12

Fach­per­son Dr. oec. Hans-Peter Stu­der
Arbeits­schwer­punk­te war im Pro­gramm Eva­lua­ti­on Kom­ple­men­tär­me­di­zin (PEK) für die Beur­tei­lung der Wirtschaft­lichkeit kom­ple­men­tär­me­di­zi­ni­scher Metho­den zustän­dig und ist seit 2005 Mit­glied des Redak­ti­ons­teams der Quin­te.
Kon­takt hpstuder@swissonline.ch
Tele­fon 071 344 38 37

 

 

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Fach­per­son Dr. med. Andre­as Bind­ler
Arbeits­schwer­punk­te Haus­arzt mit Pra­xis in Basel zusam­men mit Herrn
Dr. med. P. Janach und Frau Dr. med. W. Kel­ler Roth
Kon­takt abindler@gmx.ch

 

 

 

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Fach­per­son Dr. med. Lukas Schöb
Arbeits­schwer­punk­te Fach­arzt für Inne­re Medi­zin FMH, Stu­di­um in Basel und Genf. Fach­arzt­aus­bil­dung Inne­re Medi­zin in Erlen­bach, Dor­n­ach und Basel mit kar­dio­lo­gi­schem Schwer­punkt. Seit 2001 als Lei­ten­der Arzt an der Ita Weg­man Kli­nik. Seit 2004 Ärzt­li­cher Lei­ter, seit 2005 Mit­glied der Kli­nik­lei­tung und seit 2008 im neu gebil­de­ten Ver­wal­tungs­rat.
Kon­takt lukas.schoeb@wegmanklinik.ch

 

 

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