Ja zur Komplementärmedizin

Die Schul­me­di­zin mit der Kom­ple­men­tär­me­di­zin zu ergän­zen, das macht Sinn – so in der Herbst­ses­si­on die fast ein­hel­li­ge Mei­nung im Natio­nal­rat. Auch die fünf ärzt­li­chen kom­ple­men­tär­me­di­zi­ni­schen Metho­den Anthro­po­so­phi­sche Medi­zin, Homöo­pa­thie, Neu­ral­the­ra­pie, Phy­to­the­ra­pie und Tra­di­tio­nel­le Chi­ne­si­sche Medi­zin will wahr­schein­lich eine Mehr­heit des Rats wie­der in die Grund­ver­si­che­rung auf­neh­men.

Ja – aber

Für die umfas­sen­de Berück­sich­ti­gung der Komplementär­medizin sor­gen, das aller­dings sol­len dann Bund und Kan­to­ne doch nicht. Die­ser Mei­nung war wenigs­tens die bür­ger­li­che Mehr­heit im Natio­nal­rat. Ent­spre­chend emp­fiehlt er die Volks­initiative „Ja zur Kom­ple­men­tär­me­di­zin“ rela­tiv knapp zur Ab­lehnung.
Die offi­zi­el­le Poli­tik stellt sich damit in Gegen­satz zur Schwei­zer Bevöl­ke­rung, in der gemäss einer Umfra­ge des Dach­ver­bands der Kran­ken­ver­si­che­rer aus dem Jahr 2007 ein­drück­li­che 82 % gera­de die­se umfas­sen­de Berücksichti­gung der Kom­ple­men­tär­me­di­zin wün­schen. Es geht dabei nicht dar­um, 20’000 nicht­ärzt­li­che The­ra­peu­tin­nen und The­rapeuten eben­falls in die Grund­ver­si­che­rung aufzu­nehmen. Das wur­de nie je von jeman­dem gefor­dert, erst recht von den Initi­an­ten nicht. Viel­mehr haben Bun­des­rat Cou­ch­e­pin und sein Depar­te­ment die­ses Argu­ment frei erfun­den, um dar­aus eine gigan­ti­sche Kos­ten­la­wi­ne konstru­ieren zu kön­nen, die der Grund­ver­si­che­rung bevor­ste­he, falls die Initia­ti­ve angenom­men wür­de.

Kom­ple­men­tär­me­di­zin spart Kos­ten

Eine Mehr­heit des Natio­nal­rats ist auf die­ses unlau­te­re Spiel her­ein­ge­fal­len oder hat es gar mit­ge­spielt. Sie hat damit vor­erst die poli­ti­sche Chan­ce ver­tan, das Poten­zi­al der Kom­plementärmedizin gezielt aus­zu­schöp­fen.

Ärz­tin­nen und Ärz­te mit einer komplementärmedizini­schen Zusatz­aus­bil­dung ver­ur­sa­chen in der obli­ga­to­ri­schen Kran­ken­ver­si­che­rung gemäss dem Pro­gramm Eva­lua­ti­on Kom­ple­men­tär­me­di­zin (PEK) pro Arzt rund 30 % weni­ger Kos­ten als rei­ne Schul­me­di­zi­ner; dies obwohl sie schwe­rer und mehr chro­nisch kran­ke Pati­en­ten als jene behan­deln – und obwohl ihre Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit die­ser Behand­lung deut­lich zufrie­de­ner sind. Das gelingt ihnen vor allem des­halb, weil sie weni­ger Medi­zin­tech­nik und teu­re Medi­ka­men­te ein­setzen und umge­kehrt mehr Zeit dar­auf ver­wen­den, zu­sammen mit ihren Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten die geeig­ne­ten The­ra­pi­en zu fin­den und einzu­setzen.

In einem Sys­tem mit ins­ge­samt zu vie­len Ärz­ten, wie wir es in der Schweiz haben, könn­ten die Kos­ten folg­lich mar­kant ein­ge­dämmt wer­den, wenn mög­lichst vie­le Ärz­tin­nen und Ärz­te auch in Kom­ple­men­tär­me­di­zin aus- und weiter­gebildet wer­den. Das bedingt jedoch eine ange­mes­se­ne Ver­la­ge­rung der Kapa­zi­tä­ten in Leh­re und For­schung zuguns­ten der Kom­plementärmedizin. Auch dies for­dert die Initia­ti­ve, genau­so wie die Bewah­rung des natür­li­chen Heilmittel­schatzes.

Die nicht­ärzt­li­chen The­ra­peu­tin­nen und The­ra­peu­ten wol­len dem­ge­gen­über ihre Leis­tun­gen wie bis­her über die Zusatz­ver­si­che­rung abrech­nen. Sie sol­len aber auf der Basis einer fun­dier­ten Aus­bil­dung künf­tig in der gan­zen Schweiz prak­ti­zie­ren dür­fen und die her­kömm­li­che, schul­medizinisch aus­ge­rich­te­te Ver­sor­gung ergän­zen.

Mit Rück­grat und Rücken­wind

Für die eta­blier­te Medi­zin und das ihr nahe ste­hen­de Bun­desamt für Gesund­heit (BAG) ist das offen­bar bedroh­lich. Es hat die weit fort­ge­schrit­te­nen Arbei­ten im Bun­des­amt für Berufs­bil­dung und Tech­no­lo­gie (BBT) zur eid­ge­nös­si­schen Aner­ken­nung der nicht­ärzt­li­chen Kom­ple­men­tär­me­di­zin gestoppt. Und es hat eine PR-Agen­tur damit beauf­tragt, die Volks­in­itia­ti­ve „Ja zur Kom­ple­men­tär­me­di­zin“ zu be­kämp­fen, bevor sie über­haupt ins Par­la­ment kam. Dafür woll­te das BAG 300’000 Fran­ken aus Steu­er­gel­dern ein­set­zen.

Dumm nur, dass eine Mit­ar­bei­te­rin des BAG dies ent­deck­te und damit an die Öffent­lich­keit gelang­te. Caro­li­ne Kra­mer wur­de in der Fol­ge zwar post­wen­dend ent­las­sen. Für ihren Mut und ihre Zivil­cou­ra­ge hat sie nun aber den dies­jäh­ri­gen Publikums­preis „Prix Cou­ra­ge“ der Zeit­schrift Beob­ach­ter erhal­ten.

Caro­li­ne Kramers Bei­spiel beweist, dass es sich lohnt, für die gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Aner­ken­nung der Komple­mentärmedizin mit Rück­grat ein­zu­ste­hen. Den Rücken­wind, der dadurch ent­steht, kön­nen wir nut­zen und gemein­­­sam ver­stärken, auch zuguns­ten der Anthro­po­so­phi­schen Medi­zin.

Autoren63

 

Fach­per­son Dr. oec. Hans-Peter Stu­der
Arbeits­schwer­punk­te war im Pro­gramm Eva­lua­ti­on Kom­ple­men­tär­me­di­zin PEK für die Beur­tei­lung der Wirt­schaft­lich­keit kom­ple­men­tär­me­di­zi­ni­scher Metho­den zustän­dig und ist seit 2005 Mit­glied des Redak­ti­ons­teams der Quin­te.
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