
Liebe Leserin, lieber Leser
Warum feiert man eigentlich Jubiläen? Wenn besondere Daten wiederkehren, erinnert man an einen Menschen, ein Ereignis. Ein Jubiläum ist auch geeignet, innezuhalten, sich auf Erreichtes zu besinnen und der Freude darüber Ausdruck zu verleihen sowie nach vorn zu schauen, über die nächsten Schritte zu orientieren.
So wird im Jahr 2011 an verschiedene Persönlichkeiten und Ereignisse erinnert: beispielsweise an Franz Liszt, der vor 200 Jahren geboren wurde, oder an Gustav Mahler und Konrad Duden, deren Todestage sich 2011 zum 100. Mal jähren. Auch Rudolf Steiner, vor 150 Jahren geboren, wird in diesem Jahr in besonderem Mass Aufmerksamkeit zuteil.
Die Ita Wegman Klinik wird in diesem Jahr 90 – und mit ihr die Anthroposophische Medizin. Beide Jubiläen sind mit dem Jubeljahr „150 Jahre Rudolf Steiner“ eng verbunden. Denn so notierte sich Ita Wegman 1940: „Was wären wir ohne Anthroposophie? Welch ein mächtiges Geschenk ist uns da gegeben worden, mit dem wir die Menschheit und die Welt verstehen können.“ Durch ein Gespräch mit Rudolf Steiner wurde Ita Wegman angeregt, Medizin zu studieren. 1917 schreibt sie in einem Brief an Marie Steiner, sie wolle „bestrebt sein, nach Dr. Steiners Lehren der Medizin zu dienen“. Sie setzt in dieser Zeit erstmals Steiners Empfehlungen für die Mistelbehandlung von Krebspatienten in die Tat um, mit dem Präparat „Iscar“, aus dem Jahrzehnte später und nach vielen Forschungen und technischen Entwicklungen das heutige „Iscador“ entstand.
Aus Anlass des Jubiläumsjahres haben wir die Ausgabe 10 der „Quinte“ überarbeitet. (Übrigens gibt es das Magazin auch bereits seit 10 Jahren!) Zur Zeit der 10. Ausgabe, im Herbst 2004, wurde gerade die Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ lanciert.
Mit überzeugender Stimmenmehrheit wurde diese Initiative 2007 angenommen. Das war ein grosser Erfolg – und doch nur ein erster Schritt. Denn nun muss die Umsetzung des Verfassungsartikels auf Gesetzesebene und vor allem auf kantonaler Ebene erfolgen. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, wurde klar, als die Eidgenössische Leistungskommission dem Bundesrat Anfang Dezember 2010 empfahl,die Wiederaufnahme der fünf komplementärmedizinischen Richtungen in die obligatorische Krankenversicherung abzulehnen. Doch Bundesrat Didier Burkhalter entschied anders, und so werden ab 1. Januar 2012 die ärztlichen komplementärmedizinischen Leistungen wieder über die Grundversicherung vergütet. Dieser Entscheid ist mit der Auflage verbunden, den Nachweis über die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Komplementärmedizin zu erbringen. Ist das nicht bereits vor Jahren mit der PEK-Studie (Programm Evaluation Komplementärmedizin) weitgehend erfolgt?
Einzelne Beispiele zeigen, dass auf kantonaler Ebene ein Umdenken im Gang ist und mit der Berücksichtigung der Komplementärmedizin dem Volkswillen Rechnung getragen wird. So finden erste Gespräche statt, wie der neue Verfassungsartikel auf kantonaler Ebene umgesetzt werden kann. Im Kanton Thurgau konnten die kantonalen Angestellten in diesem Winter wählen, ob sie sich gegen Grippe impfen lassen oder eine Grippeprophylaxe auf pflanzlicher Basis nutzen. Auch die Frage nach Kostengutsprachen für ausserkantonale Hospitalisationen in komplementär geführten Kliniken hängt damit zusammen, wie der Verfassungsartikel „Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Berücksichtigung der Komplementärmedizin“ umgesetzt wird. Wenn ein Kanton selber keine komplementärmedizinische stationäre Behandlung anbieten kann, so sollte er eine Kostengutsprache für eine Klinik in einem anderen Kanton gewähren!
Auch wenn wir in diesem Jahr 2011 Erreichtes feiern und zum Beispiel auf erfolgreiche 90 Jahre Ita Wegman Klinik schauen, so bleibt doch Vieles zu tun, um auch in Zukunft allen Menschen den Zugang zur Anthroposophischen Medizin zu ermöglichen.